Beschluss im Bundestag erwartet - Krankenhausreform: Große Versprechen und große Skepsis

Fr 20.09.24 | 08:53 Uhr | Von Ute Schuhmacher
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Corona-Station in der Berliner Charité 2021 (Bild: imago images/Markus Matzel)
Video: rbb24 Abendschau | 19.09.2024 | Tobias Schmutzler | Studiogast: Marc Schreiner | Bild: imago images/Markus Matzel

Im Oktober soll die Krankenhausreform im Bundestag final beschlossen werden und 2025 Schritt für Schritt in Kraft treten. Wird dann alles besser, finanzierbarer, unbürokratischer? Die Versprechen sind groß, die Skepsis ebenso. Von Ute Schuhmacher

Dass auch Berlins Krankenhäuser eine Reform brauchen, ist unstrittig unter den verschiedenen Interessensgruppen. Schon allein die Tatsache, dass die Berliner Krankenhäuser aktuell ein Defizit von rund 300 Millionen Euro aufweisen und laut Berliner Krankenhausgesellschaft jedes Jahr rund 160 Millionen Euro Miese hinzukommen, gibt einen Hinweis darauf. Wobei das Geld nicht das einzige Problem ist.

Da ist auch die Neuorganisation der Krankenhäuser, die Bürokratie und die Frage, ob das was geplant ist, die Probleme löst. Und an dem Punkt gehen die Meinungen weiterhin auseinander. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist von seiner Reform überzeugt, skeptisch sind die Krankenhäuser und die Bundesländer.

Mehr oder weniger Bürokratie?

Der Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie im DRK-Krankenhaus Westend, Thilo John, hat viel Erfahrung. Seit 15 Jahren ist er Chefarzt und als solcher in seiner Abteilung dafür verantwortlich, dass Behandlungen des Krankenhauses korrekt abgerechnet werden. Wenn ein Patient sich beispielsweise etwas gebrochen hat, muss Thilo John das akribisch dokumentieren: "Mit einer Ziffer, dann muss diese Ziffer mit mehreren anderen Ziffern kombiniert werden." Das ist entscheidend dafür, in welchem Schweregrad der Patient landet.

Je schwerer der Fall, desto mehr Geld bekommt das Krankenhaus für die Behandlung. Drei bis vier Stunden kostet John dieses Dokumentieren und Prüfen jeden Tag. Zeit, in der er lieber seine Patienten behandeln würde. Ziel der Krankenhausreform ist nun unter anderem, dass es weniger Bürokratie gibt. Thilo John glaubt allerdings nicht, dass das Ziel erreicht wird. "Mit der Krankenhausreform wird noch zusätzliche Bürokratie kommen", ist er sich sicher. Wie umfangreich die sein werde, wisse man noch nicht, sagt John. Weil aber die neue Krankenhausreform die Leistungen in neue Gruppen einteilt, muss das ja auch dokumentiert werden. Und weil es auch weiter Geld für den operierten Bruch beispielsweise geben soll, schlussfolgert John: "Wir werden nicht von der bestehenden Bürokratie entlastet werden."

Viele Berliner Krankenhäuser mit erheblichem Minus

Aber nicht nur die Bürokratie drückt die Berliner Krankenhäuser - auch das Geld. Allein seit 2022 fahren Berlins Krankenhäuser jedes Jahr ein Minus von 160 Millionen Euro ein. Das liegt an den Kosten, die durch die Inflation gestiegen sind. Das Geld habe der Bund aber nicht ausgeglichen, kritisiert der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, Marc Schreiner.

In Berlin und Deutschland schreiben auch deshalb rund 70 Prozent aller Krankenhäuser teils tiefrote Zahlen. "Wir brauchen deshalb gesetzlich erlaubt höhere Steigerungsraten. Und die muss uns der Minister jetzt geben", fordert Schreiner. Sonst bestehe die Gefahr, dass Krankenhäuser in Berlin pleitegehen. Und zwar noch bevor die neue Krankenhausfinanzierung 2026 greift. Diese Gefahr sieht nicht nur Schreiner.

Auch einige Berliner Krankenhäuser werden vermutlich schließen

Kritisiert wird auch, dass durch die Reform nicht grundsätzlich mehr Geld ins System gegeben wird. "Der Kostendruck bleibt für die Krankenhäuser nach wie vor", sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge, Michael Mielke. Bei der Investitionsfinanzierung ohnehin, weil die mit der Krankenhausreform gar nicht angefasst werde. Aber auch sonst, denn es wird nur das Geld, das aktuell auch schon für Krankenhausfinanzierung vorhanden ist, unter den bestehenden Häusern anders verteilt.

