Landtagswahl in Brandenburg - Diese Schlüsse lassen die Wahlen in Sachsen und Thüringen zu

Mo 02.09.24 | 16:28 Uhr | Von Hanno Christ
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Alice Weidel (r), Bundesvorsitzende der AfD, lässt sich beim Bundesparteitag der AfD für den Youtube-Kanal der Partei interviewen. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Video: rbb24 Abendschau | 02.09.2024 | Hanno Christ, Theresa Majerowitsch und Marc Langebeck | Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Sachsen und Thüringen haben gewählt - und erkennen lassen, was die Wähler von der Bundespolitik halten, wie sie zu Rechtsextremismus stehen und welche Rolle Social Media spielt. Was bedeutet das für die Wahl in Brandenburg in drei Wochen? Von Hanno Christ

1. Die Landtagswahl wird zur Bundeskanzler(ab)wahl

Die Wahlen vom Sonntag in Sachsen und Thüringen pumpen die Bedeutung der Brandenburger Wahl noch einmal mächtig auf. Bundesweit wird vor allem darauf geschaut werden, ob die immer regierende Brandenburger SPD über den Ampel-Unmut stolpert. Wenn ja, wird es noch ungemütlicher für Olaf Scholz, der sogar in Brandenburg Wohnsitz und Wahlkreis hat.

Alle in der Bundesregierung vertretenen Parteien haben erhebliche Stimmenverluste verzeichnet. Es ist kaum zu erwarten, dass sich an dieser Stimmung in drei Wochen bis zur Wahl in Brandenburg etwas gedreht haben wird. Mehr Gegenwind für die regierende SPD in Brandenburg geht eigentlich gar nicht. Sachsen und Thüringen könnten auch für viele Brandenburger nochmal eine Ermutigung sein, der Bundesregierung eins mitgeben zu wollen.

Für die Landesregierung in Brandenburg ist es eine fast tragische Entwicklung, denn wirtschaftlich steht Brandenburg so gut wie noch nie in seiner Geschichte da. Woidke ist noch immer der mit Abstand bekannteste und beliebteste Politiker. Es sind Früchte, die Ministerpräsident Woidke womöglich nicht wird ernten können. Seit Monaten geht er immer wieder in Opposition zur zerstrittenen Ampel. Dass er mit SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf nichts anfangen kann, hat er mehrfach unterstrichen. Fraglich, ob die Wähler das Woidke abnehmen werden oder er dennoch als Mitglied der Scholz-SPD gesehen und abgestraft wird. Für diesen Fall hat Woidke schon angekündigt, dass er hinschmeißen wird.

Aber es kann auch anders kommen: Schon 2019 bei der letzten Landtagswahl hatten Beobachter der SPD keinen Wahlsieg mehr zugetraut. Am Ende lag die SPD doch noch knapp vor der AfD.

2. BSW wird zur Größe bei der Regierungsbildung

Die Umfragen haben es angedeutet, die Wahlergebnisse bestätigt: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wird ein Faktor bei der Regierungsbildung. Woidke hat bereits angekündigt, dass er sich Koalitionen mit dem BSW vorstellen könnte, auch wenn weder inhaltlich noch personell klar ist, wohin die neue Partei steuert.

Die Personaldecke des Bündnisses in Brandenburg ist noch dünn, entsprechend zurückhaltend ist das BSW bei Fragen nach einer Regierungsbeteiligung. Mit Robert Crumbach hätte die SPD zumindest einen ehemaligen Genossen als Ansprechpartner. Fraglich wie nah sich BSW und CDU kommen. Bislang sind die Parteien eher damit aufgefallen mit wem sie nicht regieren wollen, statt zu sagen, mit wem es gehen könnte. Auch in Brandenburg könnte eine Regierungsbeteiligung knifflig werden.

