Analyse zum BrandenburgTrend - Der Endspurt im Wahlkampf in Brandenburg so offen wie selten zuvor

Do 05.09.24 | 21:40 Uhr | Von Oliver Noffke
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Wahlplakate verschiedener Parteien für die Landtagswahl in Brandenburg stehen auf einer Grünfläche. (Quelle: imago-images/Achille Abboud)
Bild: imago-images/Achille Abboud

AfD und SPD legen zu, BSW, CDU und Grüne mit leichten Verlusten. Auf den ersten Blick scheinen sich die Entwicklungen der vergangenen Monate fortzuführen. Doch im Detail wird klar: Selten war der Ausgang der Wahl in Brandenburg offener. Von Oliver Noffke

  • Gleich drei Parteien müssen laut BrandenburgTrend um den Wiedereinzug in den Landtag bangen
  • Ihr Einzug oder Ausscheiden kann Machtverhältnisse gravierend verschieben
  • Positionen zu Zuwanderung und Flucht sind für Großteil der Befragten aktuell entscheidend

Brandenburg steht ein heißer Endspurt im Wahlkampf bevor. Der aktuelle BrandenburgTrend verdeutlicht, dass am 22. September wenige Stimmen über den Erfolg oder Misserfolg von Parteien entscheiden können. Besonderheiten des brandenburgischen Wahlrechts könnten die Machtverhältnisse im Land so stark beeinflussen wie nie zuvor. Welche Koalitionen möglich oder ausgeschlossen sind, wird sich womöglich erst zeigen, wenn die letzte Wahlurne ausgezählt sein wird.

In der repräsentativen Umfrage vom Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap, die im Auftrag des ARD-Magazins Kontraste vom rbb durchgeführt wurde, erhält die AfD die höchste Zustimmung. 27 Prozent der Befragten würden die bislang größte Oppositionspartei wählen. Das bedeutet ein Plus von vier Punkten gegenüber der vorherigen Erhebung von Anfang Juli. Auf dem zweiten Platz landet die SPD mit 23 Prozent. Ebenfalls plus vier Punkte.

Linke, Grüne und BVB bangen um Einzug

Die Strategie von Ministerpräsident Dietmar Woidke scheint also aufzugehen. Er gilt als der bekannteste wie auch beliebteste Politiker in Brandenburg. Die SPD hat ihren Wahlkampf auf ihn zugeschnitten. Woidke selbst machte vor wenigen Wochen vom Ergebnis seiner Partei abhängig, ob er auch künftig Anspruch auf das Amt erheben wird. Woidke will nicht Ministerpräsident bleiben, wenn es zwar für eine Regierungsmehrheit reicht, die SPD aber nicht stärkste Kraft wird.

Die CDU verliert einen Punkt und kommt auf 18 Prozent. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) muss einen Punkt einbüßen, doch kann es nach derzeitigem Stand mit einem Ergebnis von 15 Prozent rechnen. Es wäre ein Novum. Seit der Wiedervereinigung ist in Brandenburg noch nie eine Partei mit einem solch starken Ergebnis aus dem Stand in den Landtag eingezogen.

Bündnis 90/Die Grünen verlieren zwei Punkte, liegen bei fünf Prozent und müssen damit um den erneuten Einzug bangen. Noch schlechter stehen Die Linke und BVB/Freie Wähler da. Sie erhalten in der Sonntagsfrage erneut vier, beziehungsweise drei Prozent der Stimmen. Über das Zweitstimmenergebnis also in den Landtag zu kommen, erfordert von beiden Parteien nun noch verstärkte Überzeugungsarbeit bei den Wählerinnen und Wählern.

Regierungsmehrheit mit einer Reihe aus wenn und aber...

Dieses Umfrageergebnis lässt auf den ersten Blick einen Fortbestand der Koalition aus SPD, CDU und Grünen möglich erscheinen. Gemeinsam stehen sie aktuell bei 46 Prozent. AfD und BSW liegen zusammen bei 42 Prozent. Ein solch knapper Vorsprung würde allerdings ein enormes Maß an Disziplin von einer Koalition erfordern. Für Dissens in der Regierung bliebe kaum Platz, bereits wenige Abweichler könnten Vorhaben von innen heraus torpedieren.

