Prozess in Berlin gestartet - Mann behauptet, pflegebedürftige Ehefrau aus Überforderung umgebracht zu haben

Mi 19.06.24 | 15:36 Uhr | Von Ulf Mohrling
Symbolbild: Landgericht Berlin, Moabit. (Quelle: dpa/Schoening)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.06.2024 | Morling, Ulf | Bild: dpa/Schoening

Ein 72-jähriger Mann soll seine Ehefrau ermordet haben, weil er sich mit ihrer Pflege überfordert fühlte. Er soll nach einem Jahr der Betreuung nach einem Schlaganfall seine Frau heimtückisch getötet haben. Seit heute steht er vor Gericht. Von Ulf Morling

Zwei Tage vor dem Silvesterfest 2023 soll Axel L. (72) seine Ehefrau laut Anklage heimtückisch ermordet haben. Die seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmte und pflegebedürftige 59-Jährige soll er in der gemeinsamen Hellersdorfer Wohnung in ein Nebenzimmer gelockt, dann 13-mal mit einem Hammer auf sie eingeschlagen, sie mit einem Elektrokabel gewürgt und schließlich mit einem Messer 18-mal auf sie eingestochen haben. Laut Staatsanwaltschaft fühlte sich der wegen Mordes angeklagte Ehemann "mit der Betreuung seiner pflegebedürftigen Frau überfordert", so hatte er sich in den Vernehmungen geäußert. Am Mittwoch startete vor dem Landgericht Berlin der Prozess.

Vor dem Schlaganfall: Harmonische Ehe über 20 Jahre laut Ermittlern

Zu Beginn der 90er- Jahre hatte Axel L. die zwölf Jahre jüngere Birgit kennengelernt. 1994 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren, das Paar heiratete und die kleine Familie zog wenige Jahre später nach Berlin. In Hellersdorf bezogen die drei eine Dreizimmerwohnung, Birgit L. soll als Küchenhilfe und Axel L. unter anderem im Sicherheitsgewerbe gearbeitet haben. Die Familie fuhr gemeinsam in den Urlaub und die Beziehung von Axel und Birgit L. soll laut Ermittlungsbeamten viele Jahre harmonisch gewesen sein.

Doch im November 2022 erlitt Birgit L. einen Schlaganfall, der sie rechtsseitig lähmte und zu einem Pflegefall machte: ihre Mobilität war stark eingeschränkt, ihr Sprachzentrum war ebenfalls betroffen. Sie wurde mit dem Pflegegrad drei (von fünf) eingestuft. Das heißt, dass sie bei vielen alltäglichen Abläufen auf Hilfe angewiesen war.

Zweimal wöchentlich kam der Pflegedienst

Zweimal wöchentlich, montags und donnerstags, erhielt der angeklagte Ehemann Unterstützung durch einen Pflegedienst bei der Körperpflege seiner Frau. Ansonsten soll sich Axel L. weitgehend allein um seine Frau gekümmert haben: laut Zeugenaussagen kaufte er ein und kochte unter anderem. Ein soziales Umfeld, das das Ehepaar unterstütze, soll es nicht gegeben haben, heißt es aus Ermittlerkreisen. Nach dreizehn Monaten der Pflege soll es dann zwei Tage vor dem Jahreswechsel passiert sein. Neben dem Umstand, dass sich L. überfordert gefühlt habe durch die Pflege, soll den heute 72-Jährigen die Hilfsbedürftigkeit seiner Frau zunehmend gestört haben, unter anderem die durch den Schlaganfall bedingten Sprachstörungen seiner Frau und krankheitsbedingte Tics, die die 59-Jährige entwickelt haben soll.

Axel L. soll aber auch Angst vor einem möglichen Sturz beim Einkaufen gehabt haben, der womöglich die weitere Pflege seiner Frau durch ihn unmöglich gemacht hätte. Den Umzug in ein Heim soll Birgit L. stets brüsk abgelehnt haben. So sei ihm der Gedanke gekommen, seine Frau zu töten, um endlich Ruhe zu haben, wirft ihm die Staatsanwaltschaft in der Mordanklage vor. Gerade das letzte Weihnachtsfest, das das Ehepaar allein verbracht hatte, soll L. in seinem Entschluss unter Umständen bestärkt haben. Nach dem Besuch des Pflegedienstes am Morgen und einer gemeinsamen letzten Zigarette soll Axel L. am Tattag seine Ehefrau dann ermordet haben.

Zwei Tage mit der Leiche allein in der Wohnung

Nach der Tat soll sich Axel L. im nahegelegenen Supermarkt eine Flasche Schnaps gekauft haben. Die Tür zum Zimmer, in dem die Leiche seiner Frau lag, soll er geschlossen haben und mit einem blauen Tuch ihr Gesicht abgedeckt haben, weil er den Anblick des Gesichts seiner getöteten Frau nicht ertragen habe, sagte er später den Ermittlern. Später soll er sich eine weitere Flasche hochprozentigen Alkohol im Supermarkt besorgt haben. Als L. zwei Tage nach der Tat, am Silvestertag, wieder fast nüchtern geworden war, wählte er den Notruf der Polizei.

Ermittler: Angeklagter hätte auf mehr Unterstützung drängen können

Dass einer der Gründe des angeklagte Ehemann seine Frau zu töten auch ein unzureichend ausgestattetes Pflegesystem sein könnte, wird von mit dem Fall betrauten Ermittlern in diesem Fall verneint: der Angeklagte und seine Frau hätten zweimal wöchentlich den Pflegedienst im Haus gehabt und auf mehr Unterstützung drängen können. Der Angeklagte habe aber niemals die ambulanten Pflegekräfte darauf angesprochen trotz des Pflegegrades 3 seiner Ehefrau.

Laut Statistischem Bundesamt gab es im letzten Jahr ca. fünf Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. 80 Prozent von ihnen werden danach zu Hause gepflegt, überwiegend von Angehörigen.

Vier Prozesstage bis 12. Juli sind von der 22. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts geplant.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.06.2024, 06:12 Uhr

Beitrag von Ulf Mohrling

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