3. Auch eine rechtsextreme AfD wird von immer mehr Menschen gewählt

In Thüringen und Sachsen haben rund ein Drittel der Wähler eine rechtsextremistische Partei gewählt, in Thüringen mit Björn Höcke einem Faschisten den Rücken gestärkt und die AfD zur stärksten Kraft gekürt. Auch in Brandenburg ist die AfD ein Fall für den Verfassungsschutz. Teile der Partei werden als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Das dürfte aber auch hier viele Wählerinnen und Wähler nicht davon abhalten, der Partei ihre Stimme zu geben. Im Gegenteil: Die AfD hat die Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgreich ins Gegenteil verkehrt und wirbt mit dem Slogan "Gesichert rechtsextremistisch". Die Wahlen in Thüringen und Sachsen könnten für die AfD in Brandenburg einen Schub bedeuten und Hemmungen abbauen nach dem Motto: Wenn dort so abgestimmt wird, warum nicht auch bei uns? Regieren will allerdings bislang keiner mit der AfD, auch wenn sie unermüdlich betont, dass sie nun an der Reihe sei.

4. Grüne müssen von vorne beginnen - Linke führen das letzte Gefecht

Die Wahlen in Thüringen und Sachsen sind ein Debakel für Grüne und Linke, auch in Brandenburg könnte es am 22. September düster aussehen. Die Grünen haben zwar so viele Mitglieder wie noch nie in der Geschichte des Landesverbandes, doch auch für die Noch-Regierungspartei rückt die Fünf-Prozent-Hürde in besorgniserregende Nähe – nicht zuletzt auch weil sie in der Ampel sind. In Zeiten globaler Unsicherheit werden die Grünen, die sich gerne als Partei der Veränderung sehen, als zusätzliche Verunsicherer gesehen. Die CDU hat schon angekündigt, nicht mehr mit den Grünen regieren zu wollen. Die Grünen können kaum warten, bis die weltweiten Krisen ein Ende nehmen und müssen sich neu erfinden.

War die Linke schon vor dem Bündnis Sahra Wagenknecht im Stimmungstief, blutet sie nun vollends aus. In Thüringen half ihr nicht mal mehr, dass sie mit Bodo Ramelow den beliebtesten Politiker des Landes stellte. In Brandenburg hat die Partei außer Spitzenkandidat Sebastian Walter keine bekannten Köpfe zu bieten. Der Erfolg des BSW in Sachsen und Thüringen ist zugleich ein weiterer Sargnagel für eine der einst stärksten Brandenburger Parteien. Viele Wählerinnen und Wähler sind übergelaufen zum BSW. Endet mit dem 22. September die Geschichte der Linken in Brandenburg?

5. Auf Social Media hat die AfD die Wahl schon gewonnen

Den Kampf um die jüngeren Wähler hat die AfD in Sachsen und Thüringen haushoch gewonnen. Womöglich einer der Gründe: Die AfD ist den anderen Parteien auf Social-Media-Kanälen wie TikTok haushoch überlegen. Nach einer aktuellen Studie der Universität Potsdam vom Montag überflügelt die AfD die anderen Parteien, ist sichtbarer als alle anderen. Die Wissenschaftler untersuchten die Sichtbarkeit von Posts der Parteien in allen drei Wahlbundesländern im Osten, besonders viele davon in Brandenburg. Die Ergebnisse sind eindeutig: Würden Erreichbarkeit und Sichtbarkeit von TikTok-Beiträgen umgelegt auf Parlamentssitze, so hätte die AfD eine haushohe Mehrheit im Landtag.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass weitaus mehr AfD-Kandidaten ein eigenes TikTok-Profil haben als Kandidaten der anderen Parteien. In Bundesländern, in denen immer weniger Menschen Nachrichten aus TV und Zeitungen beziehen, sind soziale Medien ein besonders großer Faktor bei der politischen Willensbildung. Gerade junge und unentschlossene Wähler sind besonders empfänglich. In Brandenburg dürfen Menschen bereits ab 16 Jahren bei den Landtagswahlen wählen. Es scheint, als geben die Parteien jenseits der AfD dieses Feld preis. Eine Nicht-Strategie, die sich rächt.

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Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 02.09.2024, 19:35 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

133 Kommentare

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  1. 133.

