Energetische Modernisierung in Berlin - Millionenschwerer Fördertopf für Sanierungen wird kaum genutzt

Do 14.11.24 | 07:37 Uhr | Von Ute Barthel und Jana Göbel, rbb24 Recherche
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Kastanienallee 12, Hinterhaus vom Garten aus (Quelle: rbb)
rbb
Video: rbb24 Abendschau | 14.11.2024 | U. Barthel / J. Göbe | Bild: rbb

500.000 Wohnungen in Berlin müssen in den kommenden zehn Jahren energetisch saniert werden. Ein Förderprogramm sollte Anreize schaffen. Doch nicht mal ein Viertel der bereitgestellten 147 Millionen Euro wird genutzt. Von Ute Barthel und Jana Göbel

  • Berliner Programm zur "Sozialen Wohnraummodernisierung" soll energetische Sanierungen befördern
  • Programm wird aber kaum genutzt
  • Bauherren bemängeln, dass Mieten nach der Sanierung zu wenig steigen dürften
  • Senator Gaebler (SPD) verweist auf Wertsteigerungen von Immobilien
  • Programm soll aber überprüft werden

Jarmila Dürholt ist klar: So eine günstige Wohnung wird sie in der Kastanienallee im Prenzlauer Berg nie wieder finden. In der Gegend werden sonst Mieten um die 15 Euro aufgerufen. Doch sie und ihre Nachbarn zahlen im Schnitt sagenhafte 4,50 Euro kalt je Quadratmeter - allerdings mit Ofenheizung und Außenklo. Durch die Fenster zieht es und die Fassade bröckelt, hier muss dringend etwas passieren.

Das Haus gehört der "Selbstbau-Genossenschaft", die es nach dem Tod der Eigentümerin gekauft hat und jetzt endlich sanieren und energetisch modernisieren will: neue Fassade, neue Bäder, Erdwärme, Solardach. Jarmila Dürholt würde für diesen neuen Komfort dann 7,20 Euro pro Quadratmeter kalt zahlen - und zwar freiwillig. Das betont sie extra, denn diese Miete sei immer noch fantastisch. "Bauen kostet Geld, sanieren kostet Geld", so ihre Begründung, "wir wollen, dass die Genossenschaft die Sanierung durchführen kann."

Jarmila Dürholt, Mieterin (Quelle: rbb)
Mieterin Jarmila Dürholt | Bild: rbb

Genossenschaft drohen auf Jahre Verluste

Damit die Miete in stark sanierungsbedürftigen Häusern bezahlbar bleibt, gibt es das Berliner Förderprogramm "Soziale Wohnraummodernisierung 2023", kurz "SWM 2023". 73,4 Millionen Euro stellt das Land seit 2023 dafür jährlich zur Verfügung.

Hinter dem spröden Namen verbirgt sich folgende Idee: Die Immobilieneigentümer bekommen bis zu 650 Euro pro Quadratmeter zur energetischen Modernisierung dazu, dafür erhält das Land eine 15-jährige Sozialbindung für die Wohnungen und die Mietsteigerung wird begrenzt.

Eigentlich eine Win-Win-Win Situation für Mieter, Land und Umwelt. Doch leider nicht für Eigentümer, sagt David Robotham von der "Selbstbau"-Genossenschaft. "Wir wollen als Genossenschaft ja gar keinen Gewinn machen. Aber so wie das Programm jetzt gestrickt ist, machen wir auf Jahre Verluste." Denn in dem Haus in der Kastanienallee dürften die Mieten nach der Sanierung auf maximal 6 Euro steigen - das gibt das Förderprogramm vor. Zu wenig für die Genossenschaft, um die Modernisierung zu refinanzieren.

David Robotham SelbstBau e.G. (Quelle: rbb)
David Robotham von der "Selbstbau"-Genossenschaft | Bild: rbb

Mieten zu gering, um Modernisierung zu stemmen

Der Branchenverband Berlin Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) kritisiert das Programm SWM 2023 auch deshalb. Es sei nicht praxisgerecht und in der derzeitigen Form "nicht sinnvoll". Die Mietpreisbindung, schreibt der BBU auf eine rbb-Anfrage, würden die Modernisierungsbemühungen teilweise sogar konterkarieren, weil weniger modernisiert wird. Hinzu käme ein viel zu hoher Verwaltungsaufwand.

