Sportförderung in der Kritik - Medaillen, ja - aber bitte günstig

Mo 19.08.24 | 12:16 Uhr
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Jacob Schopf (l.) und Max Lemke (r.) im K2 bei den Olympischen Spielen in Paris. Quelle: imago images/Xinhua
Bild: imago images/Xinhua

Die Bilanz des DOSB nach Olympia in Paris fiel gemischt aus. Im Medaillenspiegel ist "Team D" weiter zurückgefallen. Berliner und Brandenburger Sportler stimmen trotz gewonnener Medaillen in die Kritik an der Politik und der Sportförderung mit ein.

Seit gut einer Woche sind die Olympischen Spiele in Paris nun vorbei. Das Sportfest endete mit einer imposanten Abschlussfeier. Die deutsche Bilanz - insbesondere was die Medaillenausbeute angeht - fiel deutlich nüchterner aus. Die Sportlerinnen und Sportler, die in Frankreich für Deutschland an den Start gingen, kritisierten vor allem die aus ihrer Sicht immer schlechter werdende Sportförderung. Athletinnen und Athleten aus Berlin und Brandenburg teilen diese Einschätzung - obwohl sie bei Olympia in diesem Sommer teils höchst erfolgreich waren.

Deutliche Kritik an Politik

Kanute Max Lemke holte in Paris gleich zwei Mal Gold, im Zweier und im Vierer. Auch bei Olympia in Tokio sicherte sich der 27-Jährige bereits eine Goldmedaille, darüber hinaus ist er mehrfacher Welt- und Europameister. Man könnte denken, dass es bei ihm wenig Grund zum Meckern gibt. Doch das stimmt nicht. Lemke bestärkt Teamkollegen wie Max Rendschmidt, der bereits unmittelbar nach seinem Erfolg im Kajak-Vierer die deutsche Sportpolitik und -förderung deutlich kritisiert hatte (rnd.de), in ihren Beschwerden.

"Das ist natürlich absolut gerechtfertigt, auch wenn man über die Art und Weise und den Rahmen sicher sprechen kann", sagt Lemke. "Es ist aber auch so, dass wenn man keine klaren Worte trifft, es niemand interessiert." Lemke meint, dass sich bei der Förderung aller Randsportarten etwas ändern müsse, wenn Deutschland nicht mehr nur auf Rang zehn des Medaillenspiegels stehen wolle.

Zwei Medaillen, eine Belohnung

"Für uns ist und kann der finanzielle Aspekt aktuell gar keine Motivation sein", sagt Lemke. Er hat das in Paris am eigenen Leib erfahren. Obwohl er bei den Sommerspielen zwei Goldmedaillen gewann, wurde er finanziell nur für eine belohnt. Mehr war offenbar nicht drin, eine Honorierung für mehrfachen Erfolg ist nicht vorgesehen.

"Wenn wir die Stunden, die wir in den Sport stecken, in einen 'ordentlichen' Job stecken würden, würden wir deutlich besser verdienen. Darum geht es uns aber gar nicht. Eine gewisse Anerkennung und Lebensgrundlage für uns und unsere Familien auch nach dem Sport ist wichtig", sagt Lemke. Er verweist dabei zum Beispiel auf Ungarn, wo Spitzenathletinnen und -athleten ab dem 30. Lebensjahr eine monatliche Rente von 800 bis 1.000 Euro bekämen.

Auch Trainer leiden unter fehlender Förderung

Jens Kahl, Präsident des Kanuverbands, sieht insbesondere bei der fehlenden Professionalisierung ein Problem, das sich nun auch alle vier Jahre beim Blick auf den olympischen Medaillenspiegel bemerkbar mache. Davon betroffen seien bei weitem nicht nur die Sportlerinnen und Sportler. "Es gibt in Deutschland keine vernünftige Trainerausbildung mehr - insbesondere was eine disziplinspezifische Ausbildung betrifft", klagt der gebürtige Spremberger. Das mache es für den Verband schwer, gute Trainer zu finden oder zu halten. Auch die Bezahlung sei dabei ein Problem. Einige Trainer würden lieber als Sportlehrer an Schulen arbeiten, weil sie dort mehr Sicherheit in Form einer Verbeamtung und von Tarifsteigerungen fänden. "Wir haben die letzte Tarifanpassung 2008 nach den Spielen in Peking bekommen", sagt Kahl.

