Beide Gesetzentwürfe scheitern - Bundestag lehnt Reform der Sterbehilfe ab

Do 06.07.23 | 11:57 Uhr
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Symbolbild:Eine Hand einer im Bett liegenden Person wird von einer anderen Hand gehalten.(Quelle:picture alliance/U.Grabowsky)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 06.07.2023 | Katrin Neumann | Bild: picture alliance/U.Grabowsky

Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben steht jedem zu. So urteilte das Bundesverfassungsgericht 2020. Mehr als drei Jahre später beriet nun der Bundestag über zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung - aber beide lehnte das Parlament ab.

Die Gesetzesvorschläge für eine Neuregelung der Sterbehilfe sind im Bundestag gescheitert.

In namentlichen Abstimmungen verfehlten die beiden vorliegenden Entwürfe am Donnerstag im Plenum die Mehrheit. Damit bleibt es dabei, dass die Sterbehilfe in Deutschland auf Grundlage eines Urteils des Verfassungsgerichts legal ist, dass es aber kein Gesetz gibt, das dafür verbindliche Regelungen vorschreibt.

Zwei Gruppen von Bundestagsabgeordneten aus SPD, Grünen, FDP und Linken hatten sich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt, so dass zuvor von vielen damit gerechnet wurde, dass dieser Vorschlag die Mehrheit bekommt. Das allerdings gelang nicht.

Bundestag in der Pflicht für eine Neuregelung der Sterbehilfegesetz

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Seitdem hat der Bundestag kein entsprechendes Gesetz beschlossen.

Das höchste deutsche Gericht leitete damals aus dem Grundgesetz ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ab. Die Richterinnen und Richter gaben dem Gesetzgeber aber die Möglichkeiten, ein Schutz- und Beratungskonzept zu entwickeln. Vor allen Dingen sollten damit Menschen geschützt werden, deren Sterbewunsch nicht ganz so freiwillig erscheint, weil sie zum Beispiel anderen schlicht nicht zur Last fallen wollen.

Organisierte Angebote für die Sterbebegleitung - aber wie?

Abgelehnt hatte das Parlament zunächst einen Vorschlag für eine striktere Regelung im Strafgesetzbuch. Für den Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) stimmten 304 Parlamentarier, mit Nein votierten 363, es gab 23 Enthaltungen. Der konkurrierende Entwurf einer Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) bekam dann 287 Ja-Stimmen, es gab aber 375 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen.

Hintergrund für die Initiativen war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte - weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. "Geschäftsmäßig" hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf - aber ausdrücklich mit der Möglichkeit zur Regulierung. Diese Möglichkeit nutzte der Bundestag nun nicht.

Regelungen zu Fristen und Beratungspflichten für die Suizidhilfe

Beide Vorstöße sollten Bedingungen und Voraussetzungen zu Fristen und Beratungspflichten festlegen, um eine Suizidhilfe für Volljährige zu regeln. Der Vorschlag der Gruppe Castellucci/Heveling sah dazu eine Neuregelung im Strafgesetzbuch vor. Dort soll es heißen: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser
hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Geregelt werden sollten aber auch Ausnahmen.

Der Vorschlag der Gruppe Künast/Helling-Plahr sah eine Regelung ausdrücklich außerhalb des Strafgesetzbuches vor. Kommen sollte ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung". Für den Vorstoß hatten sich zwei Gruppen zusammengetan. Im Entwurf heißt es: "Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen." Ärzte dürften Volljährigen dann Arzneimittel dafür verschreiben.

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Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2023, 06:40 Uhr

68 Kommentare

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  1. 68.

    Allen Mitarbeiter in den Hospizen ein großes Dankeschön!
    Ihr leistet so viel in schweren, ausweglosen Situationen für alle Beteiligten.

  2. 67.

    Sehr traurig dass nicht endlich ein vernünftiges Gesetz kommt, um in Würde sterben zu dürfen. Es ist unhaltbar, wie unsere Politiker teilweise mit den Menschenrechten umgehen.

  3. 66.

    Letzten Endes muss jeder selbst wissen, was er tut.
    Passiert ja auch oft.
    Menschen nehmen sich tagtäglich das Leben.
    Dies wird meist mit Bestürzung zur Kenntnis genommen.
    Was passiert jedoch mit einer Todespille auf Rezept.
    Bekommen wir dann eine Normalisierung von Selbstmord?
    Ich bin auch der Meinung, man sollte niemanden zum Töten befugen oder gar verpflichten.
    Ich glaube, wenn ein Mensch wirklich zum Selbstmord bereit ist, tut er es auch. Ich vermute, wenn er von einer anderen Person eine Pille oder Spritze bekommen möchte, ist er noch nicht bereit.
    Für Menschen mit Höllenschmerzen sollte man natürlich humane Lösungen finden, aber ein Volllegalisierung finde ich problematisch.

