Geplantes Flüchtlingsheim in Welsickendorf - "Das ist eine Nummer zu groß für uns"

Sa 16.09.23 | 12:46 Uhr | Von Alexander Goligowski
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Die Landrätin spricht mit den Anwohnern zum Geplanten Flüchtlingsheim in Welsickendorf. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | Alexander Goligowski | 17.09.2023 | Bild: rbb

Was passiert mit einem 190-Einwohner-Dorf, wenn plötzlich 72 Geflüchtete in ein Mehrfamilienhaus einziehen? Diese Frage stellen sich gerade die Welsickendorfer im Landkreis Teltow-Fläming. Von Alexander Goligowski

Etwa 15 Welsickendorfer stehen vor dem Haus, das vielleicht bald ein Flüchtlingsheim sein wird – weißer Putz, rotes Dach, zwei Stockwerke, mehrere Eingänge. Das Gebäude wurde dem Landkreis vom Eigentümer angeboten. Aktuell prüft die Kreisverwaltung dieses Angebot, unterschrieben sei noch nichts. Seit einigen Tagen wird aber schon gewerkelt in dem Haus, das seit 30 Jahren leersteht, berichten einige Welsickendorfer. "Da sind doch neue Küchenschränke drin und die Bäder sind neu gefliest", werden Stimmen aus der Gruppe laut.

Und tatsächlich scheint der Eigentümer auch ohne Verträge bereits zu investieren. Werden die Welsickendorfer vor vollendete Tatsachen gestellt? Für Nancy Goedecke liegt der Verdacht nahe: "Ich bin echt geschockt. Wer steckt denn da Geld rein, wenn noch nix in trockenen Tüchern ist?"

Tatsächlich dürften die Chancen nicht schlecht stehen, dass sich die Investition für den Hausbesitzer auszahlt. Teltow-Fläming sucht verzweifelt Unterkünfte für Geflüchtete. 1.200 Menschen müssen noch bis zum Ende des Jahres aufgenommen werden, um die Aufnahmequote zu erfüllen, die das Landesaufnahmegesetz vorgibt. Der Landkreis selbst hat keine Liegenschaften und ist über jedes Angebot froh, denn niemand will wie im Jahr 2015 wieder Geflüchtete in Turnhallen unterbringen. Trotzdem fragen sich alle hier, ob es der richtige Weg ist, 72 Geflüchtete in einen Ort mit nur 190 Einwohnern zu stecken.

Sorge um das Dorfleben

In Welsickendorf ist die Dorfgemeinschaft stark, darauf ist man hier stolz. Gemeinsam halten Nancy Goedecke und ihre Mitstreiter vom Dorfverein das Dorfleben am Laufen. Das müssen sie auch, denn im Ort gibt es nicht viel. Der Ort hat eine Bushaltestelle - nur zweimal am Tag fährt dort ein Bus. Es gibt keinen Konsum, keine Kneipe und auch keine Kita. Der nächste größere Ort ist Jüterbog und zehn Kilometer weg. Wer hier wohnt, hat sich bewusst für dieses Dorfleben entschieden. Für die Geflüchteten gilt das nicht, findet Nancy Goedecke: "Die 72 Flüchtlinge, die hierherkommen sollen, werden hier wie Kartons abgestellt. Das ist denen gegenüber nicht fair und uns gegenüber auch nicht."

"Wir können das nicht auffangen, was an Unterstützung für die Flüchtlinge fehlen wird. Man kennt das ja", findet Sarina Libera. Die Welsickendorferin glaubt, dass ein paar Familien gut integriert werden könnten. "Aber was man so hört, werden es wohl eher 72 junge Männer sein. Das ist eine Nummer zu groß für uns." Ihr Nachbar Karsten Bebert sieht diese Aussicht besonders kritisch: "Die 72 jungen Männer könnten auch deutscher Herkunft sein. Es wäre das Gleiche. Wir sind hier der Arsch der Welt. Was sollen die hier tun? Sie kommen hier auch nicht weg. Vielleicht sind es auch ganz unterschiedliche Nationalitäten und machen sich dann gegenseitig das Leben schwer. Das ist ganz normal, dass sich dann Frust aufbaut und der wird dann in unserem Dorf rausgelassen."

