Cottbuser Unternehmer - "Für die öffentliche Hand bauen? Ich nicht mehr"

Fr 06.09.24 | 14:49 Uhr | Von Andreas Rausch
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Bauvorhaben FÜRST vormals Kudamm-Karree am Kurfürstendamm (Quelle: dpa/Jochen Eckel)
Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 07.09.2024 | Andreas Rausch | Bild: dpa/Jochen Eckel

Thomas Junker aus Cottbus hat mehrere Kindertagesstätten in Berlin mitgebaut – und wartet seit einem Jahr auf sein Geld. 115.000 Euro verlangt er vom Senat. Während Junker die Insolvenz fürchtet, lässt sich der Senat Zeit. Von Andreas Rausch

Gerader Blick, fester Händedruck, nicht mehr Worte als nötig – Thomas Junker wirkt wie der Prototyp eines bodenständigen brandenburgischen Handwerkers. Vor 20 Jahren verlor er nach Insolvenz seinen Job bei einer Wohnungsgesellschaft und wagte den Gang in die Selbstständigkeit. Die Cottbuser Haustechnik GmbH ist seitdem bundesweit unterwegs im Innenausbau: vom Waschbecken über Fußbodenheizung bis zur Wärmepumpe. Ein Online-Shop dient als zweites Standbein.

Sechs Mitarbeiter hängen an der Firma. "Wir sind wie eine große Familie", sagt der Firmenchef. Aber dieser Familie geht es nicht gut und das schon seit einem Jahr. Schuld daran, sagt Junker, ist die Berliner Senatsbauverwaltung, weil diese Rechnungen nicht bezahle und ihn damit in wirtschaftlich schwere Fahrwasser bringe. "Das wird uns auffressen und irgendwann müssen wir dann den Insolvenzantrag stellen. Denn so eine große Summe kann keiner schlucken. Also ich kann es nicht, als Kleinstunternehmen", sagt Thomas Junker.

Worum geht es konkret?

Im Jahr 2017 startete der Senat in Berlin das "Mokib-Projekt", den modularen Kita-Bau. Insgesamt neun Kitas in Modellbauweise in vorgefertigter Holzkonstruktion sollten so entstehen, mit jeweils bis zu 136 Kitaplätzen. Im Jahr 2020 war Grundsteinlegung für die erste Kita. Fünf Vergabelose gingen an den Generalunternehmer HU Holzunion, für den wiederum die Cottbuser Haustechnik GmbH den sanitären Innenausbau übernahm.

Ein Jahr war für die Bauten veranschlagt. Bei Kita Nummer 5 in der Schmidstraße stockte das Projekt. Der Baugrund erwies sich als kontaminiert und musste zunächst behandelt werden. Die Pause dauerte bis ins Frühjahr 2022, sagt Junker. In der Zwischenzeit überfiel Russland die Ukraine, und die Preise für Baumaterial explodierten. Mit Folgen für die Cottbuser Firma, die Nachforderungen stellen musste.

Handwerker Thomas Junker in seinem Cottbuser Büro (Bild: rbb/Rausch)Handwerker Thomas Junker in seinem Cottbuser Büro

Unrealistische Forderungen gestellt

"115.000 Euro, das waren am Ende Mehrkosten von 26 Prozent. Das ist eigentlich geringfügig, allein Heizkreisverteiler waren plötzlich 47 Prozent teurer, Dämmmaterial für die Fußbodenheizung bis zu 70 oder 80 Prozent", sagt Junker. Anfangs habe der Senat noch zwei Anträge auf Mehrkosten übernommen, Junker schickte die aktuellen Preislisten als Nachweis, das genügte zunächst. Deshalb sei man dem am Bau üblichen Grundsatz "Treu und Glauben" gefolgt und habe in Erwartung weiterer Zusagen zu Ende gebaut.

