Flaute bei Mint-Studiengängen - "Man sollte Mathe und Physik nicht als etwas darstellen, das unmöglich zu schaffen ist"

Mi 01.02.23 | 16:05 Uhr | Von Aline Anders-Lepsch
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Hörsaal BTU (Foto: rbb/Lepsch)
Audio: rbb24 Brandenburg Aktuell | 31.01.2023 | Aline Anders-Lepsch | Bild: rbb/Lepsch

Immer weniger Studienanfänger schreiben sich für ein Mint-Fach ein - also Mathe, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik. Dabei werden genau hier Fachkräfte gesucht. Aline Anders-Lepsch hat an der BTU in Cottbus nachgeforscht, wie der Trend gebrochen werden könnte.

Wer Informatik studiert hat, hat gute Aussichten, in Zukunft einen gutbezahlten Job zu finden. Auch Ingenieure sind gesucht oder Elektrotechniker. Doch nach aktuellen Zahlen entscheiden sich in Deutschland immer weniger junge Leute für ein Studium in den sogenannten Mint-Bereichen: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Laut Bundesamt für Statistik [destatis.de] ist der Anteil der Studienanfänger, die sich für Mint-Fächer entschieden, seit 2015 kontinuierlich gesunken. 2021 schrieben sich demnach 37,7 Prozent der Studierenden in einem Mint-Fach ein. Im Jahr 2015 waren es noch 40,5 Prozent gewesen - der Höchststand in den vergangenen beiden Jahrzehnten.

Cathy Sulaiman, Nicolas Borchard und Florian Rokohl sitzen im BTU Hörsaal (Foto: rbb)
Cathy Sulaiman, Nicolas Borchard und Florian Rokohl sitzen im BTU Hörsaal | Bild: rbb

Harter Start ins Studium

An der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg haben sich Florian Rokohl, Cathy Sulaiman und Nicolas Borchard für ein Mint-Fach entschieden: Mathe, Informatik und Physik. Die drei sind inzwischen im Master-Studium, räumen aber ein, dass die ersten Semester tatsächlich hart gewesen seien - zum Beispiel die Vorlesungen in Analysis. Bei diesem Teilbereich der Mathematik fällt statistisch die Hälfe der Studierenden durch. "Ich denke, dass Physik und Mathe einen immer erschlägt", sagt Cathy Sulaiman. "Man muss es in Kauf nehmen. Aber man sollte einem die Angst nehmen und Mathe und Physik nicht als etwas darstellen, das unmöglich zu schaffen ist. Denn das stimmt nicht."

Wenn es nach Florian Rokohl geht, sollte dieses Angstnehmen schon weit vor dem Studium passieren. So könnten Arbeitsgemeinschaften in den Schulen das Interesse wecken und Hemmschwellen abbauen, meint Rokohl. "Es gibt sowas wie Lego-AGs, wo man Lego-Roboter baut. Ich glaube, dass so etwas viel mehr gefördert werden - nicht nur im gymnasialen Bereich, sondern auch an der Grundschule."

Alle drei sind sich einig, dass mehr und früher aufgeklärt werden müsse, was Mint eigentlich ist und wie die Zukunftschancen aussehen. Auch die Einstellung der Eltern spiele eine Rolle, sagt Nicolas Borchard. Wenn diese zu ihren Kindern sagten, dass sie selbst in Mathe nie gut gewesen seien und es ein sehr schweres Fach sei, dann pflanze sich diese Einstellung bei den Kinder fort. "Dann mögen die Kinder das auch nicht", ist Borchard überzeugt.

Aus ihrer eigenen Kindheit berichten zwei der Studierenden über eine positive Einstellung der Eltern zu Mathematik und Technik. "Meine Mutter hat nie daran gezweifelt, dass ich Mathe könnte", erzählt Cathy Sulaiman. "Sie hat nie gesagt: 'Mathe ist was Schweres, Physik ist was Schweres' oder so." Und Florian Rokohl sagt: "Mein Vater hat was mit Elektronik gemacht, ich saß das erste Mal mit zwei Jahren am PC. Dann hat sich das irgendwie entwickelt."

"Mintis" dringend gesucht

Wie nötig Mint-Studierende jedoch gebraucht werden, zeigt sich laut Florian Rokohl vor allem mit der Digitalisierung. "Wir brauchen einfach die Leute - die wir nicht haben. Ich glaube, dass man es allen klar machen muss, wie wichtig doch die Mint-Bereiche sind."

Auch in anderen Jobbereichen gebe es zahlreiche Berührungspunkte mit Mint-Fächern, sagt Bernhard Weyrauch, Dekan an der BTU Cottbus-Senftenberg. "Wenn wir an den Klimaschutz denken und uns vor Augen führen, welchen Einfluss das Baugewerbe am CO2-Ausstoß hat, kommt es in Zukunft ganz stark darauf an, dass wir die richtigen Baustoffe verwenden - und da braucht man bauchemisches Verständnis."

