Konflikt zwischen Verband und Klubs - Brandenburger Fußball-Amateure kritisieren neue Sicherheitsrichtlinien

Mi 17.07.24 | 07:29 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Ein gesperrter Sportlatz in Brandenburg. (Foto: IMAGO / Eibner)
Video: Antenne Stammtisch | 11.07.2024 | Material: Antenne Brandenburg | Bild: IMAGO / Eibner

Der Fußball-Landesverband Brandenburg hat für die anstehende Saison eine neue Sicherheitsrichtlinie erlassen, die von den Amateurvereinen stark kritisiert wird. Die Umsetzung dürfte am Geld scheitern – oder an der Kommunikation. Von Marc Schwitzky

"Ja, ich weiß, wir als Verband haben die Kommunikation zuletzt etwas vernachlässigt. Das wissen wir. Aber Vereine können auch auf uns zukommen – es muss nicht immer andersherum sein. Wenn es Fragen gibt, sind wir auskunftsbereit", führt Patrick Paulick, Vorsitzender des Ausschusses für Sicherheit beim Fußball-Landesverband Brandenburg aus.

Es folgt der Einschub von Mariko-Carolina Thermann, Spielerin und Vorstandsmitglied beim FSV Babelsberg 74, Frauen-Landesligist: "Also, meine Mail vom 29. Mai wurde noch immer nicht beantwortet." Paulick hakt nach, wohin Thermann die Mail denn gesendet habe und bekommt die unangenehme Antwort: "An Sie persönlich."

Womöglich reicht bereits dieser Dialog aus der Podiumsdiskussion vom 11. Juli beim Stammtisch von Antenne Brandenburg, um ein grundsätzliches Problem zwischen dem brandenburgischen Verband und seinen Vereinen aufzuzeigen: Es hakt in der Kommunikation. Anlass jener Diskussionsveranstaltung war die neue Sicherheitsrichtlinie des Verbandes, die ab kommender Saison greift und für viel Kritik seitens der Amateurvereine sorgt.

Fantrennung, mehr Ordner und Zäune

14 Seiten umfasst das Dokument, das ab der anstehenden Spielzeit die Sicherheit bei Partien in Brandenburg neu regeln soll. Der Ansatz war es, so Verbandsmitglied Paulick, die bislang fünf inhaltlich unterschiedlichen Sicherheitsrichtlinien zu einem einheitlichen Werk zusammenzulegen. Doch es kommt auch zu deutlichen Verschärfungen der Bestimmungen.

Grund dafür sind vermehrten Sicherheitsprobleme von Amateurspielen auf brandenburgischem Boden. In der Saison 2021/22 kam es trotz Corona-bedingtem Abbruch zu 80 Sicherheitsvorfällen und neun Spielabbrüchen. 2022/23 waren es sogar 150 Vorfälle und 15 Spielabbrüche. Durch Ordnerschulungen und konsequentere Blocktrennung konnten jene Zahlen in der abgelaufenen Saison abgeschwächt werden – die Grundproblematik bleibt aber.

Und so greift der Verband nun ein. Ab der kommenden Saison müssen Heim- und Gästezuschauer vollumfänglich getrennt werden. Sowohl diese Trennung als auch die Abschirmung des Spielfeldes zu den Zuschauenden soll durch nicht übersteigbare Zäune gelingen, die fest anzubringen sind. Der Blockzugang für die Fans der Gastmannschaft ist über einen separaten Zu- und Abgang zu gewährleisten. Zudem soll es in beiden Blöcken jeweils Toiletten und Kioske geben. Auch eine erhöhte Anzahl von Ordnern ist nun gefordert. Schiedsrichter und Spieler sollen fortan getrennt von den Zuschauern aufs Feld gelangen können.

Ich sage es klar: Wir werden keine Plätze sperren! Bei den neuen Plätzen, die gebaut werden, gilt kein Bestandsschutz mehr – da muss das Konzept umgesetzt werden.