Inflation erschwert Lage

Dass der Kanuverband mit seiner Kritik bei weitem nicht allein ist, merkte man, wenn man sich bei den Deutschen Meisterschaften im Bahnrad am vergangenen Wochenende umhörte. In Paris ist der Verband nach eigenen Angaben hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch hier gibt es Kritik an der Finanzierung und den aktuellen Strukturen. "Wir kranken alle an der Inflationskrise. Wir haben nicht mehr Geld, sondern müssen mit dem gleichen Geld mehr schaffen. Das ist unmöglich und kann nicht funktionieren", klagt Maximilian Levy, langjähriger Bahnradfahrer und heutiger Junioren-Bundestrainer: "Wenn man sich in der deutschen Politik nicht für Leistungssport entscheidet, werden wir nicht besser, sondern sehr dankbar sein, wenn man überhaupt noch eine Bronzemedaille gewinnt."

So wie Emma Hinze. Die Cottbuserin kam in Paris auf den dritten Platz im Teamsprint. Die Zukunft sieht aber auch sie kritisch: "Am Ende haben wir Mädels das schon immer ein bisschen gerettet die letzten Jahre. Das finde ich natürlich sehr schön, aber generell muss sich schon einiges tun, damit man wieder ganz vorne mithalten kann."

Sendung: rbbUM6, 17.08.24, 18 Uhr

22 Kommentare

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  1. 22.

    Nein, sie beenden in der Regel ihren Dienst und führen ihr Studium falls nötig fort, was sie neben dem Sport betrieben haben.

  2. 21.

    Alles mögliche was junge Menschen so machen.
    Manche werden Trainer, manche Funktionäre, manche Sportlehrer, manche Berater, manche Sportjournalist und manche werden auch Polizisten oder Soldaten. Einige machen ein Sportgeschäft auf oder übernehmen es.
    Einige werden weder mit Sport noch mit Polizei etwas zu tun haben.

  3. 20.

    Sagt Ihnen Eigenverantwortung etwas? Nein? Das habe ich mir gedacht. Das Problem liegt in der Mentalität zu erwarten das die Gesellschaft ab einer bestimmten Zeit an Arbeit den Lebensunterhalt zahlen darf. Das ist einfach nur kurzsichtig und führt genau zu der Problematik die wir Heute haben.

    Wenn man selbst ordentlich vorsorgt und die richtigen Entscheidungen trifft gibt es keine Probleme.

  4. 19.

    Was machen die Sportsoldaten und Sportpolizisten wenn es mit Sport vorbei ist, gehen die dann jahrzehntelang wie die anderen auf Streife bzw Kampf?

  5. 18.

    Wozu Spitzensport, überhaupt?

    Kostet viel Geld und Ressourcen, viele Sportler gewinnen keine Medaillen, "gewinnen" aber ernsthafte gesundheitliche Probleme, manchmal lebenslang.

    Vielleicht wäre Förderung von sogenannte Breitensport sinnvoller, oder auch nur Ansporn etwas aktiver zu sein.

    Wenn es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer,und nicht zu knapp!

  6. 17.

    Die gesamte Einstellung in den Zuteilungsköpfen ist der Grund für Misserfolge. Wenn die Struktur das Trainieren schlägt, dann ist das ein Abbild, was auch in anderen Bereichen anzutreffen ist.... Im Land der Feststeller und „trainieren“ lassen.

  7. 16.

    Unsinn, auch wenn Fussball übermäßig viel Aufmerksamkeit und Kapital bekommt, so ist es ganz sicher nicht der einzige Sport in Deutschland der "Würdigung" erfährt.
    Im Winter gibt es stundenlange Sportsendungen in ARD und ZDF wo Fussball überhaupt keine Rolle spielt.
    Die Tour de France bekommt über 3 Wochen täglich 3-4 Stunden live Sendezeit im Ersten und reichlich Nachbetrachtung bei relativ schwacher deutscher Beteiligung.
    Handball/Basketball zumindest bei den Herren hat ebenfalls ordentlich Sendezeit und Aufmerksamkeit.