Bei der Landtagswahl 2019 kam die sogenannte Kenia-Koalition auf 52,6 Prozent der Stimmen, während auf die derzeitigen Oppositionsparteien im Landtag (AfD, Linke und Freie Wähler) zusammen 39,2 Prozent der Zweitstimmen entfielen. Allerdings ist es schwer, auf Basis der jetzt veröffentlichten Zahlen sichere Vorhersagen zur Zukunft der Brandenburger Regierung zu treffen.

Die dunklen Flecken der Schwankungsbreite

Zum einen liegt dies daran, dass aktuell gleich drei Parteien im Bereich der Fünf-Prozent-Hürde liegen. Infratest-Dimap gibt für Werte bis zehn Prozent eine Schwankungsbreite von bis zu zwei Punkten an. Das heißt: Ja, die Grünen stehen in der Umfrage bei fünf Prozent. Die Meinungsforscher sagen aber gleichzeitig, würde jetzt gewählt werden, kann die Partei ein Ergebnis im Bereich von drei bis sieben Prozent erwarten.

Bei zwei Punkten Schwankungsbreite in einer Umfrage bedeuten fünf Prozent: Dass es die Grünen in den Landtag schaffen, ist ebenso wahrscheinlich wie ihr Scheitern. In ähnlicher Weise gilt das auch für Linke und Freie Wähler. Auch ihre Ergebnisse befinden sich innerhalb der Schwankungsbreite – ihre Chancen auf einen Einzug liegen laut BrandenburgTrend aktuell jedoch etwas schlechter.

Diese drei Parteien rechnen sich jedoch gute Chancen aus, in jeweils einem der 44 Wahlkreise die meisten Erststimmen zu erhalten. In Brandenburg dürfen Parteien, die mindestens ein Direktmandat holen, in den Landtag einziehen, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde reißen. Und zwar mit so vielen Abgeordneten, wie ihnen im Verhältnis der Zweitstimmen zustehen. Ein gewonnenes Direktmandat hat 2014 den Freien Wählern drei Sitze im Landtag beschert. Dabei entfielen damals lediglich 2,7 Prozent der gesamten Zweitstimmen auf die Partei.

Ob es keine, eine, zwei oder alle drei dieser Parteien in den Landtag schaffen, wird nur scheinbar geringe Unterschiede in der Sitzverteilung mit sich bringen. Die Auswirkungen auf die Machtverhältnisse dürften jedoch gravierend sein.

Deutliche Themenverschiebung

Das drängendste Problem für viele Befragten ist Zuwanderung und Flucht. Auch wenn die Befugnisse in diesen Bereichen weitgehend beim Bund liegen und nicht bei den Ländern. 40 Prozent nannten dies als wichtigstes oder zweitwichtigstes Problem im Land Brandenburg. Vor der Landtagswahl 2019 sagten das noch 15 Prozent.

Mobilität, Bildung sowie Klima- und Umweltschutz waren den Wählerinnen und Wählern vor fünf Jahren noch deutlich wichtiger. Das hat sich geändert, profitieren kann davon offenbar die weiter erstarkende AfD. Insbesondere klassische Themen der Grünen haben hingegen an Bedeutung verloren.

Kontroverse Meinungen zu Regierungsbeteiligungen

Sollten die AfD oder das BSW an der nächsten brandenburgischen Landesregierung beteiligt werden? Diese Frage polarisiert die Bürgerinnen und Bürger. 97 Prozent aus der Anhängerschaft der AfD möchten die Partei in der nächsten Regierung sehen.

Bei den Anhängern der anderen Parteien ist dieser Wunsch nicht ausgeprägt. Am stärksten ist die Zustimmung dazu noch unter den BSW-Wählenden.

Grafik: Regierungsbeteiligung AfD wäre gut (Quelle: infratest dimap)

Beim BSW ist das Bild ähnlich, der Spalt ist allerdings weniger breit. Unter der eigenen Wählerschaft sind 96 Prozent für eine Regierungsbeteiligung, lediglich zwei dagegen. Geteilt ist die Meinung unter den Anhängerinnen und Anhängern der AfD, 42 Prozent fänden eine Regierungsbeteiligung des BSW gut, 44 Prozent hingegen nicht. Bei der SPD ist das Verhältnis 30 zu 55 Prozent. Bei CDU-Wählenden sind 24 Prozent dafür, 63 lehnen das ab. 13 Prozent aus der Grünen-Wählerschaft fänden das gut, 74 Prozent allerdings nicht.