Amateurvereine kritisieren die neuen Bestimmungen

"Mir fallen zwei bis drei Vereine in Brandenburg ein, die ein richtiges Stadion haben und sowas leisten können", merkt Babelsberg-Funktionärin und Spielerin Thermann an. Stellvertretend für viele weitere brandenburgische Amateurklubs ist sie der klaren Meinung, dass die neuen Sicherheitsbestimmungen die Grenzen des Machbaren sprengen. Es würden Geld und genug Ehrenamtler fehlen, um solch einen Sicherheitsapparat bei jedem Spiel zu gewährleisten.

"Wir sind uns alle einig, dass Richtlinien sowie Schutz für Fans, Spieler und Schiedsrichter geschaffen werden müssen", willigt Wilhelm Garn, Vorstandsmitglied von Achtligist Grün-Weiß Brieselang, ein. Aber: "Sie müssen die Anzahl in Relation zu möglichen Eskalationsebenen sehen. Ich glaube nicht, dass in unserem Rahmen solche Maßnahmen Sinn ergeben." Zumal die neuen Richtlinien besagen, "dass wir sie in der Landesebene selbst in unserer D-Jugend, die in die Landesklasse aufgestiegen ist, anwenden müssen. Einlasskontrollen, sechs bis acht Ordner – für ein Spiel von Elf- bis Dreizehnjährigen mit 20 Zuschauern."

Die Brandenburger Schiedsrichterin Katharina Kruse, die zudem Leiterin des Frauenfußballs beim Ludwigsfelder FC ist, erlebt und hört zwar von vielen schwierigen Sicherheitssituationen rund um lokale Amateurspiele, fügt jedoch an: "So ein Zaun hält kein Elternteil davon ab, eine Spielerin wüst zu beleidigen. Ich verstehe, dass man sich an bauliche Bestimmungen halten muss, aber das löst das Grundproblem nicht." Sie fordere viel eher mehr Präventionsarbeit als bauliche Absperrungen.

Neue Richtlinie vor allem für Neubauten

"Wir wissen, was die baulichen Ansprüche angeht, unsere Sicherheitsrichtlinie von 90 Prozent unserer Vereine nicht gewährleistet werden können", gesteht FLB-Mitglied Paulick ein. "Wir wissen aber auch, dass viele Vereine mit ihren kommunalen Trägern im Gespräch sind, um das gemeinsam zu erreichen." Die neuen Richtlinien würden sich vor allem an Neubauten richten. "Ich sage es klar: Wir werden keine Plätze sperren! Bei den neuen Plätzen, die gebaut werden, gilt kein Bestandsschutz mehr – da muss das Konzept umgesetzt werden."

Mit dem neuen Sicherheitskonzept würde, so Paulick, der Verband vordergründig erreichen wollen, das Versammlungsstättengesetz des Landes Brandenburg einzuhalten. Zudem habe der DFB bereits festgesetzt, dass ein Fußballplatz vom Zuschauerbereich sichtbar getrennt sein muss – hier würde der Landesverband nur Folge leisten. Bei Ordner-Thematik müsse eingegriffen werden, weil Ordner bei einigen Spielen gleichzeitig noch den Grill bedienen würden und Stadionsprecher wären, so Paulick. So könnten sie ihrer eigentlichen Aufgabe als Sicherheitskräfte – das zeigen auch die vielen Vorfälle – nicht nachkommen.

Sollen oder Müssen?

Sehr viele der neuen Bestimmungen wären ohnehin nur Empfehlungen – um eben die Amateurklubs nicht zu sehr belasten. "Ich kann ja nun nicht schreiben: 'Es wäre schön, wenn …' So haben wir uns für das Wort 'sollen' entschieden, um nicht schwammig zu sein. Wir brauchen einheitliche Rahmen für die Sicherheit", erklärt Paulick.

Das sorgt für Entrüstung und Verwirrung unter den Amateurklubs. "Wir als Verein haben die E-Mail mit den neuen Bestimmungen erhalten und erst einmal Panik geschoben, weil wir nicht wussten, was wir tun sollen. Gefühlt war es kein Sollen, sondern ein Müssen. Das ergibt für mich keinen Sinn", so Babelsbergerin Thermann. Da manche Regeln tatsächlich ein Muss sind, erscheint die Kommunikation des Verbandes alles andere als klar.

