Baupfusch am Hauptbahnhof - Berliner Fahrgastverband kritisiert Deutsche Bahn wegen Humboldthafenbrücke

Di 28.03.23 | 21:07 Uhr | Von Christina Moebus
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Die Humboldthafenbrücke, vom und zum Berliner Hauptbahnhof führend, am 24.08.2021 (Quelle: imago images / K-H Spremberg).
Video: rbb|24 | 29.03.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: www.imago-images.de

Der Beton bröselt unter der Humboldthafenbrücke am Berliner Hauptbahnhof - jetzt muss die Konstruktion komplett erneuert werden. Damit sind auch die Bauarbeiten für die S-Bahnlinie S21 vorerst gestoppt. Von Christina Moebus

Seit mehr als zehn Jahren wird an der City-S-Bahn - auch bekannt als S21 - gearbeitet. Immer wieder hat sich ihr Bau verzögert. Jetzt hat der "Spiegel" [Bezahlschranke] aufgedeckt, dass der Beton an der Humboldthafenbrücke auf der Ostseite des Berliner Hauptbahnhofs nicht richtig hält. Und dadurch dürften sich zumindest Teile des Großbauprojekts nochmals um Jahre verspäten.

Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB, zeigt sich frustriert. Die Deutsche Bahn würde in der Kommunikation rund um die geplante neue Verkehrsader eine "Salamitaktik" fahren, sagt Wieseke dem rbb. "Jetzt kommt immer mehr heraus, dass sich eine Großbaustelle entwickelt." Dass es Mängel am Beton der Humboldthafenbrücke gebe, sei eine völlig neue Erkenntnis und komme noch zu den anderen bereits bekannten Problemen hinzu: Unter anderem sei der Tunnel für die geplante neue S-Bahn zu eng, sagt Wieseke.

Archivfoto: Die Berliner Humboldthafenbrücke am 27.10.1999, damals gerade erst neu gebaut (Quelle: dpa / Bernd Settnik).
Ein Bild aus optimistischeren Tagen: Da befand sich die Humboldthafenbrücke noch im Bau - dass damals offensichtlich gepfuscht wurde, stellte sich erst 24 Jahre später heraus. | Bild: Zentralbild

Mängel wurden offenbar nur zufällig entdeckt

1999 war die Humboldthafenbrücke fertiggestellt worden. 2008 wurde sie noch mit dem "Deutschen Brückenbaupreis" ausgezeichnet. Wenige Jahre später begann ihr Glanz aber bereits zu bröckeln: 2013 musste sie aufwändig repariert werden. Die Verbindungsteile zwischen den Betonelementen waren Schwachstellen, die Brücke musste deshalb drei Monate lang für den Nah- und Fernverkehr gesperrt werden.

Spätestens 2021 aber war endgültig klar: Beim Bau der Brücke wurde gepfuscht. Im Rahmen einer Sanierung sei 2021 und 2022 zufällig die fehlerhafte Betonage am Trägerrost festgestellt worden, stellte die Bahn intern fest. Die Mängel unterhalb des Stahl-Beton-Bauwerks seien erheblich größer als erwartet. "Der Spiegel" hatte dazu ein internes Konzernpapier zitiert.

Bahn schließt Gefahren für Passagiere eigenen Angaben zufolge aus

Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband sieht durch die nun bekanntgewordenen Mängel eine Menge Probleme auf Fahrgäste zukommen, wie er sagt. Er fordert eine transparente Kommunikation von Seiten der Bahn. Abgesehen davon wünsche er sich "Sperrungen, die auf die Belange der Fahrgäste Rücksicht nehmen". Eine komplette Sperrung des Hauptbahnhofs komme nicht in Frage, sagt Wieseke.

Der bereits bestehende Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr rollt aktuell weiter wie gewohnt. Die Humboldtbrücke ist eine der meistbefahrenen Bahnbrücken Berlins. Gerade hält sie dank einer Hilfskonstruktion, die wegen des Baupfuschs Anfang 2022 errichtet worden ist - für etwa zehn Millionen Euro. Aber ist sie auch sicher? Die Deutsche Bahn bejaht das auf Anfrage von rbb|24. Sie schließe jegliche Gefährdung für Passagiere im Zusammenhang mit der Brücke aus. Diese werde "permanent online überwacht". Der bröselnde Beton wurde laut des Unternehmens auch nicht an anderen Brücken der Deutschen Bahn in Berlin oder Brandenburg verbaut.

