Zwischen Krise und Genießen - Union Berlins Champions-League-Spagat im Hexenkessel von Neapel
Der 1. FC Union Berlin gastiert in der Champions League beim SSC Neapel. Trotz Krise wollen die Köpenicker ihren vierten Abend in der Königsklasse genießen. Sportlich gilt es, das vorzeitige Aus in der europäischen Beletage zu verhindern. Von Jakob Lobach
Fünf Fakten zum Spiel
- Das Hinspiel gegen Neapel verlor Union trotz guter Leistung knapp mit 0:1.
- Im Rückspiel würde nur ein Sieg Unions vorzeitiges Königsklassen-Aus verhindern.
- Knapp 55.000 Zuschauer verwandeln Neapels Stadio Diego Armando Maradona regelmäßig in einen Hexenkessel.
- Neapel muss weiterhin auf seinen verletzten Top-Stürmer Victor Osimhen verzichten.
- Allerdings haben die Italiener acht ihrer letzten zehn Spiele in der Champions-League-Gruppenphase gewonnen.
Das bewegt Union
Wenn aus "Täglich grüßt das Murmeltier" im Sport plötzlich "Wöchentlich grüßt die Krise" wird: Um diese kommt man nicht herum, wenn es in diesen Tagen um den 1. FC Union Berlin geht. Zwölf Niederlagen haben die Köpenicker in den vergangenen Wochen wettbewerbsübergreifend zuletzt kassiert. Zwölf Niederlagen, die Union am Mittwoch (18:45 Uhr) erneut vor gleich zwei schwere Aufgaben stellt. Die erste schwere Aufgabe ist das Champions-League-Spiel beim amtierenden italienischen Meister SSC Neapel an sich. Die zweite Aufgabe ist, sich den vierten von voraussichtlich sechs besonderen Abenden in der Königsklasse trotz der aktuellen Krise nicht vermiesen zu lassen.
"Wir müssen versuchen, es zu genießen – weil wir ein Jahr lang hart hierfür gearbeitet haben", betonte Trainer Urs Fischer auf der Pressekonferenz am Dienstag. Den Rahmen bietet hierbei das Stadio Diego Armando Maradona. Dieses schmücken Neapels leidenschaftliche Fans regelmäßig mit einer Stimmung, die ähnlich außergewöhnlich ist, wie es der Namensgeber des Stadions auf dem Rasen war.
Hilfreich beim Genießen dürfte die weiterhin große Unterstützung sein, die Unions Spielern und Trainer zuletzt trotz der Krise von den eigenen Fans gezeigt wurde. Diese besangen am vergangenen Samstag nicht nur Trainer Fischer vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt ausgiebig, sondern feierten nach dem Spiel trotz der 0:3-Niederlage auch dessen Mannschaft erneut – anerkennende Aufmerksamkeit über die Berliner Stadtgrenzen hinaus waren das Ergebnis.
Der Gegner-Check
Mit dem SSC Neapel wartet am Mittwoch nicht nur der amtierende italienische Meister auf Union, sondern auch ein heißer Anwärter auf das Achtelfinale der diesjährigen Champions League Saison. Mit sechs Punkten stehen die Italiener in Unions Gruppe C aktuell drei Zähler hinter Real Madrid und mit drei Punkten vor Sporting Braga auf Rang zwei.
Dass den Italienern in Victor Osimhen einer der zuletzt wohl besten Stürmer Europas aktuell verletzt fehlt, dürfte die Dinge für Union am Mittwoch nur bedingt einfacher machen. "Napoli ist nicht nur Osimhen, sondern hat viele andere gute Spieler", betonte Leonardo Bonucci am Dienstagabend, ehe er unter anderem Giacomo Raspadori und Giovanni Simeone hervorhob.
Hinzukommt der mittlerweile mit einem Marktwert von 85 Millionen Euro versehene Flügelstürmer Chwitscha Kwarazchelia, mitunter bereits "Kwaradona" genannt. "Sie sind besonders gefährlich, wenn sie im eins-gegen-eins spielen. Das sollten wir also verhindern", analysierte der am Mittwoch in seine italienische Heimat zurückkehrende Bonucci. Im Hinspiel gelang dies den über weite Strecken besser spielenden Köpenickern ganz gut, dennoch verlor Union am Ende mit 0:1. Der Torschütze: Giacomo Raspadori. Der Vorbereiter: Chwitscha Kwarazchelia.
Das sagt Urs Fischer:
"Für Neapel geht es um die Qualifikation für das Achtelfinale. Ich erwarte also, dass sie Druck machen. Sie werden von Beginn an versuchen, hoch anzulaufen, uns zu pressen, uns zu stressen. Das bedeutet, dass wir mutig sein müssen, uns aus diesem Pressing freispielen müssen. […] Die Situation im Moment ist wirklich beschissen. Aber trotzdem gilt es nach vorne zu schauen und wieder aufzustehen. Die Mannschaft hat mir gestern und heute gezeigt, dass sie wieder bereit ist, über 90 Minuten alles zu geben."
So könnte Union spielen
In der Defensive darf sich Leonardo Bonucci berechtigte Hoffnung auf einen Startelf-Einsatz in einem selbst für einen 36-jährigen Routinier besonderen Spiel machen. Zwar überzeugte der Italiener bis dato zu selten, dennoch kennt er sowohl den SSC Neapel als auch dessen von italienischer Leidenschaft geprägten Hexenkessel so gut, dass dies am Mittwoch ein Vorteil für Union und ihn persönlich sein kann. Im Mittelfeld dürfte der in der Bundesliga aktuell rot-gesperrte Rani Khedira in die erste Elf zurückkehren, während im Sturm David Datro Fofana eine gute Option ist.
Der bullige und schnelle Stürmer war sowohl am Wochenende gegen Frankfurt als auch im Hinspiel gegen Neapel Unions vielleicht bester Akteur – ehe er in der 70. Minute ausgewechselt wurde, Urs Fischer auf dem Weg zu Bank den Handschlag verweigerte und suspendiert wurde. Mittlerweile ist all das allerdings vergessen und Fofana eine echte Option gegen Neapel.
Unions mögliche Startelf: Rönnow – Knoche, Bonucci, Leite – Trimmel, Khedira, Gosens – Tousart, Laidouni – Becker, Fofana
Die Prognose
Union Berlin wird in Neapel einmal mehr viel investieren, sich aufreiben und auch gut gegenhalten gegen gut spielende Neapolitaner. Wohlwissend, dass nur ein Sieg das vorzeitige Aus in der Königsklasse verhindern kann und für das Überwintern in der Europa League zumindest ein Punkt enorm wichtig ist, wird Union auch offensiv und mutig im Umschaltspiel auftreten. Am Ende allerdings werden die eigenen Fans und die spielerische Qualität von "Kwaradona" und Co. Neapel zu einem umkämpften Sieg tragen.
Der Redaktionstipp: Union Berlin verliert knapp mit 1:2.
Sendung: rbb24, 07.11.2023, 21:45 Uhr