Entsprechend zurückhaltend bleiben Wohnungseigentümer bei der Nutzung des Förderprogramms. Von 147 Millionen Euro Fördermitteln wurden seit Anfang 2023 nur ein Viertel beansprucht, teilt die Senatsbauverwaltung auf Anfrage mit. Genossenschaften wie die "Selbstbau" sowie landeseigene und private Bauunternehmer beschreiben gegenüber dem rbb das immer gleiche Problem: Angesichts der gestiegenen Baukosten würden die vorgeschriebenen gedeckelten Mieten nicht ausreichen, um die Sanierung zu finanzieren. Die Fördersummen würden dieses Defizit auch nicht annähernd ausgleichen.

Warum Fördergelder nicht beansprucht werden

rbb24 Recherche hat bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gefragt, wer das Förderprogramm nutzt. Nur die Gewobag schreibt, dass sie mit den Zuschüssen 484 Wohnungen saniert. Sie weist aber auch darauf hin, dass das Berliner Förderprogramm "nicht auskömmlich" sei. Nur in der Kombination mit anderen Förderbausteinen sei bei den Sanierungsprojekten eine ausgeglichene Bilanz zu erwarten - aber erst in 20 Jahren.

Private Wohnungsunternehmen meiden das Förderprogramm komplett. Bauunternehmer Marcus Becker von der Firma KondorWessels modernisiert ein Haus im Auftrag eines Eigentümers in Charlottenburg - ohne Zuschüsse aus dem Förderprogramm SWM 2023. 48 Seniorenwohnungen werden trotzdem energetisch erneuert, weitere 90 zusätzlich neu gebaut. Nur über die höheren Mieten für die Neubauwohnungen rechne sich das Ganze, erklärt Becker. Denn die Kosten für die Sanierung könnten nicht komplett auf die bestehenden Mietene umgelegt werden. Doch diese Investitionskosten müssten irgendwann wieder reinkommen, meint der Bauunternehmer. Mit einer zu starken Deckelung der Mieten ginge das nicht.

Aber wenn Förderprogramme "falsch aufgestellt" seien, so Marcus Becker, würden sie eben kaum in Anspruch genommen - mit Folgen: "Wir haben einen Riesenbedarf an energetischer Sanierung, aber momentan wird kaum saniert."

Senator: "Kein Rundum-Sorglos-Paket für Immobilieneigentümer"

Das Förderprogramm SWM läuft noch bis Ende 2025. Bausenator Christian Gaebler (SPD) erklärt, es werde überprüft und überarbeitet, sofern Rückmeldungen aus der Wohnungswirtschaft dies erforderlich machten. "Wir werden uns jetzt noch ein bisschen angucken, wie die Nachfrage ist. Und sicherlich Anfang nächsten Jahres überlegen, ob wir nachsteuern und ob wir andere Schwerpunkte setzen", sagt er im Interview mit dem rbb.

Zu der Kritik der Wohnungsunternehmen, die Sanierung lohne sich wegen der vorgegebenen Mietdeckelung letztlich nicht, erwidert der Senator "Es wird nicht funktionieren, dass wir ein Rundum-Sorglos-Paket für Immobilieneigentümer schnüren." Die Eigentümer dürften nicht vergessen, dass durch die Sanierung der Wert der Wohnungen steige.

Riesenbedarf für energetische Sanierung

500.000 Wohnungen müssen in den kommenden zehn Jahren in Berlin auf einen neuen energetischen Standard gebracht werden. Doch 2023 wurden nur Zuschüsse für 848 Wohnungen bewilligt. 2024 sind Anträge für 185 Wohnungen gestellt worden, bewilligt sei noch keiner, teilt die Senatsbauverwaltung mit. Bis jetzt wurden 100 Millionen Euro Fördermittel noch nicht genutzt.

Wenn in dem alten Mietshaus in der Kastanienallee die Kohleöfen durch Geothermie und Solarstrom ersetzt werden, reduziert sich der C02-Verbrauch massiv - um 95 Prozent. "Das ist da Bestmögliche, was man aktuell hinkriegt in der CO2-Einsparung und in der Energieeinsparung für die Menschen”, sagt David Robotham von der "Selbstbau"-Genossenschaft. Doch momentan ist nicht klar, ob sie in das Förderprogramm passen.