Das zeigt auch ein Beispiel von Brieselanger Garn: "Es steht erstmalig in der Verordnung drin, dass die Plätze vom Verband abgenommen werden. Des Weiteren steht drin, dass die Vereine am Ende einer Saison zusammen mit dem Besitzer des Platzes und den Ordnungskräften analysieren sollen, wo es Verbesserungen geben kann. Einen Satz weiter steht jedoch geschrieben, dass man jenes Protokoll zum Verband schicken muss. Soll man oder muss man?", fragt das Vorstandsmitglied seines Vereins. "Denken wir das weiter, kommt ein Verbandsvertreter mit einer Checkliste und überprüft, inwiefern der Platz den Richtlinien entspricht. Paragraf 24 sagt ganz klar aus, dass, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, die Spiellizenz entzogen werden kann."

Da aber nicht klar ist, was Vereine sollen und müssen, ist ihnen auch nicht klar, welche Bestimmungen unbedingt zu erfüllen sind, um den Spielbetrieb nicht zu gefährden.

Das eigentliche Problem

"Wir kritisieren, dass es keine Ausnahmetatbestände gibt, man den großen und kleinen Verein über einen Kamm schert und die Vereine nicht miteinbezogen hat", so Garn deutlich. Tatsächlich gab es vor Erlassung der neuen Richtlinien kein persönliches Treffen von Verband und Vereinen. Paulick verweist hierzu nur auf eine generelle digitale Umfrage von 2020.

Hier scheint das Kernproblem zu liegen: Weniger die Sicherheitsbestimmungen an sich als vielmehr die Art und Weise, wie der Verband sie für Vereine unklar formuliert hat, sorgt für Kritik und Unverständnis. "Sie wissen, dass 90 Prozent der Vereine das nicht leisten können und schreiben es dennoch ohne weiteren Kommentar hinein", zeigt sich Thermann irritiert. Die anscheinend lückenhafte Kommunikation des Verbandes, die Paulick für die Vergangenheit selbst einräumte, hat bezüglich der neuen Sicherheitsbestimmungen mehr Panik und Missmut unter den Amateurklubs entstehen lassen als eigentlich notwendig.

Dass Vereinsvertretende auf solch einer Diskussionsveranstaltung erstmalig offene Fragen zu dieser Thematik von einem Verbandsmitglied beantwortet bekommen, ist jedenfalls kein gutes Zeichen für die Beziehung zwischen dem FLB und seinen Klubs.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2024, 15:30 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

15 Kommentare

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  1. 15.

    Einfach drastische Strafen einführen und umsetzen. Schluss mit Kuscheljustiz.
    Wenn die ersten dann sofort und lange weggesperrt werden, sollte alsbald wieder Normalität herrschen.

  2. 13.

    Wen die Richtlinie umgesetzt werden muss, wird es keine neuen Fußballplätze in Brandenburg mehr geben. Das kann keiner bezahlen. Warum muss es beim 1.FC Kleinkleckersdorf Fantrennung durch nicht übersteigbare Zäune geben? Jahrzehntelang waren alte Wasserrohre auf Betonpfählen als Zuschauerabtrennung in Richtung Spielfeld ausreichend.

  3. 12.

    "15 Abbrüche sind 15 zuviel..., unbestritten"
    Wenn man etwas durchsetzen will werden oft und gerne solche Zahlen bemüht... leider gab es schon zu oft bei genauerem hinsehen "Korrekturen" weil ein Gewitter zum Abbruch führte oder der eine Schiri abbricht wo der andere kein Problem erkennt.
    Es ist immer schwer solche Zahlen einfach mal so zu präsentieren.... wenn sie dann gravierende Konsequenzen nach sich ziehen.

  4. 11.

    Hier ist von „Hooligans“ und „Massen“ die Rede. Warum? Wir reden hier vom Amateurfußball in Brandenburg, wo es im Jahr landesweit wahrscheinlich keine zehn Spiele mit vierstelliger Zuschauerzahl gibt. Vielleicht mal bei einem Derby in Oranienburg oder Brandenburg, aber das war‘s dann auch schon. Bei den meisten Spielen sind weit weniger als hundert Leute vor Ort. Das rechtfertigt nun wirklich keine bautechnischen Veränderungen. Ich wage auch zu behaupten, dass die meisten Vorfälle sich gar nicht zwischen Zuschauern, sondern auf dem Feld oder zwischen Zuschauern und Leuten auf dem Feld ereignen. Da hilft dann auch kein Zaun. Etwas zu unternehmen, ist richtig. Aber dieses Konzept ist noch sinnloser als die Idee, den Görlitzer Park nachts abzuschließen.

