Interview | Todesfall nach Fußball-Turnier - "Es ist nicht überraschend, dass es irgendwann dazu kommt"

Mi 31.05.23 | 16:50 Uhr
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Zwei Spieler geraten bei einem Fußballspiel aneinander (Quelle: imago images/Hanno Bode)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 31.05.2023 | D. Azzam | Bild: imago images/Hanno Bode

Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung bei einem Fußballturnier ist ein 15-jähriger Berliner gestorben. Theresa Hoffmann, Referentin für Gewaltprävention beim Berliner Fußballverband erklärt, warum es gerade im Fußball besonders oft zu Gewalt kommt.

Es ist eine schockierende Nachricht: Bei einem internationalen Fußball-Turnier, bei dem Kinder und Jugendliche Spaß am Sport haben sollten, stirbt ein 15-jähriger Berliner nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Gewalt auf Fußballplätzen kommt immer wieder vor. Beim Berliner Fußballverband beschäftigt sich Theresa Hoffmann seit 2021 als Referentin für Gewaltprävention mit den Vorfällen und auch damit, wie man sie verhindern kann.

rbb|24: Frau Hoffmann, wie würden Sie diesen Vorfall einordnen in dem, was sie sonst an Gewalt auf Fußballplätzen beobachten?

Theresa Hoffmann: Zu dem Vorfall vom Wochenende kann und werde ich aus Respekt vor den Angehörigen nichts sagen.

Ist es aus Ihrer Sicht überraschend, dass so etwas passiert oder war es eine Frage der Zeit?

Da gehe ich ziemlich mit Thaya Vester [Kriminologin und Mitglied der DFB-Expert:innengruppe "Fair Play - gegen Gewalt und Diskriminierung", Anm. d. Red.], die auch schon gesagt hat, es ist nicht überraschend, dass es irgendwann dazu kommt. Nichtsdestotrotz ist es tragisch, dass es überhaupt dazu kommen musste. Meiner Meinung nach ist der Fokus auf das Thema Gewaltprävention gerade im Fußball und im Sport in den letzten Monaten und vielleicht sogar Jahren größer geworden. Vor dem Hintergrund ist es tragisch, dass es überhaupt dazu kam.

Theresa Hoffmann, beim Berliner Fußball-Verband zuständig für Gewaltprävention. / Bild: Berliner Fußball-Verband
Theresa Hoffmann arbeitet beim Berliner Fußballverband als Referentin für Gewaltprävention. | Bild: Berliner Fußball-Verband

Was sehen Sie denn für eine Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren?

Für Berlin kann ich nur die letzte Saison als Vergleich heranziehen, weil ich vorher noch nicht in diesem Bereich gearbeitet habe. Da sind wir rein von den absoluten Zahlen auf einem sehr ähnlichen Niveau wie in der letzten Saison. Was davor passiert ist, da muss ich passen.

Wie sehr greift die Arbeit, die Sie als Berliner Fußballverband machen? Wie sehr haben Sie das Gefühl, Sie erreichen auch eine Vielzahl der Fußballspielenden und der Vereine?

Es kommt tatsächlich auf die Zielgruppe an. Bei den Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern erreiche ich gerade alle diejenigen, die neu anfangen, aber auch genug von denjenigen, die schon länger dabei sind. Bei den Vereinen sieht das teilweise schon ein bisschen anders aus. Aber wir haben auch Trainer-Fortbildungen. Damit erreichen wir schon immer mehr Trainer, die dann natürlich auch für uns als Multiplikatoren dienen. Damit können wir nicht quantifizieren, wie viele Personen wir wirklich erreichen, aber die Nachricht trägt sich eben mehr rum und immer mehr Personen nehmen sich des Themas in Berlin auch an.

Im Sport und im Fußball sind Emotionen dabei, das gehört dazu. Aber was sind die Gründe dafür, wenn es eskaliert?

Fußball an sich ist ein Konflikt. Zwei Mannschaften wollen gewinnen. Beide Mannschaften wollen das gleiche Ziel erreichen - und das funktioniert an sich nicht. Da sind Emotionen dabei. Das gehört auch dazu. Das fordern wir im Fußball auch direkt. Das heißt aber auch, dass dieser schmale Grat, wie ich mich verhalte, manchmal auch überschritten wird. Das soll nicht passieren, das darf nicht passieren. Trotzdem kommt es immer wieder vor, weil auch das alles nur Menschen sind. So eine Reaktion ist manchmal auch einfach menschlich. Warum es ausgerechnet genau im Fußball dazu kommt, hat glaube ich relativ viele Gründe. Das reicht von der soziodemografischen Zusammensetzung – der Spiegel der Gesellschaft, der immer wieder angebracht wird – bis hin zur Fußball-Kultur, die seit Jahren auf diese Art und Weise gewachsen ist.

