"Business Improvement Districts" - So will der Senat gegen Leerstand in Berliner Einkaufsstraßen vorgehen

Di 24.12.24 | 06:23 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Zahlreiche Menschen, zum Teil mit Einkaufstaschen, gehen über eine Einkaufsstraße in der City West. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
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Audio: rbb24 Inforadio, 27.12.2024, Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Schon länger ist sichtbar, dass Berlins Einkaufsstraßen und -zentren wirtschaftliche Probleme haben. Der Senat will mit gezielter Förderung gegensteuern, doch die Idee von mehr "Business Improvement Districts" hat auch Kritiker. Von Sebastian Schöbel

Dass viele Berliner Einkaufsstraßen und -zentren Unterstützung brauchen, ist spätestens seit der Pleite von Galeria Karstadt Kaufhof klar. Im Juni hatte der Senat eine gesamtstädtische Strategie beschlossen, mit der vor allem zwölf Zentren speziell gefördert werden sollen. Schon damals wurde die Hoffnung geäußert, dass sogenannte "Business Improvement Districts" Teil der Lösung sein könnten. Nun wurde das entsprechende Gesetz im Abgeordnetenhaus verabschiedet.

Die Idee ist eigentlich recht simpel: Geschäftstreibende in einem Kiez tun sich zu einer Interessensgemeinschaft zusammen, um die lokale Einkaufsstraße oder gar mehrere Straßenzüge aufzuwerten. "Sauberkeit, Beleuchtung, Bepflanzung, gemeinsame Aktionen, an bestimmten Tagen besondere Angebote für die Bürgerinnen und Bürger", fasst Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) die Möglichkeiten zusammen. Sie verweist auf das wohl bekannteste Vorbild in der Stadt: Den Tauentzien, wo sich 2016 eine Gemeinschaft von Grundstücksbesitzern, die bereits in der AG City engagiert waren, zusammentat, um die Straße zu verschönern - unter anderem mit einer Bepflanzung des Mittelstreifens.

Neues Gesetz soll Unternehmergemeinschaften ermöglichen

Dieses freiwillige Pilotprojekt, das 2023 auslief, soll nun zur Regel werden: Durch ein neues Gesetz, das gerade im Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde, will das Land Berlin mehr solcher Unternehmergemeinschaften ermöglichen, vor allem in den wirtschaftlich angeschlagenen Zentren. "Es wird eine Frage der Initiative der Geschäftsleute sein", so Giffey, "und wenn die dann sagen, wir brauchen dabei Unterstützung, dann werden wir die geben."

Als Vorgabe gilt: Mindestens 15 Prozent der Grundstückseigentümer in einem ausgewählten Gebiet – zum Beispiel einer Einkaufsstraße - müssen gemeinsam den Antrag auf Einrichtung einer solchen Standortgemeinschaft beim jeweiligen Bezirk stellen. Wird er bewilligt, sind dann allerdings auch alle Grundstückseigentümer in diesem Gebiet verpflichtet, sich finanziell zu beteiligen - gemessen an der Grundsteuer, die sie bezahlen.

Gennburg (Linke): "Das ist eine reine Touri-Ökonomie"

Die Gemeinschaft muss regelmäßig zusammenkommen und beraten, welche Aktionen sie durchführen. IHK-Präsident Sebastian Stietzel betont: Mitglieder sind die Grundstückseigentümer, nicht die Geschäftstreibenden, und sie entscheiden nicht nur über Pflanzkübel und Straßenfeste. "Insofern ist ein Stück weit eine Abstimmung über die Durchmischung des Angebotes da schon möglich." Die "Business Improvement Districts" können also mitentscheiden, welche Läden es in der Gegend überhaupt gibt.

Damit hat Linken-Politikerin Katalin Gennburg ein Problem. Sie befürchtet, dass dadurch kleine Eigentümer von großen Unternehmen ausgebootet werden könnten. "Die großen Zentren in Berlin bieten inzwischen nur das Gleiche an, da sind immer die gleichen Konzerne unterwegs", so die Stadtentwicklungsexpertin. "Das ist null attraktiv, das ist eine reine Touri-Ökonomie, und die bringt uns alle gemeinsam nicht voran."

Sie fordert eine Zentrenpolitik, die vor allem auch kleine Gewerbe fördert. Und Gennburg befürchtet, dass die "Business Improvement Districts" die Gestaltung öffentlicher Räume in die Hand von Unternehmen legen und damit privatisieren.