In Beratungsgesprächen versucht BTU-Mentorin Adina Werner zu vermitteln, warum bestimmte Fächer gebraucht würden und sich ein Studium lohnt - "gerade jetzt in der Lausitz mit diesem Umbruch von Energiewirtschaft und der Energietechnik." Es gebe viele Unternehmen, die in die Region kommen, sagt Werber. "Wir haben auch selber an der Uni viele Institute, die jetzt hierhergekommen sind. Die suchen. Also die Jobaussichten sind wirklich gut."

Immerhin: Schaut man auf andere EU-Länder, dann gibt es in Deutschland vergleichsweise viele Mint-Abschlüsse. Laut Statistischem Bundesamt und EU-Statistikbehörde Eurostat entfielen im Jahr 2020 auf den Mint-Bereich 36 Prozent aller Bachelor- und 35 Prozent aller Master- und gleichwertige Abschlüsse. Das seien jeweils die höchsten Anteile in der EU, heißt es.

Werbe-Postkarte für Mint der BTU Cottbus-Senftenberg (Foto: rbb)
Werbung für das Studium von Mint-Fächeran an der BTU Cottbus-Senftenberg | Bild: rbb

Mehr Mint-Studenten an der BTU

Auch die BTU Cottbus-Senftenberg konnte im vergangenen Jahr bei der Zahl der Immatrikulationen in Mint-Fächern zugelegen [b-tu.de], wie Uni-Präsidentin Gesine Grande im rbb bestätigt. Die Universität sei hier aber auch sehr engagiert. "Wir sind in den Schulen in ganz Brandenburg und zum Teil darüber hinaus unterwegs, um das Interesse für Naturwissenschaften, Technik, Informatik zu wecken - mit AGs, Drohnenflügen und auch Lego-Kursen."

Auch in einer Kinder- und Schüleruniversität der BTU werde frühzeitig versucht, Neugier für Technik und Naturwissenschaften zu wecken. Auch das angebotene Schnupperstudium sei eine der Investition in die Zukunft, so Grande. "Und: Wenn die Studierenden erstmal den Weg zu uns gefunden haben, dann tun wir natürlich auch alles, um sie zu behalten."

Auch an anderer Stelle ist ein Aufwärtstrend zu beobachten. Laut Statistischem Bundesamt studieren zwar weiterhin mehr Männer als Frauen Mint-Fächer - der Frauenanteil ist allerdings zuletzt gestiegen. 2001 lag der Frauenanteil noch bei 30,8 Prozent, im Jahr 2021 bei 34,5 Prozent.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 31.01.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Aline Anders-Lepsch

28 Kommentare

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  1. 28.

    Sehr gutes Deutsch! Nicht schlecht.
    Besonders gut gelungen, für die Wertschätzung von Frauen bei Titeln ist es, wenn man die weibliche Form durch den Plural ganz weglässt, damit sich eine "Professorin" nicht "ein bisschen gehänselt" fühlt. Weil es (titel-)abwertend sein kann und die Männer nicht einschließt. Gut gemacht.

  2. 27.

    "Schmidt" meint die immer mehr zu beobachtende Niveauabsenkung durch Abwahl, z,B. die Fremdsprachen (um Lehrerstunden unsolide zu "gewinnen"). Beispiel: Französisch ist in der Wirtschaft die meist gewünschte Zweitsprache, auf Grund der Wichtigkeit der romanischen Länder und der Maghrebstaaten. Nur das wissen die Schüler nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung :-(. Die Folge: Noch weniger Chancen als bisher schon...

  3. 26.

    Professoren werden ja auch nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen sondern nach einer Vorstellungsrunde mit Probevorledung zum Professor ernannt. Kleiner Tipp: ein Professor ist nicht der nächsthöhere Doktor sondern ein verbeamteter Hochschullehrer. Wechselt derjenige die Hochschule, so verliert er auch seine Professur an dieser.

  4. 25.

    Selbstverständlich wird ausgesiebt und das aus gutem
    Grund. Wer noch im 1. Semester Binomische Formeln oder Integrale erklärt bekommen muss wird einfach ausgelacht. Die Kindergartenzeit ist im Studium vorbei.

  5. 24.

    "Später können Schüler Fächer "abwählen". Wenn Sie dann ein "hippes" Studium beginnen, fehlen ihnen einfach die Grundlagen."

    Sowas ist ja auch selten dumm. Wenn ich im Abi Deutsch abwähle, studiere ich doch nicht Germanistik.

  6. 23.

    Haben sie studiert? Ich ja. Und ich kann ihnen aus eigener Erfahrung bestätigen, dass mind. 50% der Erstsemester versagen werden. Das Studium ist keine Fördergruppe für Singen&Klatschen. Im Studium müssen sie abliefern oder sie müssen gehen. Völlig ok diese Auslese.

  7. 22.

    Wenn dem so ist, dann gehören diese Leute nicht an eine Uni und sollten sich den Klimaaktivisten anschließen. Wir können doch den Lehrplan nicht an das geistige Niveau der Studenten anpassen. Es reicht, wenn das an den Schulen gemacht wird, die Ergebnisse kennen wir.

  8. 21.

    Und das hat mit MINT-Studiengängen am Beispiel der BTU Cottbus jetzt WAS zu tun?

