Oder-Marsch bis 3. Juni - Fluss Oder soll nach dem Willen von Umweltschützern juristische Person werden

Mo 22.05.23 | 17:45 Uhr
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Symbolbild: Oder-Neisse-Radweg an der Oder, Hohensaaten, Brandenburg. (Quelle: imago images/L. Steiner)
Audio: Antenne Brandenburg | 22.05.2023 | Torsten Glauche | Bild: imago images/L. Steiner

Die Organisatoren von "Osoba Odra" werben für einen besseren Schutz der Oder. Den soll der Grenzfluss als juristische Person bekommen. Vorbild sind andere Länder, in denen Flüsse und andere Naturgebiete bereits "Personen" sind.

Die Oder soll eine juristische Person werden. Das fordert eine Gruppe von polnischen Umweltschützern, die seit über einem Monat den Grenzfluss entlangläuft und auf ihrem "Marsz dla Odry" (dt. "Marsch für die Oder", Anm. d. Red.) am Montag in Słubice Halt machte.

Mit der Aktion wollen die Initiatoren von "Osoba Odra" (dt. "Person Oder", Anm. d. Red.) auf den schlechten Zustand des Flusses aufmerksam machen und für eine saubere Oder kämpfen. Sie hoffen, dass durch eine Aufwertung als juristische Person der Schutz des Flusses besser gewährleistet werden kann.

Auch deutsche Wissenschaftler der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) haben den Marsch begleitet. Mit einem Ruderboot sind sie am Montag auf die Oder hinausgefahren und wollten damit ihre Unterstützung demonstrieren, wie Teilnehmer dem rbb vor Ort berichteten.

Schützenswertes Rechtsobjekt

"Ein Rechtsobjekt zu sein bedeutet, einen Wert zu haben, der geschützt werden kann, indem man zum Beispiel in seinem Namen vor Gericht tritt", sagt Kultursoziologin Estela Schindel von der Viadrina. Dies sei vergleichbar mit anderen Rechtsformen, bei denen es sich ebenfalls nicht um Personen im wörtlichen Sinne handelt: "Firmen, Vereine, auch eine Universität wie unsere oder eine Stiftung sind juristische Personen und bekommen dadurch einen gewissen Schutz." Denn durch diesen Rechtsstatus könnte sich auch eine Kommission oder ein Gremium aus "zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder politischen Akteuren" zusammensetzen und für die Oder sprechen, so Schindel weiter.

Also warum nicht auch die Oder als juristische Person behandeln? Dadurch könnten bestimmte Ausbeutungs- und Zerstörungspraktiken unterbunden werden, sagt auch Matthias Schloßberger, Professor für Sozialphilosophie an der Viadrina: "Wenn wir die Würde anerkennen, dann müssen wir auch auf eine ganz bestimmte Weise handeln. Das hat dann auch juristische Konsequenzen, weil dann zum Beispiel die Zerstörung nicht einfach wie bei einer Sache durch irgendeine Kompensation, durch irgendeine Zahlung, durch irgendeine Wiedergutmachung aufgehoben werden kann."

"Der Fluss selbst hat kein Stimmrecht"

Eine Forderung, die auch unter den Studierenden Unterstützung findet. Konkret werde das Problem derzeit bei den Ausbaumaßnahmen auf polnischer Seite sichtbar, meint Studentin Helen Lessing: "Der Fluss ist ein Grenzfluss – die eine Seite will das so, die andere so. Und der Fluss selber hat halt kein Stimmrecht", sagt sie. Hätte der Fluss aber als eine juristische Person eigene Rechte und gebe es Guardians (dt. "Wächter", Anm. d. Red.) - in Form des angesprochenen Gremiums beziehungsweise der angesprochenen Kommission - dann "könnte der Fluss entscheiden, was der Fluss braucht", so Lessing weiter. Das sei aber nur der Anfang eines Gedankenexperiments, was ihrer Meinung nach irgendwann aber auch konkret werden könnte.

International nicht unüblich

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass Flüsse, Lebensräume und andere Naturgebiete bereits als juristische Personen behandelt werden. So zum Beispiel in Neuseeland, wo 2017 der sogenannte Whanganui River zusammen mit den umliegenden Gebieten den Status einer juristischen Person erhalten hatte. Zuvor hatte Neuseeland bereites den Te-Urewera-Nationalpark als solche anerkannt und ist damit in eine internationale Vorreiterrolle geschlüpft.

Seitdem seien weitere Flüsse unter anderem in Kanada, Kolumbien und Indien als Rechtssubjekte deklariert worden, berichtet auch Sozialphilosophie-Professor Schloßberger. Das hätte "weitreichende, positive Einflüsse auf den Umweltschutz", sagt er. Und dafür seien auch die Unterstützer von "Marsz dla Odry" unterwegs, berichtet Mit-Initiator Gawel Adrzejewski, der viel Zulauf für den Marsch wahrgenommen habe. "Es kommen Organisationen, Vereine, Privatpersonen und manchmal sogar Schulen aus der Region, die von dem Odermarsch erfahren haben", sagt er.