Kommunen an der Belastungsgrenze

Teltow-Flämings Landrätin Kornelia Wehlan kennt diese Ängste, die sich ihrer Meinung nach in der Regel nicht bewahrheiten. "Wir haben schon in anderen Dörfern noch mehr Geflüchtete erfolgreich aufgenommen und wir werden alles tun, damit es auch hier gelingt", versichert sie den versammelten Welsickendorfern. Noch einmal bekräftigt sie, dass noch keine Verträge unterschrieben sind. Fakt ist aber auch, dass das Amt Dahme – zu dem die Gemeinde Niederer Fläming gehört, zu der wiederum Welsickendorf gehört – sein Kontingent bei der Flüchtlingsaufnahme noch nicht erfüllt.

"Es liegt jetzt auch in der Verantwortung des Amtes, uns Alternativen vorzuschlagen", sagt Wehlan und fügt an, dass sie aber durchaus Verständnis für zurückhaltende Bürgermeister und Amtsdirektoren habe. Sie kritisiert die mangelhafte finanzielle Unterstützung der Kommunen durch Bund und Land generell und bei der Flüchtlingspolitik im Speziellen. Die Städte, Gemeinden und Landkreise müssten immer mehr Aufgaben übernehmen und könnten das finanziell gar nicht mehr stemmen. Überall braucht es Schul- und Kitaplätze. Auch die Mobilität auf dem Land verlangt nach Investitionen, wenn die Verkehrswende gelingen soll. Das Geld reicht kaum für die Daseinsvorsorge. Zuletzt ist sogar der Industriestandort Ludwigsfelde in die Haushaltssicherung gerutscht, weil die Stadt einen Kredit für den Bau von drei neuen Schulen aufnehmen musste. Obendrauf kommt noch die Aufnahme von Geflüchteten.

Das Gebäude zum geplanten Flüchtlingsheim in Welsickendorf. (Quelle: rbb)

Kornelia Wehlan sieht die Kommunen vor dem finanziellen Kollaps. "Die Bordmittel, die uns durch Bund und Land für die Aufnahme zugewiesen werden, reichen gerade für die Unterbringung. Alles andere – habe ich den Eindruck – ist unser Ding. Wenn es um die notwendigen Strukturen vor Ort geht, die aufgebaut werden müssen, dann kommt das große Armeheben. Aber hier bezahlen wir das auch nicht aus der Portokasse", so Wehlan. Wenn sich daran nichts ändert, so die Landrätin, dann wird es immer schwieriger Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu finden, die bereitwillig die immer größer werdende Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme angehen.

Die Welsickendorfer wollen sich nicht ganz verschließen, sie hoffen auf eine vernünftige Lösung für alle Seiten – für sich, für den Landkreis und für die Menschen, die es auf der Flucht vor den Zuständen in ihren Heimatländern in ein kleines Brandenburger Dorf mit nur 190 Einwohnern verschlagen wird.

Beitrag von Alexander Goligowski

81 Kommentare

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  1. 81.

    Stimmt, die Rechtsextremisten der AfD treiben nicht nur in Brandenburg ihr Unwesen.

    Einige (!) Welsickendorfer verbreiten fleißig die Parolen der rechtsextremen AfD, inkl. Hörensagen.

  2. 80.

    Verstehendes Lesen hilft ungemein, ich schrieb von "wirren Kommentar", also verdrehen sie mir nicht die Worte im Mund!

  3. 79.

    Ergänzung. In Dörfern in Hessen und Niedersachsen ähnlich gelagerte Fälle.

  4. 78.

    KD, ich verbitte mir, das nach Lösungen zu suchen als wirr zu bezeichnen. Sie stellen sich damit an die Seitenlinie und verhöhnen das Ehrenamt und die, die oft schlecht bezahlt die eigentliche Integrationsarbeit leisten, was die Politik nicht kann, denn nach außen präsentiert sich D als : Wir sind die Guten genau wioe Sie sich hier als weiser Uhu darstellen.
    So lange Sie keine konsensfähigen Lösungen anbieten können, schweigen Sie lieber. Oder ist das Anheizen Ihre Berufung?
    Statt hier unterirdische Weisheiten abzulassen, erwarte ich, dass Sie auf Grund Ihres" Ich-weiß-was" möglichst umgehend, die die von Ihnen klein geredete Tätigkeit von Sozialpädagogen und Lehrkräften im Ländlichen Raum, sofort auf das v. Ihnen gewünschte Niveau der Flüchtlingshilfe zu hieven, bitte dauerhaft u. konsequent die Erfolge nachweisen, mind. 50% soz.-verspfl. Jobs oder Sie ziehen es vor, lieber zu schweigen.

