Umfrage von Infratest Dimap - Wie rechts denkt Brandenburg?

Fr 12.07.24 | 08:00 Uhr | Von Oliver Noffke
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Symbolbild: Einkaufsstrasse in Wustermark, Brandenburg.(Quelle: picture alliance/ Bildagentur-online/Joko)
Audio: rbb24 radioeins | 11.07.2024 | Amelie Ernst | Bild: picture alliance/ Bildagentur-online/Joko

Ausländerfeindliche Aussagen oder solche, die Diktaturen verharmlosen, erfahren aktuell viel Zustimmung. Eine Umfrage zeigt, dass sich in Brandenburg viele anders zwischen links und rechts verorten als die Parteien, mit denen sie sympathisieren. Von Oliver Noffke

  • Umfrage verdeutlicht Zuspruch für rechtes Gedankengut
  • Brandenburg auf Bundesniveau, doch mit geografischen und anderen Unterschieden
  • viele Befragte sehen sich selbst näher in der politischen Mitte als die Parteien, die sie unterstützen

Aussagen, die als rechts oder rechtsextrem bewertet werden, finden in Brandenburg zum Teil hohe Zustimmung. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap hervor, die im Auftrag des WDR erstellt wurde. Damit vertiefe sich ein Trend, der seit einigen Jahren anhalte, sagen Experten. Die erfassten Werte liegen auf dem Niveau im Bundesschnitt. Die Befragung zeigt auch, dass die AfD dieses Milieu besonders gut an sich binden kann.

Ausländerfeindlichkeit, Diktaturbefürwortung, Verharmlosung der NS-Zeit

So stimmten 28 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden sollten, falls Arbeitsplätze knapp werden. Unter Anhängern der AfD lag die Zustimmung in Brandenburg bei 57 Prozent.

Bei einer entsprechenden bundesweiten Befragung vom vergangenen September lag die Zustimmung zu dieser Aussage bei 25 Prozent [tagesschau.de]. Der WDR hat die aktuelle Umfrage auch in Sachsen und Thüringen durchführen lassen, den beiden anderen Bundesländern, in denen im September neue Landtage gewählt werden. In Sachsen stimmten dieser Aussage 32 Prozent der Befragten zu, in Thüringen waren es 33 Prozent.

17 Prozent der Befragten in Brandenburg befürworten eine Diktatur unter einem starken Führer in Deutschland. Unter den Anhängern der AfD stimmten dem 34 Prozent zu. In Sachsen und Thüringen lag die Zustimmung unter den Befragten insgesamt bei jeweils 21 Prozent. Zum Vergleich: Bei der entsprechenden bundesweiten Umfrage vom September lag die Zustimmung bei 16 Prozent.

Der Aussage – der Nationalsozialismus hatte auch gute Seiten – stimmten aktuell in Brandenburg 12 Prozent zu (Sachsen: 13 Prozent, Thüringen: 16 Prozent, bundesweit im September: 12 Prozent). Unter der potentiellen Wählerschaft der brandenburgischen AfD stimmte ein Drittel (33 Prozent) dieser Verharmlosung der NS-Zeit zu.

Ähnliche sind die Tendenzen bei drei weiteren Aussagen, die von Wissenschaftler:innen als rechtsextrem oder ausgeprägt rechts bewertet werden. Sie gelten als Standardfragen in der Meinungsforschung. [Details in der Bildergalerie.]

Bildergalerie: Rechtsextremismus in Berlin und Brandenburg

Infratest dimap: 8 Prozent haben rechtsextremes Weltbild

Infratest Dimap kommt auf Basis der erhobenen Daten zu der Einschätzung, dass 8 Prozent der Befragten ein rechtsextremes Weltbild haben. Diese Personen haben jeder der abgefragten Aussagen zugestimmt. Weitere zwölf Prozent aus dem Umfragepool hätten eine "ausgeprägt rechte" Einstellung, heißt es. Unter den Unterstützern der AfD liegen diese Werte deutlich höher: Demnach zeigten 23 Prozent von ihnen eine rechtsextreme Einstellung, 19 weitere eine ausgeprägt rechte.