13.000 unterzeichnen Petition

Mittlerweile haben sich darüber hinaus mehr als 13.000 Personen (Stand Montag) einer Petition angeschlossen, die die Anerkennung der Oder als juristische Person fordert. Darin heißt es, dass die Ausbeutung der Oder seit Jahrzehnten andauere. "Der zweitgrößte Fluss Polens wird von Industriebetrieben, Unternehmen und Institutionen systematisch getötet und als Abwasser behandelt, nicht als lebender Organismus, was er ist", schreiben die Organisatoren. Das sei nicht zuletzt mit dem Fischsterben im Sommer vergangenen Jahres offensichtlich geworden. "Damit der Fluss überleben kann, braucht er rechtlichen Schutz", heißt es in der Petition weiter. Und dafür wiederum weitere Unterstützung.

Noch bis zum 3. Juni soll der "Marsz dla Odry" fortgesetzt werden. Auf insgesamt 44 Tagesetappen wollen die Teilnehmer die 956 Kilometer von der Quelle im Nordosten Tschechiens bis zum Ziel in Stepnica am Stettiner Haff zurücklegen und für ihre Sache werben.

Bereits am Mittwoch wird das Thema auch noch einmal in der Viadrina in Frankfurt (Oder) auf der Tagesordnung stehen. Dann wollen Wissenschaftler noch einmal verstärkt den rechtlichen Status der Oder besprechen und den Fluss in ein internationales Naturschutz-Programm aufnehmen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.05.2023, 14:10 Uhr

Mit Material von Dilan Polat und Philip Barnstorf

48 Kommentare

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  1. 48.

    Verstehe, also letzteres meiner Fragen aus #44. Sie interessiert nur der Mensch und der Rest hat sich dem menschlichen Wohl unterzuordnen bzw. ihm zu dienen.
    Leider hat diese Theorie nur einen kitzekleinen Denkfehler den Alexander von Humboldt schon im 18. Jahrhundert erkannte.
    Wir brauchen die Biosphäre der Erde als notwendige Voraussetzung zum Leben. Die Biosphäre aber uns nicht.
    Und im Falle der Oder heißt der Tod gerade Goldalge als Folge der Salzlakeverklappung polnischer Bergwerke. Ich glaube dafür braucht niemand wirklich Flüsse und ich denke Habeck wird das ähnlich sehen.

  2. 47.

    Ich habe meine Gedanken klar dargelegt, und da raus geht nicht hervor, dass mir nur der Mensch am Herzen liegt.
    Mir liegt auch die EU am Herzen, und faire Bedingungen füt alle Mitgliedsländer. Die Oder ist nicht nur ein deutscher Fluss, und daraus ergibt sich, dass Deutschland nicht alleine bestimmen kann.

    Übrigens, heute in der Tagesschau hat Habeck angekündigt, dass für die Klimawende die Wasserstraßen verstärkt genutzt werden.
    Ziemlich egoistisch, die deutsche Haltung.

  3. 46.

    „Seitdem seien weitere Flüsse unter anderem in Kanada, Kolumbien und Indien als Rechtssubjekte deklariert worden, berichtet auch Sozialphilosophie-Professor Schloßberger.“

    Die Eigentümer einer Kapitalgesellschaft können jede beliebige Person als Geschäftsführer (so heißt der juristische Vertreter einer GmbH) bestellen, wenn sie denn wollen.

  4. 45.

    Ich habe nirgends das Gegenteil behauptet. Trotzdem unterstütze ich diese konkrete Initiative und von Schirachs Vorschlag zu den europäischen Grundrechten sowieso, denn nur weil es so ist wie es ist, muß es ja nicht so bleiben.

  5. 44.

    Worauf wollen sie denn eigentlich hinaus? Stört sie der Versuch einem Flussbiotop juristische Rechte zuzubilligen, stört sie, dass es vorerst im konkreten Fall nur um die Oder geht oder beschränkt sich für sie das schützenswerte Leben auf Homosapiens sapiens?
    Und welche Nachteile und für wen leiten sie daraus ab?

  6. 43.

    Gehört zwar nicht direkt zum Thema, aber das war mir so noch nicht bewußt. Vielleicht einen Link zum Weiterlesen, da das thematisch sonst hier zu weit wegführt. Rein persönlich interessiert es mich.

  7. 42.

    Tja, da sollten Sie wissen, das Deutschland diesbezüglich über 100 Jahre an Verträge gebunden ist, und das Tschechien so lange auch eien Hafenstützpunkt im Hamburg gepachtet hat.