  9. 20.

    Der Artikel ist interessant geschrieben, aber warum hier die eigentlichen Akteure der BTU, nämlich die MINT-Botschafterinnen, nicht mit einbezogen wurde, ist als großer Mangel zu werten. So wurden über sie bereits in Cottbus in einer Grundschule die MINT-AGs für Mathe, Naturwissenschaften und Technik gestartet. Kinder der 3. und 4. Klasse werden hier von WissenschaftlerInnen der BTU Cottbus-Senftenberg über zehn Wochen begleitet und mit den ausgewählten Disziplinen altersgerechte in Kontakt gebracht. Darüber hinaus begleiten und beraten die MINT-BotschafterInnen das College und die Studienberatung der Universität regional und darüber hinaus auf diversen Veranstaltungen. Bei Interesse stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und berichten gerne darüber, was und wie an der Basis der MINT-Bereich wieder aufgebaut wird.

  10. 19.

    Was hat Ihr Kommentar jetzt mit dem Thema des Artikels zu tun?

  11. 18.

    Solange es Sexismus an den Unis insbesondere in den "Männer*domänen" gibt und schon in der Schule gegendert wird ist es doch keine Überraschung, dass die Studierendenzahl in Physik etc. abnimmt, abgesehen von der schlechten inhaltlichen Qualität der Schulen für schlechter Verdienende.

  12. 17.

    Ja, sehe ich genauso!

    Aber warum soll man sich auch abmühen, eigentlich lohnt sich ein Physikstudium nicht, wenn man sich die Bezahlung am Ende anschaut.
    Ich mache nur noch IT heute und sehe seit Jahren weit und breit keinen guten Nachwuch.

    Liegt aber auch an der Gesellschaft, aus Dummheit kann halt nichts intelligentes entstehen :)

  13. 16.

    Die Angst vor Mathematik wurde durch technische Hilfsmittel wie weiland dem Taschenrechner und heutzutage den eingebauten Mikrocomputern aller Art in allen möglichen Geräten nicht etwa genommen, sondern sogar noch befördert - weil Mathematik als HILFreiche Wissenschaft von Grund auf unverstanden bleibt.

    Wer von Kindesbeinen an mit dem Einkauf für die Eltern und Großeltern beschäftigt war, wer mit Kopfrechnen vertraut ist, intuitiv Größenverhältnisse einschätzen kann, mithin auch den Sinn und oftmals auch um den Unsinn so mancher Abbildung nicht nur durch geschrumpfte x-Achsen und maßlos gedehnte y-Achsen weiß, allein um einer Dramatisierung willen, den kann eigentlich keine Angst erschüttern.

  14. 15.

    ;-) Nur wenn man „durchzieht“.
    Wer studiert geht älter in Rente und andere sind früher fertig. Deshalb wäre es gerecht, wenn man die 67 Altersgrenze ganz abschafft. Das belohnt die „Nichtchiller:innen“, oder nicht ganz so absurd: die Fleißigen.

  15. 14.

    Wir brauchen vor allem Expertise. Wir brauchen in dieser Justiz-, Bau- und Innensenate, die wieder ernst genommen werden. Wir brauchen Senatoren, die sehen, was in ihren Verwaltungen die Probleme sind, statt Tablets und Intenet für den Knast zu verschenken oder marode Wohnungen zu überhöhten Preisen zu kaufen. Wir brauchen eine Polizei, die gestärkt und gut bezahlt wird. Wir brauchen eine Politikwende.

  16. 13.

    Also zumindest bei Mathe kann ich mitreden, dass ist für normale Menschen nicht schaffbar.
    Physik ist im Prinzip aus dem gleichen Grund nicht schaffbar , wie Mathe, es ist die gleiche Mathematik, an der die meisten Leute schnell scheitern.

  17. 11.

    Ein großes Problem ist wohl, dass MINT-Fächer bereits an den Schulen oft eher abstrakt unterrichtet werden. Das setzt sich dann an FHn und Unis fort: Lehrpläne und Methoden sind vielfach "von Nerds für Nerds" - also Leute, die Mathe und Physik als Selbstzweck akzeptieren können. Eine Mehrheit der Menschen tickt aber anders: Sie muss erst begeistert werden für reale Phänomene und praktische Anwendungsmöglichkeiten. Erst dadurch werden manche dann Lust bekommen, z.B. die Mathematik als Werkzeug für Berechnungen zu erlernen. Auch angehende Handwerker* und Handarbeiter* lernen ja viel besser, wenn sie von Anfang an was erschaffen, statt monatelang nur Übungsstücke zu sägen, häkeln, nähen oder fräsen, die nie benutzt werden. Und auch eine Sprache können/wollen die wenigsten lernen, indem sie wochenlang nur Grammatik pauken.

  18. 10.

    Mittlerweile haben immer wenige Politiker einen Berufs- oder Hochschulabschluß...merkt man irgendwie.

  19. 9.

    Die Profs sind schuld...herrlich diese "neue" Welt.
    Mutti hat doch auch nie geschimpft...

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