  4. 65.

    Ein Patiententestament gibt es nicht. Es gibt nur eine Patientenverfügung. Ärzte hören zu. So jedenfalls meine Erfahrung.
    Ich denke mal, wir liegen in unseren Vorstellungen vom selbstbestimmten Ende nicht weit auseinander. Allerdings ist es Entscheidung des Patienten und nicht des Arztes, ob eine lebensverlängernde Maßnahme ergriffen wird. Und schon sind wir wieder bei der Patientenverfügung, in der genau so ein Eingreifen verhindert werden kann.

  5. 64.

    Nein, das schlage ich nicht vor. Es geht nicht um Heilung, sondern um die blanke Existenz durch Atmung und das habe ich erklärt. Es geht um das Akzeptieren, dass Heilung für immer ausgeschlossen ist, um das Respektieren des Willens bei Vorliegen eines sog. Patiententestaments, um das Zuhören seitens der Ärzte. Ich kenne Sie nicht, urteile nicht über Ihre Erfahrungen in Ihrem Leben und weiß nicht, ob Sie jemals in der Situation waren, über die Sie hier schreiben und enthusiastisch von Leben berichten, das nicht Ihres ist.

  6. 63.

    Wat denn, soll ditte 'nen Kompliment sein?
    Das nehme ich nicht an! Ich finde, dass es zum Glück sehr viele Menchen gibt, die liberal u. frei denken. Und mit Denken und Lesen sowie Denken und Verstehen offensichtlich weniger Probleme haben als Sie. Denn Sie sind natürlich fähig, ein Thema, das so belastet ist von Emotionen, politischen Wünschen u. polit. (Partei)Interessen in nicht einmal 100ß Zeichen darzustellen. Man sollte Sie für einen Orden vorschlagen! Daher sehe ich mich gestärkt in meiner Haltung frei und liberal zu denken. Denn, was der User Pascal geäußert hat, fand ich wirkl. sehr bemerkenswert, aber im Grunde haben diese User @ 57, @54, @52, @ 40 , @ 39 und z.B. noch @ 37. meinen Gedankengängen voll entsprochen! Es galt, eine feststehende Entscheidung der höchsten Rechtsprechung in die Praxis zu überführen, und sonst gar nichts. Um es einmal für Sie herunterzubrechen. Nun, ja, sorry, die ablehnenden Politiker waren eben halt auch überfordert.

  7. 62.

    Und wieder entscheiden nicht vom Problem betroffene Abgeordnete über das Schicksal und den Willen anderer Menschen. Gesunde Menschen zwingen Sterbewillgen ihren Willen auf. Ich hoffe nur, dass auch diese Leute irgendwann von diesem Irrsinn betroffen sind. Es ist mein Leben und ich will darüber entscheiden wann, wie und ob es bei schweren Krankheiten beendet wird, aber von dieser Realität sind die Abgeordneten meilenweit entfernt.

  8. 61.

    "...und Studenten erklärt werden muss, dass Rettung um jeden Preis nicht immer die Rettung ihres künftigen Patienten darstellt, sondern auch eine Verurteilung zu Siechtum für den Rest der Zeit sein kann, also unschuldig und Urteil lebenslänglich."

    Äh, Sie schlagen ernsthaft vor, Medizinstudenten sollen etwas anderes tun, als heilen??????
    Mediziner sollen zwischen lebenswerten und unwertem Weiterleben entscheiden? Das hatten wir doch schon mal. Auch wenn Ihr Vorschlag sicher nicht in diese Richtung ging, aber einfach noch mal über ihn nachdenken.

  9. 60.

    Der Tod ist das Finale des Lebens. Das Leben selbstbestimmt zu beenden, hat nichts mit Euthanasie zu tun. Leben zu retten, das nach dieser Rettung nicht mehr den Vorstellungen von Leben des Überlebenden entspricht, ist kein Leben, sondern eine funktionierende Atmung in einer toten Seele. Es ist Qual. Ich glaube, dass die Themen Sterben und Tod im Medizinstudium intensiver gelehrt werden müssen und Studenten erklärt werden muss, dass Rettung um jeden Preis nicht immer die Rettung ihres künftigen Patienten darstellt, sondern auch eine Verurteilung zu Siechtum für den Rest der Zeit sein kann, also unschuldig und Urteil lebenslänglich.

  10. 59.