  5. 10.

    Ich verstehe Ihr Ansinnen. Dennoch ist jeder Abbruch einer zu viel. Das kann man nicht schönreden. Auch nicht mit irgendwelchen Emotionen. Zumal man die für den positiven Support der Mannschaft einsetzen könnte

  6. 9.

    15 Abbrüche sind 15 zuviel..., unbestritten aber wir alle sind Menschen und haben Emotionen! Denen sollte man aber nicht immer freien Lauf lassen.
    15 Abbrüche aber diese Anzahl war auf die gesamte Saison in allen Ligen in BB bezogen.
    Wenn man all diese Fußballspiele inklusive der Jugendspiele hochrechnet, so kommt man locker auf > 1000 Spiele je Spieltag. Das bezogen auf die gesamte Saison ergeben einen verschwindend geringen Anteil im Promillebereich oder ca. 1 Abbruch auf jeden 2. Spieltag.

  7. 8.

    Gestern Abend hörte ich auf Antenne BB die dazugehörige Radiosendung.
    Hier kamen auch Emotionen gut herüber.
    Bei etlichen Passagen kam der Vertreter des FLB schwer unter Druck, wie z. B. dass die neuen Regeln ohne Hören der Vereine gemacht wurden, der Forderung der Umzäunungen, den getrennten Wegen von Spielern und Schri.
    Was nutzt das beste Fußballkomzept, wenn nach der Umsetzung der Verein insolvent ist, oder es viel zu groß ist? GAR NICHTS, da niemand dann mehr Fußball spielen kann!

  8. 7.

    Die Faneinzäunungen werden evtl. Kontakt in den Stadien reduzieren.
    Mögliche Gewalt wird dann vor die Stadien bzw. an die Bahnhöfe verlegt.
    Man stelle sich vor, in Wohnvierteln werden Zäune aufgestellt, weil dort verfeindete Gruppen wohnen?
    Solche Käfighaltungs-Projekte widersprechen doch jeglicher Logik eines Miteinanders.
    Es ist auch ein Irrglaube, bei einem Sport, wo es um Vermarktung von Fanartikeln sowie um Kämpfen, Laufen und Gewinnen geht, eine Stimmung wie bei einem Töpferkurs herzustellen.
    Der Fußball will Massen mobilisieren, und dann will man diese wieder bändigen?
    Naja, ist mir eigentlich auch egal. Fußball ist nicht meine Welt.

  9. 5.

    Gut gebrüllt, Löwe! Aber wo sollen die "harten Maßnahmen" herkommen bzw umgesetzt werden?! Das Personal bei der Polizei wird kaum ausreichen, um bei jedem Amateurkick auf Landesebene für Ordnung zu sorgen. Statt "Chaoten" & "Hooligans" können Sie bei Jugendspielen übrigens auch gerne "Eltern" schreiben - klingt zwar weniger reißerisch, trifft aber den Kern des Pudels.;)

  10. 4.

    Oder einen neuen "eigenen" Verband gründen, in dem die Regeln gemeinsam entschieden werden.

  11. 2.

    Und wieder leiden Sport und Vereine weil sich einige Chaoten unter den Fans nicht benehmen können. Besser wäre es, mit harten Maßnahmen gegen diese Hooligans vorzugehen.

  12. 1.

    150 "Sicherheitsvorfälle" und 15 Abbrüche sind doch eine kleine Zahl, wenn man die Gesamtzahl der ausgetragenen Partien nimmt. Ich denke, ein Konzept, wie es der Verband vorschreibt ist hier absolut unangebracht. Auch kann ich nicht nachvollziehen wie ein Verband, der ja Dienstleister der Vereine sein soll über deren Köpfe hinweg entscheidet. Sollten die Vereine nicht über neue Regelungen abstimmen können?

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