    Ahh, Sie meinen also, all die Lösungen sind in einer Einzelperson zu finden? Quasi in einer starken Führerin oder einem Führer? Sind wir schon wieder so weit?

    Klar ist der starke Zuspruch für eine rechtsextreme Partei ein Symptom. Aber ein Symptom, das hierzulande eigentlich vor dem Hintergrund unserer Geschichte nicht mehr auftreten dürfte. Und was sich Menschen davon versprechen, das Land zu destabilisieren und den Rechtsextremismus zu wählen, erschließt sich mir nicht.

  2. 132.

    Die Ursachen für dieses Wahlergebnis lieferte die Ampelregierung permanent. Auch eine CDU-Opposition war nur als Maulheld dabei und schlug zum Teil in die selbe Kerbe wie Kiesewetter, vdL, Röttgen. Eine Regierung die in einer Kanzleramt-Blase nach fiktiven Umfragewerte Parteieigener Institutionen agiert die das liefern was man hören will. Kannte man aus der DDR auch.

  3. 131.

    >"Es muss einfach auch nach der Wahl drangeblieben werden."
    Jepp! Und nicht nur "es" als Unperson, sondern Sie! Wir alle! Es gibt immer Möglichkeiten, in der Kommunalpolitik mitzureden, in der Landespolitik seine Meinung und Mahnung zu äußern! Jeder kann das machen. Die Kommunalparlamente sind öffentlich und haben in den Tagesordnungen immer einen Punkt für Bürgermeinungen. Demokratische Parteien machen ihre Regionalversammlungen öffentlich und haben auch einen Tagesordnungspunkt zur Mitsprache. Selbst die Fraktionssitzungen der Kommunal- und Landesfraktionen sich öffentlich. Man muss es nur machen! Es bricht mich an, dass viele meckern, aber sich nicht am politischen Diskurs beteiligen. Diskussion muss aber sachlich sein mit konkreten Kritikpunkten und evtl. eigenen Vorschlägen. Einfach nur... "Alles ist Schei..." ist keine Diskussion, sondern Stammtischpalaber. Alle wollen Demokratie, aber sich nicht beteiligen außer vielleicht mal mit einem Wutkreuz.

  4. 130.

    Auf gut Deutsch: du behauptest, dass Deutschland ein faschistischer Staat ist. Aber sonst ist alles dufte?

  5. 129.

    loswerden wollen, heilen Sie die Krankheit. Die AfD ist nur das Symptom.

  6. 128.

    Das Begrüßungsgeld habt ihr aber '89 noch gierig abkassiert, viele sogar durch Betrug mehrmals.

  7. 127.

    Die Menschen haben Sehnsucht nach einer großen Koalition. Nach einer Koalition zwischen AfD und CDU.

  8. 125.

    Welche Anfeindungen haben Sie gelesen? Sie dürfen mich gerne zitieren. Ich bin gespannt...

    Ist das eigentlich ein Reflex, sofort "Ossihass" zu wittern, sobald die Frage aufkommt, warum im Osten Deutschlands Rechtsextremismus bei so vielen Menschen gut ankommt?

  9. 124.

    Neoliberale Partei - wat für eine Verniedlichung für rechtsextremistische Verfassunngfeinde.
    Wollen Sie ernst genommen werden oder sich zum Gespött machen?!

  10. 123.

    Ja, ein etwas plumper Versuch, ein Zitat aus dem Kontext zu reißen und dann auch noch bewusst unvollständig und somit verfälscht wiederzugeben. Wie aus der afd-Trickkiste...

    Ich habe was gegen Menschen, die Rechtsextremismus gut finden.

    Haben Sie mit Rechtsextremisten etwa kein Problem?

  11. 122.

    >"Wiederkehrendes Ritual:"
    Das ist politisches Blabla. Macht jede Partei so. Egal ob links, mitte oder rechts.
    Wissen wir normal lebende und seit Jahrzehnten mit plitischem Blabla vertrauten Menschen schon immer.
    ALLE PARTEIEN! machen das so. Je nach politischer Grundrichtung schreit die eine aus der rechten Ecke dann empört besonders laut oder eine aus der linken Ecke.
    Was uns allen aber empören sollte, egal ob links oder rechts: Es sind Menschen ums Leben gekommen! Rein aus politischer oder religiöser Motivation. Was nicht geht als Kollegialstrafe: Eine ganze Gruppe wegen einem Straftäter aus dieser Gruppe zu verurteilen! Sippenhaft gibts in unserem Rechtsystem nicht.