"In der AfD-Anhängerschaft fällt der Anteil derer, die ein geschlossen rechtsextremes oder ausgeprägt rechtes Weltbild teilen, […] etwas niedriger aus als in Deutschland insgesamt", teilt Infratest Dimap mit. Es deute sich an, dass die AfD im Osten eine andere Stellung habe als in Deutschland insgesamt. "Die AfD wird dort auch häufiger von Personen präferiert, die kein rechtsextremes Weltbild teilen." Dies könne also erklären, warum die Zustimmung im Osten Deutschlands höher sei.

Starker Anstieg innerhalb weniger Jahre

"Diese Studie überrascht jetzt nicht, ist gleichzeitig aber sehr schockierend", sagte Roland Verwiebe, Professor für Soziologie an der Universität Potsdam dem rbb. Die Ergebnisse ordneten sich in einen Trend ein, der sich bereits seit 10 bis 15 Jahren abzeichne. "Hätten Sie diese Fragen vor 15 Jahren gestellt, hätten Sie eine Zustimmung von zwei, vier oder fünf Prozent."

Diese Entwicklung sei zum einen auf erfolgreiche politische Kampagnen zurückzuführen, so Verwiebe. Der AfD oder der Identitären Bewegung gelinge es meisterhaft, ihre Botschaften auf Social-Media-Plattformen zu verbreiten. "Es gibt einen erfolgreichen Aufbau von parallelen Institutionen im Bereich der Medien. Und das hat die AfD geschafft."

Mehrere Studien hätte zudem festgestellt, dass viele Menschen aus Verunsicherung nach rechts drifteten, so Verwiebe, und gleichzeitig das Vertrauen in zentrale gesellschaftliche Institutionen verloren hätten. "Die Demokratie als Staatsform wird inzwischen - je nachdem welche Studie, welches Jahr, welches Bundesland – nur noch von 50 Prozent der Menschen in dieser Form so akzeptiert."

Kaum Unterschiede bei Alter oder Geschlecht - bei Bildung aber schon

Die Detailauswertung der Ergebnisse zeigt, dass es zwischen Männern und Frauen kaum Unterschiede bei der Zustimmung oder Ablehnung der abgefragten Aussagen gibt. Aufgeschlüsselt auf verschiedene Altersgruppen ergibt sich ebenfalls ein relativ homogenes Bild.

Stärkere Abweichungen sind beim Bildungsgrad zu erkennen. Rechtsextreme oder ausgeprägt rechte Überzeugungen stoßen bei Menschen mit einem Volks- oder Hauptschulabschluss auf den stärksten Widerhall, am niedrigsten ist die Zustimmung in allen Fällen unter Wahlberechtigten mit Abitur oder Fachhochschulreife.

"Generell sehen wir, dass der Anteil der Personen mit rechtsextremen oder ausgeprägt rechten Einstellung im Osten leicht, wenn auch nicht signifikant, höher ist als in Deutschland insgesamt", so Infratest Dimap. "Brandenburg bildet eine Ausnahme, die vor allem auf den Berliner Speckgürtel zurückzuführen sein dürfte."

Denn auch beim Wohnort in Brandenburg, genauer gesagt: die Entfernung von Berlin, werden Unterschiede sichtbar. Im Berliner Umland lag die Ablehnung gegen die abgefragten Aussagen stets ein paar Prozentpunkte über den Werten aus den weiter entfernt liegenden Kreisen.