Auffällig ist, dass sich viele der Befragten beim BSW offenbar nicht festlegen konnten oder wollten. Das ist verständlich. Die Partei ist vor nicht einmal einem Jahr gegründet worden, der Landesverband besteht noch keine sechs Monate. Im Gegensatz zur AfD ist die Wagenknecht-Partei nach wie vor eine große Unbekannte.

Fazit

Der aktuelle BrandenburgTrend zeigt, am Wahlabend wird das Abschneiden vieler kleiner Parteien maßgeblich über die Zusammensetzung des nächsten Landtags entscheiden. Das größte Problem für viele Wählerinnen und Wähler ist aktuell Zuwanderung und Flucht. Davon profitiert insbesondere die AfD. Von Werten wie bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen vom vergangenen Sonntag ist sie in Brandenburg nur noch wenige Punkte entfernt. Allerdings beschränkt sich der Wunsch nach einer AfD-Regierung auf die eigenen Anhänger. Weniger als drei Wochen vor dem Wahlsonntag scheint der Ausgang so offen wie selten zuvor.

Zur Umfrage: Für den BrandenburgTrend wurden vom Meinungsforschungsinstitut Infratest-Dimap 1.207 Menschen befragt, die in Brandenburg wahlberechtigt sind. Sie wurden zufallsbasiert ausgewählt. Die Befragungen fanden am 3. und 4. September 2024 statt. Im Auftrag des ARD Magazins Kontraste vom rbb.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.09.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

49 Kommentare

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  1. 49.

    Es hat viel mit Polik zu tun, auch mit der von den Grünen.
    Übrigens, Politik ist kein Untericht, weder in BWL, Psychologie, Biologie oder Physik usw..

  2. 48.

    Ja kenne ich und auch die meisten anderen Satiresendungen. Aber was hat Nuhr jetzt mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun?

  3. 47.

    Wie die AfD ein Problem mit Fixierung auf wenige Themen (vor allem Zuwanderung) hat, sind die Linken und Grünen mit sozialem (zunehmend mit Schwerpunkt Randgruppen) bzw. Klima und Umwelt auch eher einseitig aufgestellt.

    Die Kunst von guter Politik ist jedoch die Abwägung verschiedener Themen untereinander und eine breite Kompetenz um diese überhaupt vornehmen zu können.

    Da sind die Parteien in der Mitte des Spektrums schlicht die beste Wahl!

  4. 46.

    Danke für diese Empfehlung, und im Gegenzug empfehle ich die Satiresendung "nuhr im Ersten".
    Hier wird lehrreich, witzig und inteligent mmer der "Nagel auf den Kopf" getroffen..

  5. 45.

    Zitat: "Die Brandenburger sollten genau hinschauen . . ."

    Das, was Sie verächtlich als Filz bezeichnen, bedeutet im allgemeinen Verständnis Parlamentarische Demokratie. Und wenn die AfD trotz mehr als 30% Wählerstimmen in TH und SN nicht in Regierungsverantwortung kommt, bedeutet das keineswegs eine Ausgrenzung dieser Wähler, wie Sie hier behaupten, Marv.

  6. 44.

    "Wo steht Brandenburg im Vergleich? Es ist ein neuer Bildungsmonitor da. Wann berichtet der rbb?"
    Lt. Bildungsmonitor 2024 liegt Brandenburg auf Platz 15 von 16 Bundesländern.
    Nicht gerade ein Erfolgsmodell dass die SPD nach 34 Jahren Regierung dem Wähler vor der Wahl präsentieren kann.
    Viel schlechter könnte es eine andere Regierung auch nicht machen!

  7. 43.

    Also hier gehts um Brandenburg und alle Wahlprogramme außer der der Grünen und Linken lassen keinen ernsthaften Willen zu dem Thema Klima- und Naturschutz erkennen.
    Wem das zu hoch ist, dem empfehle ich zusätzlich die Satiresendung „Die Anstalt“, die inform eines Dialogs mit „Isaac Newton“ die Fantastereien einiger Parteien und Lobbyisten in guter verständlicher Form entlarvt.
    Wie gesagt, die Konsequenzen aus Physik und Biologie kann man nicht wirklich abwählen.