Senat will jeden "Business Improvement District" mit bis zu 300.000 Euro fördern

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler von der SPD weist das allerdings zurück. Grundlage der Gemeinschaften sei, dass die Anlieger einer Geschäftsstraße gemeinsam Geld in die Hand nehmen, um zum Beispiel Werbeaktionen oder Verschönerungsmaßnahmen zu finanzieren. "Die Geschäftsleute zahlen, und zwar alle müssen mitmachen, auf eigene Kosten, nicht auf Kosten der Kunden oder Passanten."

Der Senat will jeden neuen "Business Improvement District" mit bis zu 300.000 Euro fördern. Wann der erste startet, ist bislang allerdings offen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.12.2024, 08:00

Beitrag von Sebastian Schöbel

38 Kommentare

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  1. 38.

    Das ist für mich in trauriges Dasein, aber allein Ihr Problem. ich bevorzuge Spaziergänge mit Einkauf! Man lernt Menschen kennen und führt teils lustige Smalltalks, auch unter der Gürtellinie. Wenn man z.B. auf das Thema Milchtrinken kommt und ich einer Frau von der neusesten Kohorten-Studie der Upsalla-Uiversität in Stockholm erzähle: ,,Frauen, die besonders viel Milch trinken, haben ein größeres Risiko für Verengungen der Herzkranzgefäße oder sogar für Herzinfarkte. Ab mehr als 300 Milliliter Kuhmilch pro Tag steige das Risiko, bei 400 Millilitern um 5 Prozent, bei 800 Millilitern um 21 Prozent.'' löst das beim gegenüer schon Erschrecken aus! ich trinke wenig Milch, aber viel Joghurt, also nehe auch ich relativviel mIlch zu kir, allerdings ist es bei den Männern nicht so schlimm, wie bei den Frauen.

  2. 37.

    Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Ich bestelle nur online oder kaufe dort, wo ich als Autofahrerin auch willkommen bin und parken kann.

  3. 36.

    Ein wenig Allgemeinkritik ist kein Grund beleidigend zu werden, Sie Ärmste. Kurzwaren bei Galeria gar im beim China-Kramladen - also nee - ich gehe zu Patch-it, Nuno, Dalink ... Je nachdem was es werden soll - und meine Kunden geben mir recht ;-).

  4. 35.

    Geht man aufmerksam durch die Stadt fällt auf, dass die gesamte "Mitte" fehlt! Entweder Billig-Läden oder sehr hochpreisige Läden. Wo ist der 'Mix'?

  5. 33.

    In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage auf, womit die Immobiliendealer Geld verdienen (wollen). Schicker Leerstand, ein bisschen angestabt, andesrwo, dann schnell alles kurz und klein geshlagen - auch Zeit lässt die Geldzeichen inden Augen größer werden. Fragt sich wohl, ob das viele (nicht stinkende) Geld auch mal den letzten Gehirnwindungsgang erreicht, dass Besitz auch - sozialen - Frieden stiften muss. Was nutzt einem Immobilienbesitzer die teure Immobilie, wenn sich der Gast/Besucher abwendet. Berlin ist trotz gewiss gr. Tourismuszahlen, die sicher diesen u jenen EUR in der Stadt lassen, eben nicht die Stadt der Schwerreichen, die mit den Euronen nur um sich werfen. Es muss schon zum Anliegen der Ödstädtler mit den vollen Geldkonten werden, wenigstens Otto-Normalo-Geschäfte in seinen heiligen Hallen zu fördern. Geht man aufmerksam durch die Stadt fällt auf, dass die gesamte "Mitte" fehlt! Entweder Billig-Läden oder sehr hochpreisige Läden. Wo ist der 'Mix'?

  6. 32.

    Sie meinen sicher den Kiez, oder? Nur können sich kleine Läden eben nicht halten, weil sie viel teurer ein- und damit wieder verkaufen müssen. Vom Tratsch mit den Nachbarn kann auch Tante Emma nicht leben.

  7. 31.

    Verstehe das Gejammer nicht. Wenn die Politik mich als Autofahrer als unerwünscht erklärt, aber dann jammert, dass die Einkaufsstraßen veröden. Ich bestelle nur noch online.

  8. 30.