Doch nach Abschluss der Arbeiten verweigerte die Senatsbauverwaltung weitere Nachschläge. Junker wurde nun aufgefordert, die Preissteigerung für jedes Bauteil zwischen Angebotserstellung und Realisierung akribisch aufzulisten. Das lässt ihn resignierend mit dem Kopf schütteln: "Das ist praktisch nicht möglich, dass man von so einem großen Bauvorhaben jedes Teil, jedes Formstück aufnimmt, vergleicht, rechnet. Das ist ein Aufwand, den kann Ihnen niemand bezahlen."

Senatsverwaltung sieht Generalunternehmer in der Pflicht

In einem Schreiben des Senats an die Haustechnik-Firma heißt es: "Dass Sie als Subunternehmer durch ihren Auftraggeber nicht bezahlt werden, bedauern wir. Gleichwohl sehen wir für die ausstehenden Zahlungen ihren Auftraggeber in der Pflicht." Das wäre die HU Holzunion.

Ein Interview mit dem rbb dazu lehnt die Pressestelle der Senatsbauverwaltung ab, mit dem Verweis, dass sie in einem noch laufenden Verfahren keine Auskünfte gebe.

Generalunternehmer Ulf Cordes von der HU Holzunion weist die Zahlungsverantwortung zurück. Die Bauverzögerung sei den ausführenden Firmen nicht anzulasten. "Die Bauzeitverzögerung ist in vollem Umfang bauseitig und damit dem Senat zuzuordnen." Cordes kündigt gegenüber dem rbb an, den Senat auf Zahlung der offenen Summen zu verklagen. "Nach jetzigem Stand gehen wir davon aus, dass uns gar keine andere Wahl bleiben wird, als eine Klage einzureichen."

Öffentliche Hand mit schlechtem Ruf bei Zahlungsmoral

Für den Verband der Deutschen Bauindustrie ist dies kein Einzelfall. Der Verband hatte im Frühsommer eine Umfrage veröffentlicht, an der sich knapp 600 Mitgliedsunternehmen beteiligt hatten. Demnach beurteilen 25 Prozent aller Befragten die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand als schlecht bis sehr schlecht. Zum Vergleich: Bei privaten Auftraggebern liegt diese Quote bei lediglich fünf Prozent, bei gewerblichen bei elf Prozent.

Die Kitas in Berlin sind längst eingeweiht, auch in Projekt Nummer 5 in der Schmidstraße ist längst Alltag eingekehrt. Thomas Junker wartet in Cottbus indes weiter auf sein Geld. Seit nunmehr einem Jahr. Er hat Briefe geschrieben, an den Senat, an den Regierenden Bürgermeister, an den brandenburgischen Ministerpräsidenten. Keine Reaktion, stellt er lakonisch fest, es sei nichts zurückgekommen. Sein Fazit: "Öffentliche Hand? Da würde ich immer einen anderen Auftraggeber vorziehen, wenn die einfach solange praktisch nichts tun. Und man versucht zu kämpfen und bekommt nichts zurück. Dann muss man sagen: Tut mir leid. Ich nicht mehr."

Sendung: Antenne Brandenburg, 06.09.2024, 15:10 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

41 Kommentare

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  1. 41.

    Ich schrieb, dass es eine umgangskulturelle Übereinkunft gibt - dies seitens sämtlicher Parteien und je mehr solcher Parteien, die den Staat sowieso für unnütz und träge halten und ihn durchgängig auf Effizienz trimmen wollen. Da ist dann so etwas fast schon logisch.

  2. 40.

    "Die "schlechte Zahlungsmoral" beim öffentlichen Dienst liegt auch an fehlendem Personal und umständlichen Vergabe- und Abrechnungsverfahren. "

    Auch aber seien wir ehrlich. Was da an Personal nach den Jahrzehnten des "sparen bis es quietscht" noch vorhanden ist...

    Es liegt nicht nur am fehlenden Personal.

    Hier wurde eine wichtige Kreuzung eheblich umgestaltet, mit etlichen baulichen Fehlern. Bei der Vorortbesichtigung durfte ich ein paar BA Mitarbeiter kennenlernen...

  3. 39.

    Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, arbeitete doch der Handwerksunternehmer als Nachunternehmer für einen Generalunternehmer. Also schuldet der Generalunternehmer ihm den Werklohn.
    Die "schlechte Zahlungsmoral" beim öffentlichen Dienst liegt auch an fehlendem Personal und umständlichen Vergabe- und Abrechnungsverfahren. Dort ist dringenderHandlungsbedarf. Z.B. Prozessbeschleunigung durch Digitalisierung.

  4. 38.

    Um mal wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen. Die Senatsbauverwaltung hat vollkommen recht, als Subunternehmer muß er sich an den Generalunternehmer wenden.

  5. 37.

    Was hat das mit dem Ausverkauf der Stadt unter Diepgen, also noch VOR der Wende zu tun? Nichts.

  6. 36.

    Sie schreiben weiterhin nur Unsinn. Was hat das alles mit dem Ausverkauf Berlins durch Diepgen und Fugmann - Heesing zu tun?

    Alles begann mit der falschen Behauptung "Haben nicht beide auf Anweisung des tollen Bürgermeisters Wowereit gehandelt ? " und sie haben mit einer weiteren falschen Behauptung geantwortet.

    Der Ausverkauf fand eben nicht unter Momper oder Wowereit statt, sondern begann schon VOR der Wende mit Diepgen. Ich habe es selbst erlebt, sie wohl nur vom Hörensagen, das erklärt ihre ständigen Verdrehungen.

    Und nun versuchen sie mit weiteren Halbwahrheiten davon abzulenken.

  7. 35.

    Na, dann schauen Sie mal was der Bund ansonsten noch in den Berliner Haushalt geschustert hat und wodurch Leistungen gegenüber dem Westen niedriger waren!

  8. 34.

    Zudem wurden zur Zeit der Teilung Berlins viele soziale Programme durch den Bund finanziert um eine Abwanderung aufzuhalten. Diese Mittel fielen mit der Vereinigung berechtigter Weise weg, aber der Senat Mompert machte den Fehler mit diesen Mittel zu planen. Insgesamt hat sich Berlin seit der Vereinigung viel Doppelstrukturen geleistet z.B. auf der Ebene der Universitäten und hier nicht wie damals zu Beginn der Teilung versprochen diese Strukturen zusammenzuführen. Auch heute merkt man diese Mehrgleisigkeit. Zudem meinen Sie das Wurzel des Übels läge beim Senat Diepken? Bei weitem gefehlt, ie Wurzel des Übels liegt viel tiefer und historisch weiter zurück.
    Sie sprechen soziale Leistungen an, anscheinend meinen Sie, dass es das Recht des Bürgers ist in einem Umsonststaat zu leben und so Ausgaben für die Infrastruktur, wie Schulen zu blockieren!

  9. 33.

    Wie bitte? Die Berlinzulage betrug acht Prozent des Bruttogehalts. Sie war steuerfrei.

    Mit Fakten jedenfalls haben sie es nicht so, um es mal sehr höflich auszudrücken. Nicht mal den Namen des ehemaligen Regierenden können sie richtig schreiben.

    Der Senat Momper kam zustande weil die Berliner cDU wegen ihrer viefältigen Skandale und Mauscheleien (Antes - Skandal) abgewählt/abgestraft wurde.

    Der Senat Momper hielt gerade mal 16. März 1989 bis zum 24. Januar 1991, was soll der da entscheidend geprägt haben?

  10. 32.

    Anscheinend kennen Sie die hochfliegenden Pläne Momperts nicht und seine Hoffnung dass die Berlinzulage, die es damals gab auf alle Zeiten bestehen blieb. Die Berlinzulage macht bis zu 50% des Einkommens aus und im Rahmen des Bundeshaushalts wurden bestimmte Projekte in Berlin besonders gefördert. Mit der Vereinigung fielen diese Beträge weg, so dass Berlin schon zu Momperts Zeiten in die Miesen geriet. Die nachfolgenden Senate machten es nicht besser und die Folge kennen Sie!

  11. 31.

    Was ist denn das für ein Quatsch? Sie ignorieren nicht nur akten, sondern was haben Bundesbehörden mit dem "Ausverkauf" Berlins durch Diepgen und Fugmann-Heesing zu tun?