    Nur in der Breite fehlt es und da hat man früher eben mathematisch akkurat auf die Medaillenchancen gesetzt und da sind u.a. Schwimmen, Rudern, Kanu eigentlich die Sportarten, die im Medaillienspiegel zählen. Für Fußball gibt es bei Olympia nur 2 Medaillensätze. In den anderen Sportarten wesentlich mehr und da hat man früher insbesondere in der DDR genau drauf geachtet und entsprechend gezielt gefördert, um zu zeigen was so ein kleines Land drauf hat.

  8. 15.

    Ich bitte die Politik mal zu analysieren wieviel Steuergelder durch Athleten gespart werden könnten, die seit Jahren in Sportfördergruppen der Polizei und Bundeswehr ihr Hobby betreiben, keine nennenswerten Leistungen bringen und trotzdem einen Haufen Geld für ihre „Kunst“ erhalten… Die sollten aussortiert werden, dann hätten alle einen Ansporn sich zu verbessern und die Anzahl der Medaillen würde steigen…. Im Übrigen fordere ich für mich auch mehr Geld.., also zahlt mal liebe Steuerzahler :D

  9. 13.

    Begreift Deutschland das immer noch nicht, Sport jeglicher Art hat hier nur eine Würdigung wenn es sich um Fußball handelt, denn hier verdient der Staat und die Medien ob nun Printmedien oder Fernsehen. Alles andere wird doch als Unerhaltungswert gesehen. Das ist absolut schade aber Realität.

  10. 12.

    Dem Kommentar kann ich nur zustimmen.
    Sportförderung sollte im Breitensport intensiver erfolgen: in der Kita, Schule, Beruf, für Menschen mit Behinderung und für Rentner. Ich möchte keine Steuergelder für Individualisten bzw. Menschen verwenden, die ihr Hobby Sport zum Beruf gemacht haben.
    Hobbys sind schön und gut, aber auf Kosten der Allgemeinheit unerträglich.

  11. 11.

    Die Grundfrage wird nicht gestellt - Warum braucht Deutschland (mit dem ja manch Politiker von wegen Stolz nichts anfangen kann) Medaillen? - Warum sollen Bürger (egal wie o inär) für etwas zahlen, was eigentlich, früher hatten wir einen Kaiser ich weiß, Sport aus Idealismus sein sollte u. nicht als Berufszweig, den m/w/x/-0 per hohem Grundgehalt ausübt u. dann die privaten Werbevertrags tsde-mio in die Tasche (oh, mit zu viel Steuern) steckt?!? Und kommt mir nicht, wie beim Doping, die anderen aber doch ... - eben - Amateurstatus wieder 100 Proz. einführen - dann verdienen die Bürokratiebosse in den Übervereinen nichts mehr, die Wwerbung wird weniger u. nervt nicht mehr, inzwischen en masse auch im ÖF, keine millisekundeneinblendungen - QR-Codes - oder lasst die KI-Roboter laufen - werden doch so o. so bald zugelassen - KI-Trans

  12. 10.

    Einige Foristen haben das Grundproblem schon genannt. Leistungssportler vertreten bei Olympischen Spielen in der Nationalmannschaft die Nation. Die Nation gibt es aber nicht mehr, jedenfalls grundsätzlich nicht, solange Menschen meinen hier würde einem Hobby gefröhnt. Es ist tatsächlich eine nationale Aufgabe oder man sollte es bleiben lassen.

  13. 9.

    Hr. Lemke ist doch auch bei der Bundeswehr angestellt.
    Was hat er da zu meckern? Ach, er meckert gar nicht. Es setzt seine Medaillen als Gewicht für seine Worte sein.

    Sportsoldaten bekommen ca. 3.000 EUR/Monat. Keine Sozialabgaben.