    Etwas kurzsichtig gedacht. Die Grundbesitzer der Zentren ist meist ein Unternehmen, daß sich dann die Förderung unter den Nagel reißt.
    Freie Marktwirtschaft bedeutet eigentlich etwas anderes.
    Hier wird wieder mal den Lobbyisten von CDU und SPD mit der Gießkanne Geld verteilt.
    Angenehmer für die Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt wäre die kietze zu fördern.
    Warum nicht mal nen " Tante Emma) Laden unterstützen, der nicht nur Einkaufstempel ist, sondern Begegnungsstätte im kietz

  9. 29.

    Weil sich Autofahrer und Radfahrer/E-Scooterfahrer nicht an die Regeln halten und die Fussgänger bedrängen!

  10. 27.

    Ich erinnere mich noch an Zeiten als Kind (Ü60zig) und im Westen geboren, da ging es zum Einkaufen mit den Öffis in die Stadt und dann per Pedes weiter! Erst die Autos und die Räder/E-Scooter haben die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten massiv verschlechtert, da man als Fussgänger extrem behindert wurde. Nur ist Berlin nicht bereit für reine Fussgängerzonen um das Erlebnis eines Einkaufsbummels zu ermöglichen. Man will ja einen Drive-In. Zuletzt sogar einen Radfahrer in einer Mall gesehen!

  11. 26.

    KI wird das schon regeln, weis künftig eh was ich brauche, wo(her) ich es bekomme, und auf welchen Wege.
    Diverse Apps und Websites setzen ja auch auf Personenbezogene Werbung mit anschließenden Konsum.
    Und das persönliche Schwätzchen kann man dann auch beruhigt mit "Alexa" führen.

  12. 25.

    „Lieber Begegnungsstätte als Konsumtempel“
    Geschätsviertel sind Begegnungsstätten. Wer will schon vielfältige Lebensfreude abschaffen?

  13. 24.

    Lieber Begegnungsstätte als Konsumtempel.

    Mit dem Fahrrad zum integrativen Häkelcafe für alleinstehende Ex-Konsumopfer.

    Das hat Mehrwert und für die Unverbesserlichen gibt's Fl*nk Amaz*n und co.

    #habenundsein

  14. 23.

    "die fehlenden Autoschalter beim Kurzwarenladen." Sie wissen aber schon, was "Kurzwaren" sind?
    Oder sind Sie die Tellerlippen- und Handfegerwimpern-Dame, die ich mal bei Galeria danach fragte und die mich völlig entgeistert angesehen hat. Gefunden habe ich das Gewünschte letztlich beim China-Kramladen.

    Es gibt leider gar keine schönen Einzelhandelsgeschäfte mehr. Und die Malls? Alles die gleiche billige Ramschware.

  15. 22.

    Das ganze ist doch sehr einfach. Man braucht eine Möglichkeit, Einkäufe bei lokalen Geschäften auch nach Hause zu transportieren. Wenn das mit dem Auto nicht mehr möglich ist, kann ich nur noch kleine Einkäufe lokal machen. Dann muss ich eben alles andere online bestellen und ein Einkaufsbummel fällt flach. Man kann nicht beides haben. "Auto weg" und "lokale Geschäfte" passt einfach rein logisch nicht zusammen.

  16. 21.

    "Die Geschäftsleute zahlen, und zwar alle müssen mitmachen, auf eigene Kosten, nicht auf Kosten der Kunden oder Passanten."
    Und die legen dann die Kosten nicht auf die Ladenmieter und diese wiederum die erhöhten Mietkosten nicht auf die Kunden um? Und warum sollte sich ein Grundstückseigentümer so etwas überhaupt ans Bein binden? Ich sehe nicht, wie das Konzept überhaupt funktionieren soll, wenn die eigentlichen Betreiber der Läden vor Ort gar nicht involviert sind? Und, was soll der Zwang? 15 von hundert sagen ja und dann sind alle anderen gezwungen mitzumachen?
    Das ist genau so eine Totgeburt, wie das Vermarktungskonzept zum ICC.


    Gruß
    Navan

  17. 20.

    Pflanzkübel!? Schon wieder eine Grüne Verschwörung!

    Was wir brauchen ist die Tauentzien in eine fette Autobahn umwandeln, ohne Tempolimit!

    Sonst ist es vielleicht sinnvoller das Geld in die Forschung zu investieren - wie ein Zeitmaschine um die Gründung von Amazon und die Erfindung von Smart-Phones oder Online-Werbung zu verhindern.

  18. 19.

    Wenn Sie das nicht mehr brauchen, gut. Warum aber schreiben Sie im Plural und nehmen sich das Recht heraus, für andere zu entscheiden?

    Ohne Gruß
    Navan

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