    Wir vergessen, dass die Rentenkassen davon profitieren und mehr Zuschuss für die Lieferung von Kriegsmaterial bleibt. Alles hat somit Vor- und Nachteile. Und nicht heilbare Krankheiten mit langsamen Dahinsiechen sind auch nicht gerade erfreulich.

  11. 58.

    Genau, fatale Gewinnausfälle. Selbstbestimmt, das war mal.

  12. 57.

    Die Chance moderner zu werden und zeitgemäße Lösungen zu finden ist vertagt. Hier, aber auch bei den Schwangerschaftsabbrüchen, ist man auf einmal viel zu konservativ. Das verstehe wer will.

  13. 56.

    Keine Sorge. Ich habe zur Zeit keine diesbezüglichen Pläne. ;-) Es kommt auf die richtigen Tabletten an, das weiß man doch.
    Übrigens, auch vom Hochhaus zu springen ist keine todsichere Methode. Alles hier schon erlebt und endete im Rollstuhl.
    Und beim Bratwurstgrillen reichen die Kohlenmonoxide. Da muss niemand mehr auf den Balkon.
    Und an Friedbert: Eher haben SIE meinen Beitrag wohl nicht verstanden und kommen deshalb mit Allgemeinplätzen.

  14. 55.

    In Zeiten des Pflegenotstandes ist ein Missbrauch der Sterbehilfe nun mal naheliegend und nur schwer auszuschließen.

  15. 54.

    Die Pharmaindustrie will verkaufen, die Pflegeindustrie will verdienen. Wo kommen wir da hin, wenn sich alle vom Acker machen, die unheilbar krank sind und furchtbare Schmerzen erleiden müssen.

  16. 53.

    Schade, dass Sie so gar nicht verstanden haben, um was es geht. Nämlich nicht um Sie, sondern darum, ob sich Helfer beim Suizid strafbar machen oder nicht.

    Aber das ist der Zeitgeist: Dich aufregen über etwas, um das es nicht geht.

  17. 52.

    Ich respektiere Ihre Meinung, aber meinen Sie, dass Tabletten eine schöne Art zu Sterben sind. Würde ich mich für einen Freitod entscheiden, würde ich keine Tabletten nehmen. Wer sagt denn, dass das klappt und man nicht noch vorher Kräpfe oder Kreislaufprobleme kriegt, die qualvoll sind? (Ich habe keine Ahnung, weil ich keine suizidalen Gedanken habe, aber mich beschäftigt schon lange die Frage, weshalb der Staat damit so ein Problem hat, Sterbehilfe zuzulassen.)
    Was wären denn totsichere Methoden sozusagen, außer vom Hochhaus zu springen. (Ich finde, die einen dann vom Asphalt kratzen müssen, habe das auch nicht verdient. Es muss doch eine "saubere" Möglichkeit geben, die man selbst wählt und wo niemand Unbeteiligtes mit reingezogen wird.) Jedenfalls sehe ich das so.

  18. 51.

    Doch wohl nicht im Wohnzimmer auf dem Holzkohlegrill.
    Da kämen Sie wegen der Abgase gar nicht mehr zum Balkon, sondern würden sich im Wohnzimmer vergiften.
    Und das Hochhaus in Brand setzen.
    Also ich denke, Sie sollten proaktiv versuchen, die Nachbarn zu kontaktieren. Vielleicht kann man ja gemeinsam was Schönes unternehmen...

  19. 50.

    Eine Ablehnung ist ein normaler politischer Prozess und ein Zeichen das in unserer Demokratie auch der Pluralismus existiert. Sterbehilfe ist in Deutschland ein heikles Thema. Besonders wenn man sich die Geschichte anschaut. Es sollte nicht einfach leichtfertig ein Verfahren für Euthanasie eingeführt werden. Dafür haben wir einen geschichtlichen Auftrag dieses ordentlich zu tun.

  20. 49.

    Was Sie schreiben, klingt für mich recht definitiv, so, als würde es im Endeffekt genau so kommen. Selber will ich von der MÖGLICHkeit sprechen, dass sich gewisse Tendenzen ungewollt durchsetzen, weil es bei nahezu allem, wo Menschen miteinander agieren, "Eigendynamiken" gibt. Diesen muss begegnet werden und so habe ich es auch verstanden, dass dazu die Beratungsverpflichtung und -dokumentation dienen sollte.

    Das ist jetzt (aber) überholt, weil kein Gesetzentwurf mehrheitlich beschlossen worden ist. Die ausgesprochen ethische Debatte war aber keineswegs umsonst, nur im gesetzgeberischen Sinne fruchtlos.

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