Abweichende Selbsteinschätzungen

Auffällig ist, dass sich einige Befragte deutlich näher im politischen Zentrum verorten als die Parteien, von denen sie sich angesprochen fühlen. Die SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) werden von ihren Anhängern weiter links gesehen. Die Unterstützer von CDU und AfD sehen diese Parteien im politischen Spektrum weiter rechts von ihren eigenen Überzeugungen. Bei den Anhängern der Grünen herrscht aktuell Deckungsgleichheit.

Die Anhängerschaft der AfD hat zudem eine völlig andere Wahrnehmung von den politischen Zielen der Partei als die Mehrheit in der Bevölkerung. Dies verdeutlichen Skalenwerte von 0 bis 10, wobei 0 den linken Rand des politischen Spektrums darstellt und 10 den rechten.

Die AfD erhält von ihrer Anhängerschaft in Brandenburg einen durchschnittlichen Wert von 6,8 – rechts vom politischen Zentrum. Die Anhänger anderer Parteien sehen sie die AfD hingegen klar am rechten Rand. (Anhänger der Grünen bewerten die AfD mit 9,2 am äußeren rechten Rand; CDU 9,1; SPD 8,9; und BSW 7,9.)

"Ich glaube, den meisten Leuten geht es so, dass sie sich als normal wahrnehmen oder als in der Mitte befindend", sagte Markus Klein, Geschäftsführer des Beratungsinstituts Demos in Potsdam auf Anfrage von rbb|24. Sie ordneten sich selbst nicht als links oder rechts, sagte er, und könnten mit diesen Begriffen oftmals nur wenig anfangen.

Was macht diese Umfrage repräsentativ?

Infratest Dimap hat zwischen dem 4. und 9. Juli 1.153 Menschen befragt, die in Brandenburg wahlberechtigt sind. Diese Personen wurden zufällig ausgewählt. Die Ergebnisse wurden nach Angaben zum Wahlverhalten und soziodemographischen Merkmalen (etwa Altersverteilung oder Geschlecht) gewichtet.

Für die Werte gibt Infratest Dimap eine Schwankungsbreite von zwei bis drei Prozentpunkten aus. Das heißt, die erhobenen Werte können entsprechend von den tatsächlich vorhandenen Meinungen abweichen.

Sendung: rbb24 radioeins, 11.07.2024, 17:55 Uhr

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Beitrag von Oliver Noffke

34 Kommentare

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  1. 34.

    doof wählt doof, das war schon immer so.

  2. 33.

    Danke an die Kommentare/Antworten von Anna Kirsch. Endlich mal Jemand, der sachlich argumentiert.

  3. 32.

    Die rechtsextreme AfD will keine Zuwanderung, im Gegenteil, man will Tausende von Deutschen deportieren weil sie den Rechtsextremisten nicht deutsch genug sind.

  4. 31.

    Na dann kann ja alles so bleiben. Ohne Veränderung zum Stillstand. Die Ampel wird's freuen, dass es so eifrige Befürworter gibt.

  5. 30.

    Insgesamt ist doch eigentlich zu beobachten, dass die Altparteien in den letzten Monaten eher Politik machen mit Kampf gegen die AFD als Politik zu machen fur Deutschland und hier fur Brandenburg. Die Bildung lahmt, die Rente ist unsicher, steigende oder explodierende energie Preise und Lebenshaltungskosten, sinkende Wirtschaft, Zunahme von Insolvenzen oder Abwanderungen von Firmen, Kanalisierung einer Politik, die im handeln und in Aussagen in einen Korridor gepresst wird. Wir stagnieren hier. Verwaltung und Bürokratie nehmen Uberhand. Warum geht unser Sozialsystem langsam in die Knie und unsere Beitrage steigen trotzdem? Wir haben auch ein Ausgabenproblem gepaart mit fehlender Transparenz. Seit gut 20 Jahren kann ich das beobachten.

  6. 27.