  8. 42.

    Welche Alternative fällt Ihnen angesichts Ihrer Abneigung unserer Demokratie mitsamt Meinungsfreiheit ein?

  9. 41.

    Linksgrün würde wohl tatsächlich Untergang bedeuten. Untergang der Wirtschaft, wegen zu einseitiger Betrachtung der Probleme. Da entscheide ich mich doch lieber unter den Parteien der Mitte!

  10. 40.

    Wer die wählt, die die Demokratie abschaffen wollen, braucht sich nun wirklich nicht darüber aufregen. Muss man halt mit rechnen, dass die meisten diese Alternative nicht wollen.

  11. 39.

    Wo steht Brandenburg im Vergleich? Es ist ein neuer Bildungsmonitor da. Wann berichtet der rbb?

  12. 38.

    Die Brandenburger sollten genau hinschauen was die Altparteien in Sachsen und Thüringen aus den Ergebnissen machen. Da werden mit der AfD wieder 30% Wähler mit ausgegrenzt. Egal wie man dazu steht, aber das ist nicht der Grundgedanke einer Demokratie sondern Filz

  13. 37.

    JA, der Natur - und Klimaschutz wurde von der EU erkannt, und etsprechende Vorgaben bereits verabschiedet, und dies obwohl inerhalb der EU nur in 3-4 Ländern die Grünen an der Regierung beteiligt sind, ergo es geht auch ohne grüne Regierungsbeteiligung.

    Übrigens, die Grünen haben bei der letzten EU- Wahl ordentlch an Stimmen eigebüßt, und trotzdem sind die Vorgaben weiterhin verbindlch.
    Übrigens, in Brandenburg sind die Grünen eher am Rande mit dem Klimaschuzt beschäftigt, und da ist die derzeitige Taktierempfehlung zu Gunsten der Grünen, von wegen Klimaschutz , kein gutes Argument.

  14. 36.

    Können Sie diese These belegen? Selbst wenn 30% AfD wählen, wären dies nicht „die meisten Ostdeutschen“. Ich halte überhaupt nichts von Schubladendenken und Verallgemeinerungen.

  15. 35.

    Was hier für ein Mist veröffentlicht wird. Junge Junge. "Die meisten Ostdeutschen" Sehen Sie noch durch? Was ist denn ihr Alptraum? Dass die auch plötzlich alle Messerstecher werden?

    "braune Brühe" darf man so etwas auch bei den Grünen machen? Der RBB ist doch so pro grün? Ihr seid der ÖRR, kein Wahlkampfteam.

  16. 34.

    Und? Sie müssen doch nicht AfD wählen. Versteh ich jetzt nicht. Ich beschäftige mich mit den Parteien, die ich wählen würde.

  17. 33.

    Wer nur verhindern will, dass in Brandenburg die Populisten die Macht ergreifen, könnte natürlich so agieren. Allerdings wem dies alleine nicht reicht, sondern auch bestimmte Themen in der Landesregierung vertreten sehen will, wird differenzierter wählen müssen.
    Wer beispielsweise Woidkes kleinen Flyer studiert hat, wird schnell feststellen, dass es nicht einen Abgeordneten in seinem Team gibt, für den Umwelt- und Klimaschutz ein dringliches Thema, einen Herzenssache ist. Da sind eine Menge Dinge bei, auch jenseits des guten Musikgeschmacks von Dietmar Woidke, die natürlich wichtig sind, weswegen der Einfluss der SPD auch wichtig bleibt.

  18. 32.

    Für mich ist nicht Migration DAS Thema, sondern wichtiger, die Infrastruktur und der Wohnungsbau und die Renten und der Umweltschutz in Brandenburg! Da höre recht weinig bis NICHTS von Seiten der ,,AfD“!?

  19. 31.

    Nö, weil Ihr auf die Antigrünen-Kampagne reingefallen seid und es leichter ist, sich dem Meinungsmainstream anzupassen - Herdentrieb genannt!

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