Interview | Todesfall nach Fußball-Turnier - "Es ist nicht überraschend, dass es irgendwann dazu kommt"
Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung bei einem Fußballturnier ist ein 15-jähriger Berliner gestorben. Theresa Hoffmann, Referentin für Gewaltprävention beim Berliner Fußballverband erklärt, warum es gerade im Fußball besonders oft zu Gewalt kommt.
Es ist eine schockierende Nachricht: Bei einem internationalen Fußball-Turnier, bei dem Kinder und Jugendliche Spaß am Sport haben sollten, stirbt ein 15-jähriger Berliner nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Gewalt auf Fußballplätzen kommt immer wieder vor. Beim Berliner Fußballverband beschäftigt sich Theresa Hoffmann seit 2021 als Referentin für Gewaltprävention mit den Vorfällen und auch damit, wie man sie verhindern kann.
rbb|24: Frau Hoffmann, wie würden Sie diesen Vorfall einordnen in dem, was sie sonst an Gewalt auf Fußballplätzen beobachten?
Theresa Hoffmann: Zu dem Vorfall vom Wochenende kann und werde ich aus Respekt vor den Angehörigen nichts sagen.
Ist es aus Ihrer Sicht überraschend, dass so etwas passiert oder war es eine Frage der Zeit?
Da gehe ich ziemlich mit Thaya Vester [Kriminologin und Mitglied der DFB-Expert:innengruppe "Fair Play - gegen Gewalt und Diskriminierung", Anm. d. Red.], die auch schon gesagt hat, es ist nicht überraschend, dass es irgendwann dazu kommt. Nichtsdestotrotz ist es tragisch, dass es überhaupt dazu kommen musste. Meiner Meinung nach ist der Fokus auf das Thema Gewaltprävention gerade im Fußball und im Sport in den letzten Monaten und vielleicht sogar Jahren größer geworden. Vor dem Hintergrund ist es tragisch, dass es überhaupt dazu kam.
Was sehen Sie denn für eine Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren?
Für Berlin kann ich nur die letzte Saison als Vergleich heranziehen, weil ich vorher noch nicht in diesem Bereich gearbeitet habe. Da sind wir rein von den absoluten Zahlen auf einem sehr ähnlichen Niveau wie in der letzten Saison. Was davor passiert ist, da muss ich passen.
Wie sehr greift die Arbeit, die Sie als Berliner Fußballverband machen? Wie sehr haben Sie das Gefühl, Sie erreichen auch eine Vielzahl der Fußballspielenden und der Vereine?
Es kommt tatsächlich auf die Zielgruppe an. Bei den Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern erreiche ich gerade alle diejenigen, die neu anfangen, aber auch genug von denjenigen, die schon länger dabei sind. Bei den Vereinen sieht das teilweise schon ein bisschen anders aus. Aber wir haben auch Trainer-Fortbildungen. Damit erreichen wir schon immer mehr Trainer, die dann natürlich auch für uns als Multiplikatoren dienen. Damit können wir nicht quantifizieren, wie viele Personen wir wirklich erreichen, aber die Nachricht trägt sich eben mehr rum und immer mehr Personen nehmen sich des Themas in Berlin auch an.
Im Sport und im Fußball sind Emotionen dabei, das gehört dazu. Aber was sind die Gründe dafür, wenn es eskaliert?
Fußball an sich ist ein Konflikt. Zwei Mannschaften wollen gewinnen. Beide Mannschaften wollen das gleiche Ziel erreichen - und das funktioniert an sich nicht. Da sind Emotionen dabei. Das gehört auch dazu. Das fordern wir im Fußball auch direkt. Das heißt aber auch, dass dieser schmale Grat, wie ich mich verhalte, manchmal auch überschritten wird. Das soll nicht passieren, das darf nicht passieren. Trotzdem kommt es immer wieder vor, weil auch das alles nur Menschen sind. So eine Reaktion ist manchmal auch einfach menschlich. Warum es ausgerechnet genau im Fußball dazu kommt, hat glaube ich relativ viele Gründe. Das reicht von der soziodemografischen Zusammensetzung – der Spiegel der Gesellschaft, der immer wieder angebracht wird – bis hin zur Fußball-Kultur, die seit Jahren auf diese Art und Weise gewachsen ist.
Was sind denn Möglichkeiten oder Ideen, um das möglicherweise zu verhindern? Prävention, Strafen: Wo kann man am ehesten ansetzen?
Letztendlich kann es nicht nur eins von beidem sein. Für mich ist es einmal Präventionsarbeit, das heißt: aufklären, Qualifizierungsarbeit, Erkenntnis erlangen, was vielleicht auch Folgen sind. Vielleicht auch gerade an dem tragischen Beispiel, das wir jetzt erlebt haben. Was kann im schlimmsten Fall passieren? Das ist ja leider auch nicht der erste Fall, den wir auf die Art und Weise erleben, wenn man sich auch ganz Europa anschaut. Genauso muss aber auch eine gewisse Verantwortungsübernahme an allen Seiten passieren. Strafen und Sanktionen sind dann natürlich das Mittel, worüber wir am ehesten Handhabe haben, die Personen zu belangen, nachdem sie sich fehlverhalten haben.
Es gibt ja auch andere Sportarten, die körperlich intensiv sind, zum Beispiel Eishockey. Da geht es zum Beispiel während des Spiels härter zur Sache als beim Fußball. Und dennoch habe ich den Eindruck, danach ist dort ein anderer Kodex implementiert als beim Fußball. Warum ist das so?
Das ist in anderen Sportarten anders gewachsen als im Fußball. Wir haben hier einfach eine komplett andere Kultur, die die Spieler und Mannschaften tragen, die aber auch die Zuschauer mittragen. Da merken wir im Fußball, dass das über die Jahre hinweg anders gewachsen ist. Im Fußball merken wir einfach auch, dass wir eine andere Zielgruppe ansprechen als beim Handball, Hockey oder Basketball. Da werden ganz andere Personen angesprochen, die diesen Sport ausüben. Wobei man auch da bei der einen oder anderen Sportart durchaus Änderungen bemerkt.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen oder was ist vielleicht auch ein Appell, den Sie an die Fußballvereine und -spieler in Berlin richten würden?
Emotionen gehören zum Sport. Ohne die wollen wir den Sport auch gar nicht. Aber es muss allen klar sein, wo Grenzen überschritten werden. Wo Verhalten - und das können auch Äußerungen sein - anderen Personen Schaden zufügt, sowohl im psychischen wie auch im körperlichen Bereich. Diese Grenzen müssen sehr klar sein. Die müssen aber auch von allen vertreten werden. Jeder muss die Verantwortung dafür übernehmen, diese Grenzen eben nicht zu übertreten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Christian Dexne.
Sendung: rbb UM6, 31.05.2023, 18 Uhr