Immaterielles Kulturerbe - Stirbt die Tradition des Spreewaldkahn-Baus aus?
Seit Kurzem gehört der Bau von Spreewaldkähnen zum immateriellen Kulturerbe. Doch das Handwerk hat eine ungewisse Zukunft. Es gibt immer weniger Kahnbauer. Die Gründe sind vielfältig - nicht nur der Nachwuchs fehlt. Von A. Kabisch und R. Herkner
Noch steht Thomas Lubkoll in seiner Werkstatt in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz), noch arbeitet er an einem neuen Kahn. Doch Ende des Jahres will er das Schweißgerät an den Nagel hängen und in Rente gehen. "Ich muss auch sagen: Ich bin körperlich abgearbeitet. Ich bin fertig", sagt er.
Es ist womöglich einer der Gründe, warum Nachfolger nicht Schlange stehen. Außerdem stagniere die Nachfrage, sagt Lubkoll. Denn ein Alukahn ist im Gegensatz zum traditionellen Holzkahn für die Ewigkeit gebaut. Irgendwann werde die Nachfrage nach bestimmten Größen gesättigt sein, sagt er. "Eventuell wechseln die Kunden noch von einem kleinen auf einen großen Kahn - oder umgekehrt."
"Ein Einzelkämpferjob"
Thomas Lubkoll ist einer der beiden letzten hauptberuflichen Kahnbauer im Spreewald. Ab Ende 2023, wenn er in Rente geht, bleibt nur noch Benjamin Kochale - neben einigen Spreewäldern, die noch neben ihrem eigentlichen Job an Kähnen bauen. Fürihn sei der Beruf "pure Leidenschaft" und "mega abwechslungsreich", sagt der 35-jährige Kochale. "Jeder Kahn ist ein Unikat, hier ist nichts von der Stange."
Doch auch Kochale sieht, dass der Beruf des Kahnbauers mittelfristig aussterben könnte. "Ich denke, es liegt daran, dass die Betriebe gar nicht ausbilden können, weil die Nachfrage nicht so riesig ist, dass es sich lohnt, Leute einzustellen oder auszubilden." Es sei eine Handarbeit, eine Manufaktur - und ein "Einzelkämpfer-Job."
Dass es immer weniger Kahnbauer gebe, beobachtet auch Steffen Franke von der Kahnfährgenossenschaft Lübbenau, wie er sagt. "Es werden mehr Gebrauchtkähne gehandelt, als neue Kähne gekauft oder gefertigt werden." Das liege seiner Ansicht nach daran, dass das Handwerk nicht mehr so oft verfolgt werde - "sprich, dass es neue Leute machen." Auch er nennt als eine weitere Ursache die Umstellung in den vergangenen Jahrzehnten vom Holz- auf den langlebigen Aluminiumkahn.
Label "Kulturerbe" als Chance
Seit Mitte März gehört der Bau von Spreewaldkähnen zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands. Die Kultusministerkonferenz der Länder hatte die Tradition auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission aufgenommen. Das immaterielle Kulturerbe repräsentiert laut Kulturministerium Brandenburg lebendige Alltagskultur, die über Generationen weitergegeben werde.
Steffen Franke von der Kahnfährgenossenschaft Lübbenau sieht deshalb noch eine Chance, dass das Kulturerbe auch weiter im Spreewald gebaut wird. Dabei gehe es zurück zu den Wurzeln, zurück zum Baustoff Holz. "Wir gehen davon aus, dass da sich in den nächsten Jahren etwas abzeichnen wird, dass es wieder Holzkahnbauer geben wird." Die Kähne würden aber teurer sein als die Konkurrenten aus Aluminium.
Diese hätten auch noch weitere Vorteile. Sie seien nicht nur langlebiger, sondern könnten auch ganzjährig eingesetzt werden, sagt Franke. "Sobald die Spree, der Spreewald, eisfrei ist, kann man mit dem Alukahn durchstarten." Dadurch seien auch im späten Herbst, Winter und zeitigem Frühjahr Fahrten möglich. Der Holzkahn müsse in dieser Zeit immer kopfüber auf dem Land liegen und im Frühjahr austrocknen. "Jetzt, zu dieser Zeit, wo schon Kähne fahren, trocknet der [Holzkahn] noch und muss dann neu imprägniert werden."
Aber auch Kahnbauer Thomas Lubkoll hat noch Hoffnung und sieht eine Zukunft für seinen Berufszweig, wie er sagt. Denn Alukähne können nicht nur im Spreewald fahren, "sondern auch in anderen Regionen, die entsprechende Flussbereiche haben."
Sendung: Antenne Brandenburg, 12.04.2023, 16:10 Uhr