  8. 41.

    Der Deutsche Bund war im 19 Jahrhundert als ein lockerer Staatenbund gegründet worden, zu dem auch Österreich beigetreten ist, und zufälligerweise Sprachen die Herscher dort auch Deutsch.
    Böhmen und Mähren gehörte von 1634 bis !918 zu Österreich, und davor war es ein selbsständig.

  9. 40.

    Ich empfehle Ihnen einen Blick auf die Karte vom Deutschen Bund:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bund
    Das hat überhaupt nichts mit dem sog. Sudentenland zu tun und dem Raub durch das Münchner Abkommen.

  10. 39.

    "Übrigens, Tschechien hat nur über die Elbe einen Zugang zum Meer, aber das wird sicher auch noch zum Thema, oder? " Und? Was wollen Sie damit sagen? Muß jedes Land einen Zugang zum Meer haben? Das wird schwierig, da müssen Sie aber viele Grenzen umsortieren. Bei Polen und auch bei Deutschland sind es übrigens "nur" Randmeere.

  11. 38.

    Ja, Deutschland ist das Land mit sehr guten Wasserstraßennetz, womit den Zugang zum Meer problemlos gesichert ist. Dagegen, die Polen haben nur zwei Flüsse, die den Zugang zum Meer bieten könnten, wobei die Oder derzeit dafür relativ unbrauchbar ist.
    Tja, Deutschland hat die sicheren Zugänge in der "Tasche", und die anderen Länder der EU, sollen.......
    Das gibt zwar den EU- Binnenmarkt, aber der EU-Wettbewerb ist auch im Trasportwesen etwas weiter gefasst, als nur auf die Straße und die Schiene.
    Übrigens, Tschechien hat nur über die Elbe einen Zugang zum Meer, aber das wird sicher auch noch zum Thema, oder?

  12. 37.

    Sie sinnieren, um dasSudetenland ins Bewusstsein der Leser zu bringen, und da zu passt auch Ihre Aussage im #23, dass die Oder mal ein rein deutscher Fluss war Das war sie definitiv nie.
    Wer die Geschichte der dreier Länder kennt, der weis solche überflüssige Aussagen richtig zu deuten.

  13. 34.

    Das mit den Rechten stimmt, aber es werden gleichzeitig Pflichten auferlegt, so sieht es das hiesige Rechtssystem vor, dass übrigens bis dato einen Fluss etc. als Rechtsperson nicht vorsieht.
    Wobei, hier handelt sich um einen Fluss dreier Länder., und keines von ihnen bietet in landeseigenen Rechtssystem etwas annähernd verwendbares..

  14. 33.

    "Der heutige Geografieuntericht akzeptiert die Staatsgrenzen, und sinniert nicht im Sinne der Grenzen zwischen 1938 und 1945." Und dann darf die Oder nicht mehr in der Tschechischen Republik entspringen? Wo wollen Sie denn die Oder politisch korrekt entspringen lassen?

  15. 32.

    Eine GmbH hat Eigentümer, nicht bestellte Vertreter.
    Die zitierten Beispiele sind genau ein konkretes Beispiel (Whanganui River) und das ist überhaupt nicht auf die Oder übertragbar.
    "Es wird also woanders bereits praktiziert, also kann es ja per se schon kein Unsinn sein." Sehr gefährliche Auffassung, damit kann man alles rechtfertigen.

  16. 31.

    Gut eine GmbH, ein Verein etc. kann sich auch nicht artikulieren, deswegen wird ja mind. eine geschäftsfähige Person bestellt die dieses Konstrukt juristisch vertritt.
    Das zweite Argument sind die im Artikel zitierten Beispiele. Es wird also woanders bereits praktiziert, also kann es ja per se schon kein Unsinn sein.
    Und drittens, dieses Argument steht auch im Artikel, erhält ein Rechtssubjekt implizit wertvolle Rechte.

  17. 30.

    Da brauch ich gar nicht länger drüber nachdenken, der Vorschlag ist vollkommener Unfug. Dinge können keine eigene Rechtfähigkeit besitzen, weil sie diese überhaupt nicht artikulieren können. Es gibt nicht ohne Grund die Einteilung in Personen und Sachen. Die einen vertreten sich selbst, die anderen werden von Personen vertreten, geschützt, bewahrt, verwaltet. Bei allem Verständnis für Natur- und Umweltschutz. Aber das Ganze sollte schon auf dem Boden bleiben. Derlei unsinnige, weil überhaupt die Situation nicht verbessernde Vorschläge sind reiner Populismus von ein paar Geltungsbedüftigen, die auch mal in die große Öffentlichkeit wollen.

  18. 29.

    Der heutige Geografieuntericht akzeptiert die Staatsgrenzen, und sinniert nicht im Sinne der Grenzen zwischen 1938 und 1945.

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