  12. 121.

    Die Äußerungen vor der Wahl sind Nebelkerzen, nach der Wahl erinnert sich keiner während der Amtszeit daran das man da ja etwas machen wollte. Das ist das größte Problem der sogenannten Etablierten. Es muss einfach auch nach der Wahl drangeblieben werden.

  13. 120.

    Und wieder werden nur irgendwelche zweifelhaften Gründe, wie social Media lol, gesucht, anstatt einfach mal zu versuchen bessere Politik für die steuerzahlenden Bürger zu machen und nicht für alle anderen in dieser Welt.
    Aber nein das passt nicht in die linksgrüne Welt, schuld sind immer die anderen und natürlich jetzt der Wähler.
    Und nein die wenigsten, vielleicht maximal ein Prozent der Bevölkerung sind wirklich rechtsextremistisch, dafür haben wir umso mehr mindestens 10 bis 20% Linksextremismus der 0,0 verfolgt wird.

  14. 119.

    Sie haben Ihre Antwort falsch adressiert, zumal mir die ganzen rechtsextremen Erzählungen mittlerweile zu den Ohren heraushängen...

  15. 118.

    >"Schaut euch mal die Zeitung von KATAPULT an. Sie haben wirklich viel Gutes für Brandenburg zusammengetragen und mit manchem Vorurteil aufgeräumt."
    Wer ist denn sie? Welche Partei meinen mit sie? Müssten Sie schon ausformulieren. Wir alle hier können nicht wissen, wen Sie mit sie meinen...

  16. 117.

    Unter bisherigen konservativen Regierungen habe ich überlebt, sowohl die Ära Kohl als auch die von Merkel. Ich würde auch weitere konservative Regierungen überleben. Nur, die afd ist rechtsextrem und eben nicht konservativ. Und Rechtsextremismus zu tolerieren ist eben kein Bestandteil einer Demokratie. Was Sie laut Ihres Kommentars unter Demokratie verstehen, erinnert dann doch eher an ganz dunkle Zeiten, die für Sie aber vermutlich nur ein Fliegenschiss sind.

  17. 116.

    Wiederkehrendes Ritual:
    Erster Akt: Es passiert ein schreckliches Verbrechen.
    Zweiter Akt: Bestürzung, Empörung.
    Dritter Akt: Ruf nach harten Maßnahmen.
    Vierter Akt: Warnung vor der Überreaktion.
    Fünfter Akt: Übergang zur Tagesordnung.“
    (Franz Josef Strauß, 1986)

  18. 115.

    Ich mag mal ergänzend zum Artikel noch 6. hinzufügen: Den Ampelparteien (plus Linke)wird bei der Migration NULL Lösungskompetenz eingeräumt, während "Remigration" (CDU/BSW/AfD) gewählt wird.

    Wenn wirklich ALLE, die sich MEHR Erfolg bei Abschiebungen wünschen automatisch rechtextrem sind, weil sich manch eine Partei hier bereits am maximal machbaren wähnt, dann macht man RECHTSEXTREM eben hoffähig.

    Sorry, aber ich finde es richtig, wenn jemand, der mehr Eigentumsdelikte begeht, als Bewerbungen zu schreiben hier auch niemals ne Wohnung erhalten sollte, und das Land zügigst zu verlassen hat. vielleicht kommen wir ob der AfD Wahlerfolge zumindest mal dahin ! Und wenn die bundeswehr oder Nachbarschaftswachen hier hilfreich unterstützen können, dann gerne auch die.

  19. 114.

    Schade, das die AFD in Thüringen nicht regieren kann.
    Dann würden die Menschen sehr schnell merken, dass diese neoliberale Partei die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer macht.

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