Die Berliner Verkehrsverwaltung hofft einer Sprecherin zufolge auf schnelle Lösungen. In einem schriftlichen Statement an rbb|24 teilt sie mit: "Je eher die S21 nutzbar ist, desto besser." Die Strecke sei eine wichtige Verbindung zur Verknüpfung des Hauptbahnhofs mit den nördlichen und südlichen Stadtgebieten.

Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB (Quelle: Privat)
Wirft der Bahn "Salamitaktik" vor: Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. | Bild: Privat

City-S-Bahn soll Strecke über die Friedrichstraße entlasten

Die geplante City-S-Bahn führt vom Nordring (zwischen den Stationen Wedding und Westhafen) über den Hauptbahnhof und den Potsdamer Platz hin zur Yorckstraße. Damit soll der Hauptbahnhof für Passagiere aus allen Himmelsrichtungen erreichbar werden. Laut einer Prognose der DB würden täglich 42.000 Passagiere den neuen Halt am Hauptbahnhof nutzen - und damit die bestehende Strecke über die Friedrichstraße entlasten. Diese wird aktuell von etwa 120.000 Fahrgästen täglich genutzt.

Wie genau es jetzt mit dem Pannenprojekt weitergeht, teilt die Deutsche Bahn auf Anfrage von rbb|24 noch nicht mit. Auch zu den Mehrkosten äußert sich das Unternehmen nicht. Der Schaden müsse erst einmal vollständig begutachtet werden. Die Bahn muss selbst dafür aufkommen, die Haftung ist verjährt.

Allerdings hält die Bahn eigenen Angaben zufolge an dem Plan fest, den nördlichen Teilabschnitt zwischen dem S-Bahnhof Wedding und einem provisorischen Haltepunkt am Hauptbahnhof noch Ende 2023 in Betrieb zu nehmen. Insgesamt seien drei Bauabschnitte geplant. Dass die S21-Strecke wie ursprünglich geplant im Jahr 2026 fertiggestellt wird, ist inzwischen ausgeschlossen - wann die ersten Fahrgäste sie nutzen können, ist vollkommen offen.

Eine Grafik der geplanten Nord-Süd-S-Bahnstrecke, genannt S21. Die Fertigstellung wird durch neuerdings bekanntgewordene Probleme an der Humboldthainbrücke erneut verzögert (Quelle : rbb).
Die geplante Strecke der "S21". | Bild: rbb

Sendung: rbb24, 28.03.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Christina Moebus

21 Kommentare

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  1. 21.

    Zustände wie in einem Bananenstaat. Offensichtlich waren entweder die Zuschlagstoffe oder der Zement zu weng oder von schlechter Qualität. Wie kann so etwas an einer derart extrem teueren Baustelle passieren? Da muss auch Korruption im Spiele sein, bei den diversen Vorschriften für die Güteüberwachung solcher Großbaustellen.

  2. 20.

    Wie kommen Sie auf den Gegensatz von günstigen Mobilitätskosten für den Einzelnen (Fahrscheine)
    und die Finanzierung und Instandhaltung der Infrastruktur?
    Zum Einen waren nun mindestens schon 30 Jahre Fahrscheine gar nicht günstig. Schon gar nicht billig.
    Zum Anderen ist aber auf dem Preisniveau die Infrastruktur verkommen.
    Richten soll es einmal mehr der Merksatz: Kosten sozialisieren. Gewinne privatisieren.

    Günstige Fahrscheine ist übrigens Ordnungspolitik. Nichts anderes als "Entlastungsprogramme für die Wirtschaft"
    Subventionen wollen sie alle haben - anders gesagt: An die Budgets der öffentlichen Haushalte.
    Aber wenn der Fahrgast das will, dann ist das plötzlich absurd, unbescheiden, der Schädling der Ökonomie...

    Neee Leute. So nicht.

  3. 19.