Allerdings wird wohl die Zahl der Kliniken schrumpfen - auch in Berlin. "Es wird wahrscheinlich auch einige Häuser geben, die ganz geschlossen werden", sagt Marc Schreiner. Erwartet werde, dass es eher kleine Krankenhäuser treffen wird, bestätigt Michael Mielke. Für sein Haus mit gut 700 Betten sieht er das Risiko eher nicht.

Reform soll 2025 in Kraft treten

Welche und wie viele Krankenhäuser in Berlin geschlossen werden müssen, ist auch für Berlins Gesundheitssenatorin, Ina Czyborra (SPD), noch unklar. "Noch wissen wir nicht, wie sich das, was da beschlossen werden soll, auf die Berliner Krankenhauslandschaft auswirken wird. Welche Tücken das hat und welche Kollateralschäden", sagt Czyborra und fordert vom Bundesgesundheitsminister dringend, endlich die Auswirkungsanalyse der Reform auf die Krankenhäuser vorzulegen.

Es ist also noch viel zu tun, bis die Krankenhausreform im Oktober im Bundestag final beschlossen werden soll. Wenn die Reform da angenommen wird, muss sie am 22. November noch durch den Bundesrat. Sollte es da keine Zustimmung geben und die Reform im Vermittlungsausschuss landen, könnte sie komplett scheitern. Sollten die Länder aber mehrheitlich für die Krankenhausreform stimmen, tritt sie ab Januar 2025 Schritt für Schritt in Kraft. Berlin muss dann erstmal – wie alle anderen Bundesländer auch – seine Krankenhäuser nach den neuen Leistungsgruppen ordnen. Danach soll ab 2026 die neue Finanzierung starten: Dann bekämen Krankenhäuser 60 Prozent des Geldes dafür, dass sie beispielsweise OP-Säle bereithalten. 40 Prozent des Geldes gäbe es für die Behandlungen, die tatsächlich durchgeführt werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.9.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Ute Schuhmacher

28 Kommentare

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  1. 28.

    Es ist eine Schande, dass nur die zahlen sollen, die am wenigsten habe. Ich musste in einem Krankenhaus das Zimmer mit einem Privatpatienten teilen und erleben, wie der bevorzugt wurde. Logisch, er brachte mehr Geld. Warum soll ich jetzt noch zusätzlich für meine Benachteiligung höhere Beiträge zahlen ?

  2. 27.

    Also, ca.80% der Krankenhäuser machen Verluste, und nur ca.7% Gewinne.

    Übrigens, obwohl nur 28 % der Krankenhäuser sich in öffentlicher Trägerschaft sich befinden, aber durch die Uni-Kliniken ist doch über die Hälfte der Kranhenhausbetten ist immer noch in öffentlichen Trägerschaft.
    Etwa 38% Krankenhäuser sind ind privater Trägerschaft mit Gewinnausschüttung, und der Rest sind freigemeinnützige Träger, wo erwirtschaftete Gewinne im Gesundheitssystem verbleiben müssen.
    Ergo, die Gewinnausschüttung ist zwar ein marginales Problem, aber solte denoch so gelöst werden, das nur für Privatkliniken eine Ausnahme gelten sollte..

  3. 26.

    Sie gehören zur der absoluten Minderheit, die diese derzeitige Regierung so unkritisch hochlobt, und ihr Handdlungsstärke bescheinigt.
    Das können sie gerne tun, aber sie müssen auch ein Kontra ertragen können, zumindest dann, wenn Sie ein Demokrat sind..
    Anstatt sich auf meine Meinung zu beschränken, beleidigen Sie den Verfasser dieser Meinung, und möchten ihm den Mund verbieten!

  4. 25.