    Die Parallelen zu heute sind unübersehbar. Im sozialen Bereich wurde gespart und das Tafelsilber Berlins wurde verscherbelt um es privaten Unternehmen zuzuschanzen. Nur dass Berlin heute kein Tafelsilber mehr hat.

    Sie wissen was Fugmann-Heesing heute macht?

  12. 30.

    Nö, mit Mompert, der dachte alle Bundesbehörden nach Berlin zu holen, auch die nachgeordneten!

  13. 29.

    Es gab Zeiten, im Westen wohlgemerkt, da rissen sich die Firmen um Aufträge vom Staat und es wurde pünktlich gezahlt. Wenn aber ein Land, wie in Berlin in der finanziellen Klemme steckt, Schätzungen des Senates gehen von Fehlbetrag von 900 Millionen Euro aus, dann wird an allen Ecken geknausert!

  14. 28.

    Geht mir genauso, öffentlicher Dienst ist mittlerweile ein No-Go.

  15. 27.

    Ich würde grundsätzlich nie für den Staat bauen , diese haben noch nie pünktlich bezahlt außer die Anzahlung.

  16. 26.

    Schon klar, die Neuparteien würden sofort zahlen.
    Wir reden hier von Bürokratie und Bürokraten, dagegen kann keine Partei anstinken.

  17. 25.

    Trotzdem wurden diese Personen und speziell ihre Parteien wieder gewählt ? Das ist aus meiner Sicht völlig unverständlich.
    Hat das vielleicht etwas mit Schwarm-Intelligenz zu tun ?

  18. 24.

    Das glaubst du aber nicht wirklich, dass die öffentliche Hand da mitgemacht hat. Wir sind ls kleinere Malerfirma nach 2 Grösseren Aufträgen die wir direkt vom Senat / Bezirk bekommen haben in die Insolvenz gerutscht. Nachforderungen bei der öffentlichen Hand ist kaum Möglich. Wie sagt man, einen Gold verlangen und Pech beim zahlen.

  19. 23.

    In der Tat sind sowohl die Ministerien auf Bundesebene als auch die Senatoren auf Berliner Ebene erst einmal eigenverantwortlich. Die Richtlinienkompetenz greift in der Tat bei übergeordneten Umständen, soweit sie strittig sind. Das schien hier nicht der Fall zu sein. Die vorgebliche Effizienzsteigerung des Staates vor dem Hintergrund einer abgewirtschafteten DDR trug in der Tat recht seltsame Blüten. Die Verscherbelung städtischen Eigentums und der - rabiatere - Umgang mit Auftragsnehmern sind nur zwei Beispiele davon.

    Der wirtschaftliche Flurschaden gerade in der Baubranche und die Abwanderung von Beschäftigten beim öff. Dienst, welche als Beschäftigte jetzt wieder händeringend gesucht werden, waren / sind die Folge.

  20. 22.

    Treu und Glauben am Bau und öffentliche Hand schließt sich eigentlich aus - selbst wenn man nicht Subbi ist. Die Frima soll schön in Vorleistung gehen, nix mit Zahlung nach Baufortschritt im eigentlichen Sinne. Also ruht das abgeschlossene Gewerk bis sich der Oberamtsärmelschonerträger bequemt dies abzunehmen, sein "Friedrich Wilhelm" drunter zu setzen und die Zahlung zu veranlassen. Bis die dann ankommt kann es auch mal etwas dauern. Zwischendurch kommen dann wohlformuliere Briefe in dem die Ersatzvornahme angedroht wird, wohlwissend das dies so nicht durchsetzbar ist. Der Kunde ist leider zahlungssäumig - Pech. Kann dauern die Baustelle. Solange werden die Jungs eben woanders eingesetzt. Auch immer wieder gern genommen "Das ist schief!" Ja schon klar, das Lot war krumm und die Wasserwaage hatte 'n Knick. Nie wieder auch nur einen Nagel in die Wand für die öffentliche Hand.

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