    Es ist mir noch immer schleierhaft,was die Norsüd S Bahn unter dem Hbf. mit einer schadhaft Brücke im westlichen oberirdischen Zulauf zum Hbf zu tun hat,zumal ja der SBahnhof im Rohbau schon gebaut sein soll.Ich werde den Eindruck nicht los,dass da vom Nahverkehrsberater der CDU bei den Koalitionsverhandlungen und gleichzeitigem Mitarbeiter der DBAG wieder eine selbst gemachte Bauverzögerung auf höhere Gewalt geschoben werden soll.Das ist ja die übliche ÖPNV Planung in Betlin,im Gegensatz zu Str

  4. 18.

    "...der reagiert auf so ein Angebot natürlich nur mit Polemik. Es gibt genug "Bahnhasser" in Deutschland."
    Ich fahre nur Rad und Bahn - man muss also kein "Bahnhasser" und "Polemiker" sein (nett, wie Sie andere abqualifizieren), um festzustellen, dass hier Milliarden für billige Fahrscheine verpulvert werden, anstatt grundlegend zu investieren.
    Ist ja nicht so, dass es da nichts zu tun gäbe - ich sage nur Deutschlandtakt schon 2070. Oder auch gar nicht mehr?

  5. 17.

    "Baue auf und reisse nieder, hast Du Arbeit immer wieder."
    Ganz egal, ist ja alles Wirtschaftswachstum, also was Gutes, was wir ja alle wollen... :-)

  6. 16.

    Solche Bauprojekte wurden und werden ausgeschrieben. Zur damaligen und auch zur heutigen Zeit gewinnt häufig das „wirtschaftlichste Angebot“, das zu einem grossen Teil von der veranschlagten Summe beeinflusdt wird. Man kann es etwas zynisch als Leistung der Bauunternehmen auffassen, dass der minderwertige Beton erst nach Verjährungsfrist für Haftungsansprüche auffiel. Da wurde aus dem A14-Bau gelernt! Haben möchte man hochertig, kosten soll es ganz ganz wenig. Das geht eben nicht.

  7. 15.

    Oh da wird ja dem Pfusch Tür und Tor geöffnet, wenn die Haftungspflicht so kurz ist.
    Eigentlich müsste der Erbauer jetzt für den ganzen Mist gerade stehen.

  8. 13.

    Tja - nur ist Ihre, keine ganz redliche Betrachtung des Sachverhaltes. Seiner Geschichte. Seines Kontextes.
    Was die Baumängel am Hauptbahnhof betrifft, darf man die, oder eine Ursache vielleicht im zeitgenössischen Kosten- und Rationalisierungsdruck sehen als der Bahnhof errichtet wurde. Das hat ihm ja schon ein kürzeres Dach beschert.
    Ich wäre Ihnen verbunden, Sie machten nicht letztlich Fahrgäste dafür verantwortlich, will Politik und Konzernleitung schöngerechnet an der Börse gut da stehen. Ist keine ganz neue Erkenntnis, dass dieser Parameter, diese Konzentration in der Wirtschaft öfter Mal dem eigentlichen Betriebszweck widerspricht. Volkswirtschaftlichen Zwecken sowieso.
    Selbstverständlich kann über Fahrpreise nicht Jahrzehnte Rückstand bei der Instandhaltung von Infrastruktur finanziert werden. Haben Fahrgäste zudem nicht zu verantworten. Sowenig wie Baumängel. Betrugssoftware in Autos. Oder die Börsennotierung von Renten.

  9. 12.

    Hört sich nach Ringbahn an, am Besten irgendwas als Begründung an einer Strecke nennen womit der Ring nichts zu tun hat.

  10. 11.

    Wie alt war beim Abriss die genietete Vorgängerbrücke, als das Ding noch Lehrter Bahnhof hieß? Irgendwie Man den Eindruck, dass die alten S-Bahnen von 1928 erheblich zuverlässiger waren als die computergesteuerten neuen Baureihen, die alten Brücken ohne Experimente für mindestens 100 Jahre gebaut wurden und die Handhebel-Stellwerke nicht dauernd Computerausfälle hatten. Das funktionierte bei gleichem Takt wesentlich besser. Sobald die Computersteuerung Einzug hielt...naja, kennt man ja vom heimischen Rechner mit dem amerikanischen Betriebssystem.

  11. 10.

