Personalnot - Fast zehn Prozent der ärztlichen Bereitschaftsdienste in Berlin unbesetzt
Ein Urteil zur Sozialversicherungspflicht hat das eingefahrene System des Kassenärztlichen Notdienstes in Berlin in Unruhe gebracht. Die Folge sind große Lücken in den Dienstplänen. Die KV Berlin sieht das Wohl der Patienten aber gesichert. Von Sabine Müller
In Berlin müssen Patientinnen und Patienten, die abends oder am Wochenende einen nicht-lebensbedrohlichen Notfall haben, eventuell länger in der Notdienstpraxis oder auf den Hausbesuch warten. Fast jede zehnte Schicht konnte in diesem Jahr beim ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht besetzt werden.
Längere Wartezeiten bei Behandlungen und Untersuchungen
Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) teilte dem rbb auf Anfrage mit, von Januar bis September seien in den Notdienstpraxen, bei der Telefonhotline und beim fahrenden Bereitschaftsdienst insgesamt 8.674 Dienste angesetzt gewesen. 812 davon seien unbesetzt geblieben, das sind knapp 9,4 Prozent. Laut einer Sprecherin der KV kann es deshalb sein, dass Patientinnen und Patienten "im Einzelfall länger auf eine Behandlung oder einen Hausbesuch warten müssen". Die KV versichert aber, "das Patient:innenwohl" sei "stets gewährleistet".
Grund für die vielen unbesetzten Schichten ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung in den Bereitschaftsdiensten aktuell praktisch keine sogenannten Poolärztinnen und -ärzte mehr einsetzt, also Medizinerinnen und Mediziner, die nicht in einer Kassenpraxis arbeiten, sondern etwa in Kliniken und Betrieben oder die bereits im Ruhestand sind. Bis Ende 2023 waren sie auf Honorarbasis tätig.
Laut einem Gerichtsurteil vom Herbst 2023 müssen diese gut 100 Poolärztinnen und -ärzte sozialversichert werden. Die Berliner KV hält dies aber bürokratisch und finanziell für nicht leistbar.
Vor allem Schichten für Hausbesuche betroffen
In Berlin blieben in den ersten neun Monaten dieses Jahres vor allem Schichten beim fahrenden Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der für Hausbesuche zuständig ist, unbesetzt. Laut KV waren es knapp 14 Prozent. Deutlich besser sah es in den anderen Bereichen aus. In den Notdienstpraxen für Erwachsene konnten 2,8 Prozent der Dienste nicht besetzt werden, bei den Notdienstpraxen für Kinder und der Patienten-Hotline 116 117 waren es jeweils gut 1,6 Prozent.
Die Befürchtung, die Berliner Notdienstpraxen müssten eventuell ihre Öffnungszeiten einschränken, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Laut KV sind alle elf Praxen sowohl am Freitagnachmittag/-abend als auch an Wochenenden und Feiertagen zu den gewohnten Zeiten erreichbar.
Ärzte an der Telefonhotline nicht sozialversicherungspflichtig
An der Telefonhotline sind nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung seit Anfang April wieder alle geplanten Schichten besetzt, weil dort seitdem wieder Poolärztinnen und -ärzte aktiv sind. Ihre Einsätze wurden unter anderem durch mobiles Arbeiten so verändert, dass sie nun nicht mehr als sozialversicherungspflichtig gelten.
Das Modell lässt sich allerdings nicht auf die Schichten in den Notdienstpraxen und beim fahrenden Bereitschaftsdienst übertragen. Dort müssten jetzt "andere Lösungsansätze erarbeitet werden", heißt es von der KV. Sie hat die Bundesregierung bereits mehrfach aufgefordert, alle Poolärztinnen und -ärzte "umgehend" von der Sozialversicherungspflicht zu befreien.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.10.2024,