Die Genossenschaft hat alles versucht, um die Sanierung zu realisieren, hat die gesamte Förderlandschaft durchforstet und einen Kredit aufgenommen. Die Mieter haben Genossenschaftsanteile eingezahlt und sich zu moderaten Mietsteigerungen bereit erklärt. Doch wenn das Programm die Mieterhöhung auf 7,20 Euro pro Quadratmeter nicht zulässt, bleibe das Vorhaben unbezahlbar, sagt Jarmila Dürholt. "Das ist unser Zuhause. Und wenn wir das nicht hinbekommen, dieses Haus sozial nachhaltig instand zu setzen und zu modernisieren, können wir hier nicht wohnen bleiben."

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.11.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Ute Barthel und Jana Göbel, rbb24 Recherche

Kommentar

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56 Kommentare

  1. 56.

    Es scheint so, als wenn Sie Unmoralisches im Sinn haben...Andere sollen (ab)geben...am Besten Ihnen...

  2. 55.

    "Warum geht es immer um Geld?"
    Zusammenfassend, ohne Moos nichts los, auf Vermieter und Mieterseite. Eigentlich ganz einfach.
    Der Einzige, der für seine Arbeit auch noch zahlt ist wohl Spongebob.

  3. 54.

    Würde mich interessieren, wie die "Selbstbau Genossenschaft" mit der "Erdwärme" den CO2 Verbrauch um 95 Prozent reduzieren kann und dabei mit 7,20 Euro pro Quadratmeter Miete auskommt.

  4. 51.

    Weil ich eine Eigentumswohnung habe und die jährliche Aufstellung der Kosten von einem Mehrfamilienhaus und die dazugehörige Kalkulation für zukünftige Instandhaltungen kenne und somit Ahnung davon habe, wieviel die Instandhaltung und Pflege ect. von einem Mehrfamilienhaus kostet und wieviel von so einer Miete am Ende übrig bleibt oder eben auch nicht. Aber sie scheinen fest daran glauben zu wollen, dass das möglich ist und wollen sich offensichtlich auch nicht näher damit befassen, also gebe ich an dieser Stelle auf.

  5. 50.

    Woher wissen Sie das? Ich glaube nicht, dass alle Vermieter die selben Voraussetzungen haben. So wie das auch überall sonst nicht der Fall ist

  6. 49.

    Wir sprachen aber davon, dass er eine Miete nimmt, die nie und nimmer die Kosten deckt. Hätte er also kein Privatvermögen, wäre das Haus irgendwann nicht mehr bewohnbar und die Mieter säßen auf der Straße. Und er selbst müsste Privatinsolvenz anmelden. Davon hätte dann wohl niemand etwas.

  7. 48.

    Wie !!! schon sagte lässt sich nicht pauschal so sagen, denn mit Privatvermögen sind oft auch Abhängigkeiten vorhanden, daher kann so ein Verhalten auch zu Problemen führen, wenn vielleicht auch nicht mit dem Mieter, dann vielleicht - um mal ein harmloses Beispiel zu nennen - mit der Grosstante im Altenheim die kein Weihnachtsgeschenk bekommt. etc.

  8. 47.

    Warum überhaupt Privatvermögen? Er bekommt ja Miete. Es wird immer so getan, als würden die Menschen umsonst wohnen. Es gibt auch Unternehmer, die machen keine Gewinne, sondern finanzieren nur ihren Lebensunterhalt. Und falls er Privatvermögen einsetzt, um anderen eine bezahlbare Wohnung zu finanzieren, dann ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut vor ihm...

  9. 46.

    Nein man kann das Gefühl auch haben wenn man es sich finanziell nicht leisten kann. Wie gesagt es kann ein mehr oder weniger schmerzhafter Konflikt sein. (siehe Kommentar 41)

  10. 45.

    Klar kann das sein und dann ist es ein toller Mensch, der sein Privatvermögen nutzt, um seinen Mietern ein schönes Leben zu finanzieren. Aber die wenigsten Vermieter haben ein gigantisches Privatvermögen, auf das sie zurückgreifen können. Und wenn Vermieter nur noch der sein kann, der bereit ist anderen mit seinem Vermögen, dass wohnen zu finanzieren, dann viel Spaß. Dann sind die meisten Vermieter raus.

  11. 44.