    „Baue auf und reisse nieder, hast Du Arbeit immer wieder“.
    Ist denn noch niemandem aufgefallen, dass heutzutage nicht mehr für die Ewigkeit gebaut wird? Ob Gebäude, Strassen oder Brücken…die Ausschreibung gewinnt der, der am Billigsten! baut, auf Kosten der Mitarbeiter oder eben auch auf Kosten des Materials und sowas wird bei der Bauabnahme auch noch durchgewunken…. „Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“

  12. 9.

    Weiterhin ist mir unklar, warum die oberirdischen Baumängel an der einen Strecke zur massiven Verzögerung an der unterirdischen S-Bahn führen sollen.

  13. 8.

    Aber alle vier Antworten sind auch sachlich richtig: Person im Gleis bedingt Polizeieinsatz, Polizei ist eine Behörde, diese Maßnahme stört den Betriebsablauf. Positiv gesagt: Es wird nicht langweilig ;-)

  14. 7.

    Falsch. Infrastruktur-Vorhaben und Baupfusch der DB werden nicht durch das 49-Euro-Ticket finanziert. Das 49 Euro-Ticket ist ein Angebot von Bund und Ländern, um in wirtschaftlich schweren Zeiten Menschen mit geringem Budget den Umstieg auf die umweltfreundliche Bahn zu ermöglichen. Es ist ein Teil der Sozialpolitik und Förderung des Bahnverkehrs. Klar: Wer unter "Verkehr" ausschließlich nur das eigene Auto versteht, der reagiert auf so ein Angebot natürlich nur mit Polemik. Es gibt genug "Bahnhasser" in Deutschland.

  15. 6.

    Waren die vor ca. 150 Jahren errichteten Kopfbahnhöfe* doch günstiger und sicherer (Anhalter, Görlitzer, Lehrter, Potsdamer, Stettiner). Jetzt schneller und günstiger mehr Straßenbahnen bauen für den innerstädtischen Verkehr?!
    Sanierung und Ausbau der überdimensionierten Stadtautobahn scheinen leider immer noch wichtiger zu sein.
    Die ehemaligen Berliner Güterbahnhöfe werden aktuell auch mit Gebäuden bebaut. Verkehrswende?!
    Vergleiche dazu auch die Kosten vom anderen S21: Stuttgart 21.
    * https://berlingeschichte.de/bms/bmstxt01/0103detb.htm

  16. 5.

    Na dann jetzt erstmal wie üblich 10 Jahre den Neubau planen bis die Brücke komplett auseinander fällt. Dann jahrelange Vollsperrung und Neubau mit mehrfach Verschiebung der Fertigstellung... Bauen das können wir. Willkommen im Deutschland des 21. Jahrhunderts

  17. 4.

    Ich halte die geplante S21 für überflüssig und bautechnisch zu kompliziert bzw. teuer. Der Hauptbahnhof ist gut genug erreichbar und es gibt ja noch andere Fernbahnhöfe in Berlin.

  18. 3.

    Jo, besser kann man es nicht zusammenfassen. Ansonsten, die mit der größten Klappe sind meistens am wenigsten qualifiziert etwas zu beurteilen und tragen auch selten irgendwelche Verantwortung.

  19. 2.

    Mein Eindruck ist, dass bei der Deutschen Bahn AG oftmals die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Das ist nicht nur bei der Humboldthafenbrücke so, sondern auch dann, wenn es sich um die fast schon Newspeak-eingekleidete "Störungen im Betriebsablauf" handelt: Es gibt Zug-Ansagen so, als hätte der Zufallsgenerator des Computers die Abfahrten der Züge bestimmt, die mit der vorfindbaren realen Situation nichts zu tun hat. Analog die Begründungen.

    Fahrgäste stehen achselzuckend auf dem Bahnsteig. Ein ausgefallener Zug fährt nicht wegen "Störung im Betriebsablauf", wegen "eines Polizeieinsatzes", wegen "einer behördlichen Maßnahme" oder "wegen Personen im Gleisbett": vier verschiedene Begründungen für ein und demselben Umstand, durchgesagt bei vier verschiedenen Zügen auf der Strecke im gleichen Zeitraum.

    Ähnlich und analog muss es sich bei dieser Brücke zugetragen haben.

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