  5. 77.

    Es ist nicht nur Brandenburg. Eben den Bericht über Odenthal in NRW gesehen. Ähnliches Dilemma. Hört auf, es auf die AfD zu schieben.

  6. 76.

    Das geholfen werden muß, steht nicht zur Diskussion.

    Vielleicht ist ja meine Wahrnehmung gestört, ich laß noch nie von Problemen mit Flüchtlingen in Zehlendorf, Dahlem oder Hernn Scholz Straße in Potsdam.
    Woran mag das wohl liegen?

  7. 75.

    Wohin sollen wir also mit den Menschen? Wer hat brauchbare Ideen? Irgendwohin zurückschicken können wir nur wenige. Kein Land nimmt sie zurück oder sie sind in ihrer Heimat mit dem Tode bedroht. Hinzu kommt, dass unser CO2-Ausstoß ihre Lebensgrundlage zerstört. Ich bin gespannt auf Eure dringend benötigten Ideen.

    Wer sagt: "Mir egal, ich will so weiterleben wie gestern", der übersieht, dass wir die Welt von gestern schon vorgestern aufgebraucht haben.

  8. 74.

    Macht eine Volksinitiative und genügend Brandenburger werden sich hinter die Dorfbewohner stellen, denn wohl Keiner möchte das.

  9. 73.

    Echt Klasse, wie hier einige den Dorfbewohnern vorschreiben, was diese zu wollen haben. Klar, ist ja nicht euer Wohnort. Immer schön anderen sagen, was sie müssen.

  10. 72.

    Warum muss auf Befehl und drill ein Dorf sein Dorfleben aufgeben? Dorfgemeinschaft macht in Brandenburg viel aus. Es muss nicht kunterbunt und vielfältig werden. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Berlin eignet sich viel besser für die Integration. Da haben Bund und Senat genug Gebäude, die zur Verfügung gestellt werden können. Berlin ist schon vielseitig.

  11. 71.

    Ihrer Definition muss ich widersprechen. Wer entscheidet, was links und was rechts ist? Sie, oder die Seite, die sich eher als links ansieht? Ist es nicht eher der Kampf um Deutungshoheit? Da sozusagen rechts der Gegenpol zu links ist, stehen beide Pole mit ihrer Meinung da, genauso gut wie schlecht. Aus beiden Ecken kommen richtige Meinungen. Und sollten Welsickendörfer Bürger ein Problem sehen und benennen, dann ist es ihr recht. Vielleicht ist auch das bewährte Dorfleben in Gefahr und es gibt sozialen Sprengstoff? Fatal ist, dass die Regierung bestimmt und die handelnden allein lasst. Wieviel Leute von den regierenden, von grünen oder SPD nehmen geflüchtete bei sich auf?

  12. 70.

    Machen Sie doch bitte einmal Vorschläge, wie es in Welsickendorf so ablaufen könnte ... ganz praktisch ... ohne Phrasen ...
    Genug Fragen habe ich gestellt, auf die Sie sicherlich eine gute Antwort haben, oder?

  13. 69.

    Vor allem die Jüngeren verließen in den letzten Jahrzehnten aus Gründen die ländlichen Gegenden, das sollte auch bei der Unterbringung von Geflüchteten beachtet werden, für Familien mit Kindern ist es in der Regel einfacher auf dem Land in einem Dorf zu leben, als für einem Einzelnen.

    Übrigens, die Aufnahme und Intergration von Zugewanderten würde viel einfacher und günstiger gelingen wenn der Staat und seine Vertretenden die öffentliche Daseinsvorsorge(Bildung-, Gesundheits-, Infrastruktur- und Verwaltungswesen)wieder zum Wohle Aller, als seine Hauptaufgabe ansieht, statt wie nun schon seit fast 4 Jahrzehnten geschehen zu gunsten Wenigen weiter privatisiert.