    Liebe Dagmar,
    Sie behaupten, die von mir benannten beschlossenen Gesetze seien "nur Absichten". Entweder Sie posten bewusst Lügen, um die Regierungsarbeit zu diskreditieren oder Sie kennen sich null aus. Lassen Sie sich nicht vom Stammtischgeschrei ihrer Social-Media-Accounts manipulieren, informieren Sie sich selbst, z.B. im Bundesgesetzblatt. Wer nicht selbst denkt, muss alles glauben. Traurig! Argumentieren auf der Basis von Fakten ist mit Personen wie Ihnen offenbar nicht möglich. Hören Sie auf Ihre Gefühle und Halbwahrheiten zu posten. Am Ende geht es primär um Fakten. Oder mit Wittgenstein gesagt: Einfach Mal still sein, wenn man nichts schlaues zu sagen hat. Sie sollten sich schämen so einen Bullshit in der Öffentlichkeit zu Posten. - Das Forum braucht endlich eine Registrierung und Klarnamenpflicht!

  5. 24.

    Wie ich gerade im WDR lesen mußte sollen die Gesetzlich Versicherten zur Käse gebeten werden , aber Privat Versicherte nicht.
    Hammer um 7.14 Uhr der mich voll erwischte .

  6. 23.

    " Wird dann alles besser, finanzierbarer, unbürokratischer? "

    wohl kaum, ich mache mal einen Schlenker von der Krankenhausreform zu den Arztpraxen . Auch da wird über die Bürokratie geklagt , das Problem geeignete MFA´s zu finden, und schon viel zu lange die Budgetierung . Junge Ärzte scheuen aus gutem Grund eine Praxis zu übernehmen und verkaufswillige Praxen finden kaum Nachfolger, außer Investoren. Alles nachteilig für die Bevölkerung

  7. 22.

    " nicht um Gewinne, sondern um Finanzierbarkeit des Systems

    dann kam die Privatisierung und ab dann ging und geht es um Gewinne . Investoren machen es mit dem Ankauf von Praxen und MVZ ähnlich

  8. 21.

    " In Berlin und Deutschland schreiben auch deshalb rund 70 Prozent aller Krankenhäuser teils tiefrote Zahlen. "

    die heutigen Diagnoseverfahren, also MRT, CT, HRT und viele weitere sind teure Apparaturen, weiter zunehmende Alterung der Gesellschaft mit dahergehenden Erkrankungen sind ein weiterer Faktor , kurz alles kostet viel Geld, dann noch das immer nicht ausreichend vorhandene Personal. Krankenhäuser in kleineren Orten können das nicht alles stemmen.

    sehr gut beschrieben von JürgenJürgenFreitag, 20.09.2024 | 10:17 Uhr

  9. 20.

    Sie sprechen von Absichten, aber das sind bekanntlich keine Leistungen.
    Versprochen wird viel, gahalten wird kaum was..

  10. 19.

    Verbreiten Sie nicht so einen Unsinn. Die Regierung hat bisher ein sehr ambitioniertes und notwendiges Reformprogramm nach 16 Jahren CDU auf den Weg gebracht. Darunter sehr große Reformen: 100 Milliarden für die Bundeswehr, Corona-Hilfen, zig Verbesserungen beim Klimaschutz, ja u.a. auch das wichtige Heizungstauschgesetz, damit es statt 3 Jahrhunderthochwasser im Jahr nicht bald 17 gibt und wir endlich aufhören CO2 aus Öl, Kohle und Gas aus der Erde in die Luft zu pusten. Einwanderungsreform, damit mehr Pflegekräfte kommen, die unsere alternde Gesellschaft versorgen. Jetzt die große Krankenhausreform. Alles große Leistungen zum Wohle der Bevölkerung. - Sie jammern nur und sehen die Leistungen der Ampel nicht, die den Reformstau überwindet. Glauben Sie, die rechtspopulistische Wut-Weidel, die Kommunistin Wagenknecht oder Möchtegern-Merz hätten irgendwas davon zu Stande gebracht?

  11. 17.

    Nun ja, ganz so einfach ist es wohl nicht. Das System „Fallpauschale“, welches m.M.n.zum jetzigen Zustand des Gesundheitssystems führte, wurde doch m.W.n.durch einen gewissen Hr.Lauterbach als Staatssekretär im Gesundheitsministerium an den Start gebracht.

  12. 16.

    Egal welche Reform unsere Bundesregierung bisherauf den Weg gebracht hat, es waren am Schluss immer nur Reförmchen die von Mittag bis um zwölf gehalten haben.

  13. 15.