    Staatliche Prämie für eine O-Goldmedaillie 20.000 EUR/zahlbar nach einem Jahr. (wahrscheinlich sind erst dann Dopingkontrollen ausgewertet.)
    Er möge als Erfrischungsgeld auffassen, wie ein Wahlhelfer; nicht als Lohn oder Belohnung. Er ist Medaillenhelfer.
    In AT, NL, USA gibt es auch nicht viel mehr für Gold.
    in IT gibt es 178.000 EUR.

    von seiner website:
    "Kanu auf Topniveau geht aber nur mit Absicherung. Die gewährt mir die Bundeswehr, Deutschlands größter Sportförderer. Hingabe, Verantwortung und Zusammenarbeit sind Werte, die ich als Sportsoldat teile und weitertragen möchte."

    Er kann ja für andere Staaten antreten, wenn ihm Geld so wichtig ist.
    Die anderen Soldaten setzen im Ernstfall ihr Leben aus Spiel.

  14. 8.

    Das ist nur ein Symptoms eines größeren Problems. Das demographische Ungleichgewicht fordert das wir durch den "Generationenvertrag" unsere Ressourcen in die Faulheit investieren damit Renten und Pensionen so üppig ausfallen können.
    Dadurch bleiben Investitionen auf Der Strecke. Mehr Investitionen können Der Allgemeinheit nachhaltig helfen. Es erfordert aber ein Umdenken das die Glorifizierung der allgemeinen Finanzierung des Lebensabend ein Ende setzt.

    Ich zahlen lieber meine Steuern das wir mit mehr Medallien aus Olympia kommen als auch nur einen Cent in die Renten und Pensionskassen zu zahlen.

  15. 7.

    Ich stimme Ihrem Kommentar vollkommen zu, möchte nur noch ergänzen. Dem Sportler der Ungarn mit der Zahlung von Rente für Spitzensportler so lobt kann man nur raten dann für das Land zu starten.

  16. 6.

    Die Kritik von den Sportlerinnen und Sportlern ist völlig nachvollziehbar, denn man kann nicht immer die gleichen Leistungen oder sogar noch bessere erwarten, wenn man nicht gewillt dazu ist, dann auch das entsprechende Umfeld zu schaffen. Und ich denke, es geht den Menschen dabei wirklich nicht nur um das Geld, sondern auch um die Wertschätzung. Es muss beides stimmen. Wie hoch ist der Stellenwert beim Fußball und wieviel Medienpräsenz bekommt er im Vergleich zu anderen Sportarten? Einige Sportarten werden außerhalb Olympias fast ignoriert, aber die Medaillen sollen trotzdem gebracht werden. Das ist völlig absurd. Die Sportförderung muss überarbeitet werden, anders geht es nicht. In Deutschland müssen viele neben dem Leistungssport auch noch studieren oder arbeiten und beides zusammen irgendwie organisiert bekommen. In den USA wird bei einem Studium viel mehr Rücksicht auf Termine genommen, vom Geld ganz zu schweigen, was dort in die Hand genommen wird, um gute Bedingungen zu schaffen

  17. 5.

    "Wenn wir die Stunden, die wir in den Sport stecken, in einen 'ordentlichen' Job stecken würden, würden wir deutlich besser verdienen...."

    Na dann, bitteschön. Niemand zwingt die Leistungssportler das zu tun, was ihnen Spaß macht, wovon sie scheinbar aber nicht so gut leben können. Es hat aber auch niemand etwas davon, wenn sie Medaillen gewinnen. Wieso also sollte das gefördert werden?

  18. 4.

    Sportförderung hat ein großes Einsparpotential, warum müssen Einzelinteressen durch die Gemeinschaft finanziert werden? Wer Spitzensport machen will, der soll ihn auch selbst finanzieren!

  19. 3.

    Auch in der Sportförderung fehlt es eigentlich nicht an der Geldsumme sondern wie in so vielen Bereichen an der Effizienz der Verteilung. Zu viel bürokratische Verwaltung die sich selbst aber kaum die Sportler verwaltet.
    Obendrein muss politisch entschieden werden ob man Leistung also Medaillenchancen oder nur Teilnahme fördert.
    Hab ich mal von einem gehört der beruflich mit Sport zu tun hat.

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