    Das weiß ich nicht, kann es mir aber nicht vorstellen. Als ihr Herd kaputt ging, boten sie an, selber einen neuen zu kaufen, aber der Hausbesitzer hat gesagt, dass er das macht. Das komische in diesem Land ist, dass sich Menschen nicht über positive Beispiele freuen und sagen, vielleicht kann ich auch etwas besser machen, wenn ich kann, sondern immer nur das Schlimmste erwartet wird. Vielleicht ist der Hausbesitzer einfach furchtbar nett und sozial, oder gläubig oder ein Menschenfreund und warum auch sollte er das nicht sein

  12. 43.

    Ja, natürlich kann es das geben, und zwar auf freiwilliger Basis und wenn man es sich leisten kann. Aber es gibt keinen Zwang dazu. Und nicht jeder Vermieter hat die finanziellen Mittel, um andern Menschen das Leben zu subventionieren. Und nicht jeder Mieter ist ein armes, bedürftiges Häufchen Elend. Aber jede Person hat ja die Möglichkeit jemanden zu Unterstützen, der sich seine Miete nicht leisten kann. Das muss ja dann nicht unbedingt der Vermieter sein. Ich bin mir sicher, sie finden auch jemanden in der Nachbarschaft. Sie haben ja scheinbar ein unendlich großes Herz und genug finanzielle Mittel…

  13. 42.

    Das sieht man hier in der Buggenhagenstraße, eine Seite der Erich-Kuttner-Straße und der Franz-Jacob-Straße. Erstbezugsfertig 1936. Wenn die Heizsaison anfängt, heizt man für draußen mit. Unter der GSW wurde nichts getan. Genauso nachdem die GSW durch die Deutsche Wohnen übernommen wurde.

  14. 41.

    Gegenüber fremden Personen kann es natürlich ein Gefühl von Verantwortung geben, wenn Sie z.B. eine alte Person, die ihr ganzes Leben in einer Wohnung verbracht hat und keine Aussicht auf irgendeine passende Alternative hat, wegen ihrer persönlichen oder der Haussituation kündigen müssen, dann kann das regelrecht "schmerzen"- je nach vorhandener Empathie. Das heisst das hängt schon auch von der Vermieterpersönlichkeit ab. Wie man an kriegerischen Handlungen sieht gibt es auch Leute, die sich nicht mal von Eigentumsregelungen abhalten lassen und die Leute einfach "rauskicken" bzw. gar gleich umbringen.

  15. 40.

    Sagen wir es doch ganz direkt. Wenn man sich die in die Jahre gekommende Hinterhof-Immobilie mit starkem Modernisierungsrückstand ansieht, niemand wird da ins Obligo gehen und "energetisch sanieren", bei den gegenwärtigen Randbedingungen der diversen gesetzlichen "Deckel". Die Finanzierungsvorstellungen der Mieter und der reale Finanzbedarf für eine durchgreifende energetische Sanierung passen nicht zusammen.

  16. 39.

    Also es klingt so, dass zb in der oben beschriebenen Wohnbaugenossenschaft im Moment ein Zielkonflikt herrscht. Man kann die Mieten nicht beliebig erhöhen, weil dann so manche Mitbewohner, mit denen vielleicht zb sogar auch Freundschaften bestehen die Miete nicht mehr zahlen können, andererseits muss das Haus dringend saniert werden.

  17. 38.

    Möchte gerne mal wissen, warum manche glauben, dass eine Privatperson ( in diesem Fall der Vermieter) die finanzielle Verantwortung für eine ihm absolute fremde Person ( in diesem Fall Mieter) haben sollte. Das wäre das gleiche, als würde jemand ihnen monatlich einen mehrstelligen Betrag vom Konto abbuchen, weil irgendjemand in ihrer Nachbarschaft, den sie nur vom sehen kennen finanzielle Probleme hat und Unterstützung braucht. Für sowas gibt es staatliche Unterstützung, die jeder von uns bezahlt. Dafür ist nicht der Vermieter in der Verantwortung. Und nochmals, wenn Vermieter beim Vermieten draufzahlen wird es irgendwann niemand mehr machen.

  18. 37.

    Ich schrieb unter 8 €/m² lässt sich eine Wohnung heute nicht mehr wirtschaftlich vermieten. Diese ganzen Mietendeckel sind Gift für Mietwohnungen, also werden diese in Eigentumswohnungen umgewandelt und die Mieter rausgeklagt.
    Was als Mieterschutz gedacht war geht so nach hinten los.

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