Was sind denn Möglichkeiten oder Ideen, um das möglicherweise zu verhindern? Prävention, Strafen: Wo kann man am ehesten ansetzen?

Letztendlich kann es nicht nur eins von beidem sein. Für mich ist es einmal Präventionsarbeit, das heißt: aufklären, Qualifizierungsarbeit, Erkenntnis erlangen, was vielleicht auch Folgen sind. Vielleicht auch gerade an dem tragischen Beispiel, das wir jetzt erlebt haben. Was kann im schlimmsten Fall passieren? Das ist ja leider auch nicht der erste Fall, den wir auf die Art und Weise erleben, wenn man sich auch ganz Europa anschaut. Genauso muss aber auch eine gewisse Verantwortungsübernahme an allen Seiten passieren. Strafen und Sanktionen sind dann natürlich das Mittel, worüber wir am ehesten Handhabe haben, die Personen zu belangen, nachdem sie sich fehlverhalten haben.

Es gibt ja auch andere Sportarten, die körperlich intensiv sind, zum Beispiel Eishockey. Da geht es zum Beispiel während des Spiels härter zur Sache als beim Fußball. Und dennoch habe ich den Eindruck, danach ist dort ein anderer Kodex implementiert als beim Fußball. Warum ist das so?

Das ist in anderen Sportarten anders gewachsen als im Fußball. Wir haben hier einfach eine komplett andere Kultur, die die Spieler und Mannschaften tragen, die aber auch die Zuschauer mittragen. Da merken wir im Fußball, dass das über die Jahre hinweg anders gewachsen ist. Im Fußball merken wir einfach auch, dass wir eine andere Zielgruppe ansprechen als beim Handball, Hockey oder Basketball. Da werden ganz andere Personen angesprochen, die diesen Sport ausüben. Wobei man auch da bei der einen oder anderen Sportart durchaus Änderungen bemerkt.

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen oder was ist vielleicht auch ein Appell, den Sie an die Fußballvereine und -spieler in Berlin richten würden?

Emotionen gehören zum Sport. Ohne die wollen wir den Sport auch gar nicht. Aber es muss allen klar sein, wo Grenzen überschritten werden. Wo Verhalten - und das können auch Äußerungen sein - anderen Personen Schaden zufügt, sowohl im psychischen wie auch im körperlichen Bereich. Diese Grenzen müssen sehr klar sein. Die müssen aber auch von allen vertreten werden. Jeder muss die Verantwortung dafür übernehmen, diese Grenzen eben nicht zu übertreten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christian Dexne.

Sendung: rbb UM6, 31.05.2023, 18 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Genauso ist es!!
    Echte Unterstützung und Wertschätzung gibt es nur in der Mitteilung ,dass es jetzt wieder einen neuen Rassismusbeauftragten /Gewaltpräventionsbeauftr etc. gibt ,der dann im besten Falle ein paar Plakate zum Aushängen vorbei bringt…und wenn man Glück hat ,gibts eine Anstecknadel als Auszeichnung…

  2. 11.

    Zumindest hier in Berlin wird schon was gemacht. Angefangen hat man mit den Schiedsrichtern um die zu Betreuen falls es "knallt" und seit einiger Zeit werden auch Deeskalationstrainings für Schiedsrichter angeboten. Das hat mir, obwohl ich kaum Probleme hatte und auch eher deeskalierend auftrete, auch noch mal geholfen um zu verstehen weshalb es irgendwann "knallt".
    Für Trainer werden hier auch spezielle Weiterbildungen in diese Richtung angeboten. Natürlich erreicht man damit viele nicht, da man auch keine unendlichen Kapazitäten hat und mich würde es nicht wundern, wenn genau die Problemfälle in solchen Seminaren keinen Sinn sehen. Das ist doch oft so.

  3. 10.