  14. 68.

    Nein, man wird nicht in die rechte Ecke gestellt well man eine anderen Meinung hat, sondern dann wenn man rechte und rechtsextreme Narrative und eine entsprechende Gesinnung verbreitet.

    Hier kommt man sich teilweise so vor als würde man sich auf einer Demonstration der AfD befinden wo die typische Gesinnung dieser Leute verbreitet wird. Die gleichen dummen Ausreden, Lügen und Verdrehungen.

    Fängt bei "das Boot ist voll" an und endet nicht beim bewußten Gerüchte als Tatsachen verbreiten aus. Das hat System.

    Merke: Rechte und Rechtsextreme werden nicht in rechten Ecken gestellt, sie haben sich selbst in diese Ecke gestellt.

    “When I see a bird that walks like a duck and swims like a duck and quacks like a duck, I call that bird a duck.”

  15. 67.

    Solange der Staat verhindert, dass Asyl Suchende nicht arbeiten dürfen, sich nicht selbstständig machen dürfen, sich nicht selbst versorgen dürfen, nicht eine unserem Land entsprechende Ausbildung erhalten dürfen, sich nicht mit Wertbeitrag einbringen dürfen, so lange werden die Asyl Suchenden ein Problem in Deutschland sein.Der Staat und die Kommunen zahlen stattdessen und überfordern sich für Unterkunft uLebensunterhalt. Das ist auch in Ordnung soweit er oder sie Unterstützung braucht. Doch wenn der Staat verhindert, dass man auf eigenen Beinen gehen lernen kann, wenn er mit seinen Gesetzen die Kommunen schwächt, wenn er die Bevölkerung gegen Asyl Suchende aufbringt, weil sie keinen Mehrwert sondern nur Last und Fremdheit erkennen, dann sind das die falschen Gesetze. Wer sagt denn, dass unter den Gefüchteten nicht Handwerker, Busfahrer, Händler, Café-Betreiber,Ärzte, Pfleger, Bauern sind oder mit einer gescheiten Ausbildung oder werden können.

  16. 66.

    Nichts, außer Ärger. Aber ein tolles Experiment. Zumal den Geflüchteten aus Afrika von den Schleppern deutlich bessere Lebensverhältnisse versprochen wurden. In dem Dorf wird aber nur eine Wohnung gestellt und Taschengeld, was man im Dorf nicht ausgeben kann. Das reicht aber für ein sinnvolles Leben nicht aus, weil ohne Beschäftigung oder örtliche Einkaufsmöglichkeiten und fehlender Infrastruktur letztlich nur Frust entsteht.

  17. 65.

    Die rechten Bedenkenträger suchen eine Ausrede nach der anderen, wie erwartbar.

    Man will einfach nicht dass Integration klappt, die Welsickendorfer nicht und erst recht nicht die rechten Bedenkenträger hier. Also erklärt man die Gerüchte die von den Dorfbewohnern gestreut werden für Tatsachen und sucht eine dumme Ausrede nach der anderen.

  18. 64.

    Genau diese Frage wird nie beantwortet. Weil es niemanden interessiert. Es ist zynisch, wenn erwartet wird, dass man immer ständig ganz begeistert sein muss. Typisch Grüne Moral.

  19. 63.

    "... Ist es nicht eher so, dass eine Zuzugsbeschränkung für Berlin ausschließlich von Rechten gefordert wird? ..."
    Ausdrücklich: NEIN!
    Könnte Sie und evtl. auch andere endlich einmal, dieses "in die Rechte Ecke stellen" sein lassen?
    Sobald man heutzutage eine andere Meinung hat, ist man Rechts bzw. AfD-Wähler.
    Dieses schwarz:weiss bringt keinem etwas!

  20. 62.

    "Es müssen nun mal alle Dorfbewohner, Behörden und auch die Geflüchteten an einem Strang ziehen."
    Wo steht denn dass die Dorfbewohner "müssen"?
    Was passiert wenn die Dorfbewohner nicht wollen?

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