    Das Zitat von Einstein, wonach der Gipfel des Wahnsinns darin besteht, alles unverändert zu lassen und dennoch Verbesserungen zu erwarten, lässt sich ebenso auf die Vorstellung übertragen, dass der Eintritt einer rechtsextremen Regierung nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung führt. Vielmehr birgt er die Gefahr, destabilisierende Effekte zu erzeugen, die die erhofften Lösungen nicht bringen. In der Überzeugung, radikale Umbrüche könnten automatisch eine positivere Ordnung schaffen, liegt oft eine grundlegende Fehleinschätzung. Es könnte sein, dass die Folgen einer solchen Veränderung mehr Unsicherheit und Spaltung hervorrufen als die erhofften Korrekturen an den bestehenden Zuständen.

  7. 26.

    Dann ist ja alles gut und wir können so weitermachen. Die Wähler sind Schuld. Super Ihre Einstellung.

  8. 23.

    Wer hat diese Umfragen erstellt? Karl-Eduard von Schnitzler, vom Rundfunk der DDR? Frage nur für einen Freund.

  9. 20.

    Sie behaupten, Elisabeth habe die Demokratie nicht verstanden, weil sie andere Meinungen ablehne. Diese pauschale Aussage verkennt den Kern von Elisabeths Sorgen. Elisabeth macht sich Gedanken über die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die kulturelle Vielfalt, was ein legitimes demokratisches Anliegen ist. Sie lehnt nicht andere Meinungen ab, sondern kritisiert den politischen Einfluss auf die kulturelle Vielfalt. Hier wird Meinungsfreiheit mit politischen Entscheidungen vermischt, die konkrete gesellschaftliche Folgen haben. Kritik an politischen Entscheidungen ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Mit der Aussage "Vielleicht leben Sie im falschen Land oder in der falschen Zeit" entwerten Sie Elisabeths Besorgnis und tragen nicht zur konstruktiven Diskussion bei. Sie bieten keine sachlichen Gegenargumente oder Alternativen zu Elisabeths Bedenken, sondern verlagern die Debatte auf eine persönliche Ebene und schwächen so Elisabeths Standpunkt, ohne ihn substanziell

  10. 19.

    Immer wieder kommen solche Kommentare. Seien Sie versichert, diese Institute sind in der Lage solche Umfragen nach wissenschaftlichen Kriterien durchzuführen. Keine Sorge. Einzig die Fragestellung ist entscheidend.

  11. 18.

    Mich würde auch mal eine anonyme Umfrage bei Politikern interessieren, wie Sie auf diese Situation eingehen wollen. Könnte eine interessante Statistik werden. Leider werden nur die Wähler und nicht die Gewählten gefragt.

  12. 17.

    Das macht wohl jede Partei so. Können Sie aktuell bei den Grünen auf Bundesebene studieren. Warum wollen Sie der AFD verwehren, was Sie anderen Parteien gestatten.

  13. 16.

    Die Frage muss doch wohl lauten: Was läuft falsch bei den Wählern?
    In den Programmen aller Parteien steht, was die Ziele sind und wofür/wogegen sie stehen und nicht, wir fragen erstmal die Wähler und drehen uns dann wie ein Wetterhahn in die Richtung aus der der Wind kommt - mit Ausnahme der Neuparteien.

  14. 15.

    "...Infratest Dimap hat zwischen dem 4. und 9. Juli 1.153 Menschen befragt, die in Brandenburg wahlberechtigt sind. Diese Personen wurden zufällig ausgewählt..."

    In Brandenburg leben ca. 2,5 Mio. Einwohner. Auch wenn diese Personen zufällig ausgewählt wurden, ist m.M. nach diese Umfrage nicht räsentativ. Vielleicht sollte der Radius geändert, Städte u. dörfliche Gemeinden einbezogen werden, Umfragen zu verschiedenen Tageszeiten durchgeführt und die Anzahl der Personen auf mind. erweitert werden, um ein größeres Spektrum zu erhalten. Ich kann mir vorstellen, dass dann das Ergebnis völlig anders aussehen würde.

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