    Tja, leider muss es um Geld gehen, aber nicht um Gewinne, sondern um Finanzierbarkeit des Systems, unter Berücksichtigung der Entwicklungen in den ländlichen Gebieten.
    Beispielsweise, bis in die siebziger Jahre hatten im Westen auch kleine Krankennäuser ihre Geburtstation, aber mit sinkenden Geburtenraten wurden diese Geschlossen, obwohl in öffentlicher Hand.
    Fazit, die Gesunheitsversorgung der Bevölkerung ist schon damals der teuerste Posten in Daseinsvorsorge gewesen. obwohl die medizinische und technische Entwiklung im Vergleich zu heute noch in den "Kinderschuhen" steckte.

  14. 14.

    Naja , jetzt wird alles auf Lauterbach geschoben ,darüber kann man nicht Mal mehr lachen.
    16 Jahre Merkelregierung waren genauso Schuld , siehe immer mehr Aufgaben bei immer weniger Beitragszahler.
    Traurig aber Wahr.

  15. 13.

    >"Geht die Regierung planvoll im Sinne der Patienten vor?"
    Eigenlich geht es wie immer ums Geld. Eine richtige Reform sollte von Grundauf in diesem ganzen Medizinbusiness mal geschehen. Gesundheit in Deutschland ist eine Gelddruckmaschine, weil die Kassen und wir Beitragszahler ja bezahlen. Gelddruckmaschine aber eben nicht für Patienten und Gesundheitspersonal. In Deutschland sind alle Medizinprodukte teurer als z.B. in Frankreich oder Niederlande. Immer wenn irgendwo Medizin oder Gesundheit drauf steht, gibts erstmal gleich 200% Aufschlag - auf Pflaster, Binden, Betten usw. Die Medizintechnik ist ist superteuer. Medikamente werden alle mit 19% MwSt abgerechnet und bezahlt. Und überhaupt Medikamente... jeder Zwischenhändler verdient daran mit. Und es gibt einige Zwischenhändler, ehe die Tablette am Tisch des Patienten landet!

  16. 12.

    Die geplante Reform bedeutet: Längere Wege für Patienten, Angehörige und Arbeitskräfte, Bedeutungsverlust für kleine und mittlere Städte im eher ländlich geprägten Brandenburg, damit Verlust der Attraktivität im Sinne von Verschlechterung der wohnortnahen Versorgung mit allem was dran hängt: Einkaufsmöglichkeiten, Apotheken, niedergelassene Ärzte, weniger Kinder und damit Schüler, was die Strategen bei der Schulplanung dazu ermutigt, weitere Schulstandorte zu schließen mit der Folge weiterer Wege für Kinder und Eltern. Das heißt auch, im Endeffekt generell weniger Unternehmen vor Ort, angefangen bei Handwerkern, wo keiner mehr wohnt, wird auch nicht saniert. (Ganz abgesehen davon, dass dann die Polizeipräsenz vor Ort weiter abgebaut wird). Damit hängt letztlich auch wieder ein Wertverlust von Gebäuden/Grundstücken zusammen. Und in den zentralen Orten steigen weiter die Mieten und Bodenpreise.

    Das ist das simple 1x1 der Stadt- und Regionalplanung.

  17. 11.

    Bitte -Herr Lauterbach - begeben Sie sich auf die Ebene derer, die Ihre Reform durchführen sollen!
    Allein die gesetzlich Versicherten, die ohnehin gegenüber Beamten und privat Versicherten benachteiligt sind, sollen das Ganze finanzieren? Es bringt den Medizinern und ihrem Personal noch mehr Bürokratie als Zeit für Patienten und den Patienten definitiv keine bessere Versorgung. Ein Loch mit dem anderen zu stopfen hat noch nie was gebracht :-(

  18. 10.

    Der Bericht über die Charité war echter Horror. Der Vorstand sollte nicht nur abtreten sondern vor Gericht gestellt werden. Gesundheitssenatorin und Gesundheitsminister tolerieren diesen Zustand. Wenn das eine der Weltbesten Krankenhäuser ist fragt man sich wie der Rest aussieht. Die Verstaatlichung und Gewinnorientierte Bewirtschaftung sind die Wurzel allen Übels. Man wünscht niemanden Patient in diesem System zu sein. Deutschland rüstet weiter ab

  19. 9.

    Ich dachte immer es geht zu erst um den Patienten aber wenn ich dieses hier lese geht's nur noch um Geld und Gewinne die unterm Strich übrig bleiben.
    Deutschland wird eines Tages in seiner Bürokratie ersticken, jede Reform hat immer mehr Bürokratie gebracht und dieses in allen Bereichen der Gesellschaft.
    Da kann einem schon Angst und Bange werden falls man mal ins Krankenhaus muss.

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