    Alle freuen sich über mehr Interesse von Kindern/Jugendlichen am Sport. Dann stellt man sich das so vor: Die ohnehin überlasteten Vereine nehmen die Kinder auf, trainieren diese, organisieren Spiele und Turniere, sorgen für gute Stimmung, reparieren alles, was Schule und Familie nicht mehr hinkriegt... Natürlich alles ehrenamtlich, dafür aber bitte auf Top-Niveau! Finde den Fehler!!!
    Mit Verlaub, das System ist an der Grenze des Machbaren. Während immer weniger Leute bereit sind sich zu engagieren, es immer mehr Auflagen und Haftungsgründe gibt, sollen Vorstände in Vereinen immer mehr Verantwortung übernehmen. Wir brauchen eine ehrliche Diskussion darüber, was geht. Und was nicht!

  4. 8.

    Ich frage mich wovon die Fußballverbände /Kreise da reden….Gewaltprävention z.B. gibt es doch nur „auf dem Blatt“ , da ist doch nichts Aktives dahinter…In den Weiterbildungen für Trainer geht’s doch meistens darum ,wo man das Hütchen als Nächstes hinstellen könnte

    Eine Bitte beim JuniorenPokalfinale einen Alkoholausschank zu verbieten ,blieb in unserem Fussballkreis ungehört.Es kam wie es kommen musste ,angetrunkene Eltern ,haben Junioren beleidigt ,..und schon gab es unschöne Szenen…

  5. 7.

    Ja im proleten und deppensport ist das Niveau Limbo niedrig

    Drum die Forderung seit 1976
    Nagelt die Vernunft in das Volk

  6. 6.

    Mir tut die Familie des Jungen unfassbar leid. Er fuhr zum Sport und kam nicht mehr nach Hause, was für eine Tragödie.
    Ich selber habe viele Jahre in der Jugend gekickt. Und gerade in den unteren Ligen - wenn also Kids das Spielen erst lernen - ist mitunter wenig Fairplay. Mütter, Väter, Trainer, BetreuerInnen stehen am Rand und brüllen rein, als ginge es um den Gewinn der ChampionsLeague. Die Emotionen werden einfach rausgelassen, häufig unter der Gürtellinie, auch gegen Schiedsrichter.

  7. 5.

    Ein sehr unsouveränes Interview. Viele Wiederholungen, Füllworte, Nebelkerzen, verbal unangemessen, auch gerade nach diesem tragischen Fall.

  8. 4.

    Die Ursachen für Gewalt auf und neben dem Fußballplatz während und nach den Spielen sind vielfältig, aber sie sind weder tolerierbar, noch in irgendeiner Form entschuldbar. Auch Eltern und Trainer nehme ich da nicht aus, das habe ich erlebt, als mein Sohn von F- bis A-Junioren spielte. Es sollten nie eigene Spieler allein unterwegs sein! Daher steht für mich klar fest, wehret den Anfängen u. die Täter mindestens suspendieren, Platzverbot aussprechen oder ganz rauswerfen aus dem Verein!

  9. 3.

    Nein, solche Reaktionen sind eben nicht „menschlich“ oder normal und erst recht nicht zu relativieren. Ich kann auf dem Platz meinen Gegner mal gepflegt umhauen, dafür gibts dann gelb oder rot. Aber Schlägereien auf oder neben dem Platz sind unentschuldbar.

  10. 2.

    Schlichter Blödsinn. Das hat mit gewachsenen Strukturen null zu tun. Ebenso wenig mit sozialen Zusammensetzungen. Einzig und allein das verhalten der Verbände und Schiedsrichter ist schuld. Wer lässt es denn zu, dass permanent über jede Entscheidung wild diskutiert wird. Das Spieler sich vor der Offiziellen aufbauen und diese anschreien? Diese „Kultur“ gibt es nur im Fussball und wird auch dort nur gedulded. Schmeißt solche Spieler konsequent vom Platz. Bei mehrmaligem Rausschmiss auch gerne Spielverbot. Vor allem im Profibereich, wo auch vorbildlich gezeigt wird, wir man mit den Schiedsrichtern umgehen kann. Und das „Problem“ löst sich in Rekordzeit selbst.

  11. 1.

    Nun ja, in der Vereinsarbeit sollten nervenschwache Tendenzen erkannt werden und bei aggressiven Vorfällen der Rauswurf folgen. Es wird dbzgl. zuviel unsportliches Verhalten toleriert. Wir haben unseren Jungen damals vom Fußballverein getrennt, auch zu viele Eltern haben sich nicht im Griff, da fängt das alles an...

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