Krieschow-Vorwerk gehört bald zu Milkersdorf - Ein Dorf zieht um

Mi 19.10.22 | 15:25 Uhr | Von Sascha Erler
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Ortseingangsschild Krieschow Vorwerk (Foto: rbb/Erler)
Audio: Antenne Brandenburg | 19.10.2022 | Sascha Erler | Bild: rbb/Erler

Im Süden Brandenburgs zieht auf einen Schlag ein ganzes Dorf um - zumindest auf dem Papier: Krieschow-Vorwerk wird entgegen seinem Namen den Ortsteil Krieschow verlassen. Ein Wunsch, den die Einwohner schon zu DDR-Zeiten hatten. Von Sascha Erler

Die knapp 40 Einwohner von Krieschow-Vorwerk in der Gemeinde Kolkwitz (Spree-Neiße) werden ab Ende November nicht mehr zu Krieschow, sondern zu Milkersdorf gehören. Das haben die Gemeindevertreter mit großer Mehrheit am Dienstagabend beschlossen. Der Name und die Gemarkungsgrenzen bleiben aber erhalten.

Schon zu DDR-Zeiten wollten die Einwohner zu Milkersdorf gehören. Denn der Wohnplatz Krieschow-Vorwerk liegt mit 300 Meter einen Steinwurf davon entfernt. Dagegen ist das Mutterdorf Krieschow rund anderthalb Kilometer weit weg.

Die Gemeindevertreter von Kolkwitz in einer Sitzung (Foto: rbb/Erler)
Bei der Gemeinderat-Sitzung | Bild: rbb/Erler

"Zu Krieschow haben wir überhaupt keine Beziehung"

"Ich bin vor über 30 Jahren nach Milkersdorf gezogen und habe lange gebraucht, überhaupt zu kapieren, dass das gar nicht Milkersdorf, sondern Krieschow-Vorwerk ist", sagt die Milkersdorfer Ortsvorsteherin Antje Böttcher. Die Vorwerker würden hier einfach zum Dorfleben gehören. Sie kommen zur Fastnacht, zu Einwohnerversammlungen, helfen bei Arbeitseinsätzen - und werden "in Milkersdorf beerdigt", so Dachdeckermeister Andy Flieger.

"Wir gehören hier einfach dazu, werden zu allen Festen eingeladen." In den 43 Jahren, die Flieger in Vorwerk wohnt, habe er kein einziges Mal eine Einladung aus Krieschow erhalten. "Zu Krieschow haben wir überhaupt keine Beziehung." Politisch gehören sie jedoch bisher zu dem Ort und dürfen in Milkersdorf nicht mitbestimmen oder sich selbst in den Ortsbeirat wählen lassen. Genau das könnte sich Andy Flieger gut vorstellen.

Ortsausgangsschild Milkersdorf (Foto: rbb/Erler)
| Bild: rbb/Erler

Bestrebungen, den Ortsteil zu wechseln, gebe es schon seit Generationen, erzählt Antje Böttcher. "Mein Mann hat schon von seinem Opa gehört, dass Krieschow-Vorwerk eigentlich zu Milkersdorf möchte." Der endgültige Auslöser für den Wechsel war laut Böttcher die Ortsbeiratswahl 2019. Die Vorwerker waren wie immer zur Versammlung gekommen, um zu erfahren, dass sie nicht mitwählen durften. "Da war kurz Stille. Dann sind alle Krieschow-Vorwerker aufgestanden und haben den Raum verlassen." Der frisch gewählte Milkersdorfer Ortsbeirat hatte deshalb sofort den Ortswechsel angestoßen - mit der schriftlichen Unterstützung sämtlicher Vorwerker.

"Es heißt KRIESCHOW-Vorwerk!"

In Krieschow stieß das Vorhaben auf keine Begeisterung. "Es heißt nun mal KRIESCHOW-Vorwerk", sagt Ortsvorsteherin Jeannette Mau. Dass die Vorwerker lieber in Milkersdorf feiern als in Krieschow, lasse sie nicht gelten. "Danach würde ich nicht die Grenze ziehen, wer wohin gehört." Der Krieschower Ortsbeirat hat sich einstimmig gegen einen Wechsel ausgesprochen.

Ein Grund ist die Historie. Ein weiterer, dass mit dem Weggang der Vorwerker Krieschow unter die 500-Einwohner-Marke fällt. Es gab Befürchtungen, dass sich Schlüsselzuweisungen oder die Wahlmodalitäten für den Ortsbeirat ändern könnten. Diese Bedenken sind inzwischen zerstreut und an der reinen Einwohnerzahl will Jeannette Mau die Diskussion auch nicht festmachen, die Vorwerker sollten schließlich nicht nur die Statistik nach oben treiben. Sie ist sich sicher, dass Krieschow in den kommenden Jahren wachsen und bald wieder mehr als 500 Einwohner haben wird. Bei dem Nein zum Wechsel bleibt es trotzdem. Die endgültige Entscheidung obliege aber den Gemeindevertretern in Kolkwitz. "Alles Weitere müssen wir nehmen, wie es ist."

Der Name bleibt

Der Beschluss des Gemeinderates vom Dienstag ist so etwas wie ein Kompromiss. Eine Option wäre gewesen, das ganz große Rad zu drehen und Gemarkungsgrenzen zu ändern. Das hätte aber ein langes Verfahren bedeutet, das eventuell bis zum Land gegangen wäre. "Uns und den Vorwerkern ging es eigentlich nur um die Wählbarkeit des Ortsbeirates", sagt der Bürgermeister der Großgemeinde Kolkwitz, Karsten Schreiber (SPD).

Und so wird jetzt nur die Ortszugehörigkeit geändert, der Name "Krieschow-Vorwerk" bleibt. Die Gemarkungsgrenzen werden ebenfalls nicht verschoben - auch, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Denn in der Großgemeinde gebe es noch einige Merkwürdigkeiten, was historische Gemarkungsgrenzen betrifft, so Schreiber. Gleichzeitig wurde die Hauptsatzung so geändert, dass die Krieschower auch in Zukunft ihren Ortsbeirat im Rahmen der Kommunalwahl per Wahlzettel wählen können, ohne extra eine Versammlung einberufen zu müssen.

Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt Ende November wird der Beschluss des Gemeinderats gültig. Mit bleibenden Folgen für die Stimmung in der Gemeinde rechnet Bürgermeister Karsten Schreiber nicht. "Für die Krieschower ändert sich ja an sich nichts im Dorfleben und ich gehe davon aus, dass die Vorwerker nicht weggeschickt werden, wenn sie sich ein Fußballspiel in Krieschow angucken wollen." Es sei noch kein wilder Bürgerprotest aufgekommenn, so Schreiber. "Und so denke ich, dass auch die Krieschower damit gut leben können."

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.10.2022, 13:40 Uhr

Beitrag von Sascha Erler

2 Kommentare

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  1. 2.

    Milkersdorf ist immer spannend, vor allem das Schloss!

  2. 1.

    Ups da ist doch gerade ein Sack Reis in China umgefallen.

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