Gestank und tote Fische im Landwehrkanal - Wenn das Bakterium triumphiert, frohlockt der Reiher

Sa 24.06.23 | 12:04 Uhr
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Mehrere Reiher warten am Salzufer auf vorbeitreibende Fische (Bild: rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 21.06.2023 | Antje Tiemeyer | Bild: rbb

Dass Berlin hin und wieder mal etwas riecht, wundert hier kaum jemanden mehr. Aber am Charlottenburger Landwehrkanal war der Gestank in dieser Woche bestialisch. An den im Kanal kürzlich gefundenen toten Fischen liegt es allerdings nicht. Von Yasser Speck

Der Landwehrkanal bedeutet für viele Berliner und Touristen normalerweise venezianisches Feeling, Feierabendbier am Wasser oder Schlauchboot-Touren an einem sonnigen 1. Mai. Landwehrkanal heißt aber auch immer wieder: tote Fische, die jeden Sommer mit dem Bauch nach oben an den feiernden Mengen vorbeiziehen.

Der Kanal führt einmal quer durch Berlin. An seinem Charlottenburger Abschnitt - am Salzufer - stank es in dieser Woche wie auf einem Fischgroßmarkt, der seine Ware etwas zu lange in der Sonne hat stehen lassen. Man könnte vermuten, dass es an toten Fischen im Kanal liegt, von denen die Berliner Behörden kürzlich alleine 2,5 Kubikmeter aus dem Wasser holten. Doch die verursachen den Gestank nicht.

Bakterien verursachen den Gestank

Der Gestank, der in dieser Woche am Landwehrkanal in Charlottenburg zu riechen war, kam von Bakterien. "Dahinter steckt eine Biosynthese", erklärt Derk Ehlert, Stadtnaturexperte bei der Senatsverwaltung für Umwelt. Grund für den fischigen Geruch sei ein biologischer Prozess.

Kürzlich gelangte bei starkem Regen viel organische Substanz die Gewässer: zum Beispiel Hundekot oder Blüten. Diese Stoffe werden mit dem Regen vom Gehweg in den Kanal gespült. "Wenn die ins Wasser kommen, dann stürzen sich viele Bakterien darauf und bauen die ab. Dabei entsteht Methylisoborneol", erklärt Ehlert. Und Methylisoborneol, eine chemische Verbindung, riecht für Menschen faulig und fischig. "Dieser Gestank, wie er im Landwehrkanal zu riechen war, kommt also häufig nicht vom toten Fisch, sondern von den Bakterien."

Besonders am Morgen sei der Gestank besonders stark, erklärt Ehlert. Über Nacht gebe es wenig Wind. "Dann kann sich der Geruch zum Beispiel an Brücken aufstauen." Deshalb können diese Gerüche morgens besonders intensiv sein. Diejenigen, die morgens über die Marchbrücke liefen oder radelten, traf es also vermutlich besonders. Derk Ehlert vergleicht den Geruch mit dem von Kläranlagen: "Das sind ganz ähnliche Prozesse."

Ein Sauerstoff-Schiff soll Fische retten

Die Bakterien brauchen, während sie ihren Gestank verursachenden Prozess begehen, Sauerstoff. Den brauchen aber auch die Fische aus dem Landwehrkanal zum Überleben. Wenn nun viele Blüten und andere organische Substanzen im Wasser landen, verbrauchen die Bakterien viel - oder zu viel - Sauerstoff. Die Fische ersticken. Deshalb kommt es oft - wie auch nach dem Starkregen Mitte Juni - zum Fischsterben.

Damit weniger Fische mit dem Bauch nach oben in Berliner Kanälen treiben, dreht das Schiff "Rudolf Kloos" seit Freitag wieder seine Runden. Die "Rudolf Kloos" fährt in der Dunkelheit unter anderem durch den Landwehrkanal und pustet Sauerstoff ins Wasser, damit Barsche, Plötzen und Rotfedern überleben können.

"Running-Sushi" für Reiher

Die toten Fische, die durch den Kanal treiben, sehen für Menschen nicht sonderlich appetitlich aus. Anders ist das bei Reihern: Den Vögeln läuft beim Anblick der toten Barsche, Plötzen oder Rotfedern das Wasser im Schnabel zusammen.

Entsprechend fanden sich am Donnerstag Reiher zu einem Festmahl am Landwehrkanal zusammen. Angelockt vom faulig-fischigen Geruch machten sie es sich auf Pollern gemütlich und genossen das heranschwemmende Mahl. Ein Sushi-Laufband für die Reiher.

Sendung: rbb|24 Abendschau, 21.06.2023, 19:30 Uhr.

6 Kommentare

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  1. 6.

    Noch besser wäre es natürlich wenn einfach weniger Dreck auf den Straßen, Wegen und Plätzen landen würde. Was gar nicht da ist, muss auch nicht gefiltert werden.
    Bis auf die Blätter und Blüten kommt da nix von allein hin.

  2. 5.

    Es gibt viele Projekte, die sich dem Regenwasser annehmen: Matthias Barjenbruch mal suchen...
    Im Tagesspiegle war dazu zu lesen, das auch für Regenwasser Filtersysteme erforscht werden.

    Die Berliner Wasserbetriebe btreiben 15 Retentionsbodenfilter Quelle: www.ag-wasser.de/abwasserbilanz/wp-content/uploads/barjenbruch_vortrag_2013-12-16.pdf
    Projekt NaReFil & kuras
    Und auch sonst, bei normalen Niderschlagsmengen, wird geforscht. Filter die Feststoffe filtern und Absprachen mit der Straßenreinigung, das vor signifikanten Niederschlägen gekehrt und gebürstet wird.
    www.tu.berlin/siwawi/forschung/projekte/projektseite-urbanfilter
    Und bei all dem, muss es aufhören das gedämmte Fassaden mit Fungiziden in den Farben bestrichen werden!
    www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/giftige-chemikalien-in-regenwasser-nachgewiesen/
    Alternative :https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/online-magazin/forschen-und-entdecken/algen-statt-giftstoffe-auf-hausfassaden

  3. 4.

    In Berlin hat man einige Erfahrung mit Stauhaltung über die Schleusen, vorrangig an der Havel.
    Wenn die Spree ausreichend Wasser nachliefern würde, könnte man da schon kurzzeitig etwas Bewegung reinbringen. Aber ob das für eine signifikante Fließgeschwindigkeit reicht ist zu bezweifeln. Das Gefälle reicht da einfach nicht aus. Die paar m Höhenunterschied auf einige Dutzend km. Und Spülen verlagert das Problem nur nach Brandenburg und löst es nicht.
    Wenn das ein dauerhaftes Problem ist, müssen auch dauerhafte nachhaltige Lösungen her.
    Die BWB sind da aber gut dran, nicht einfach und auch nicht billig aber Problem ist erkannt und wird bearbeitet.
    An der Emscher hat man es hinbekommen die Flusskläranlage vor der Mündung außer Betrieb zu nehmen, weil der Fluss sicher abwasserfrei ist. War aber auch dreckiger und hat einige Jahre gedauert. Ebenfalls dicht besiedeltes Gebiet von daher ist der Vergleich mit der Spree nicht so verkehrt.

  4. 3.

    Ich habe mal am Zusammenfluss von Spree, Landwehrkanal und Charlottenburger Verbindungskanal gewohnt. Die Spree fließt so langsam, dass ich an manchen Tagen bei Westwind den Eindruck hatte, sie fließt in Richtung Osten. Ich denke, da kann man nichts durchspülen, da die nötige Fließgeschwindigkeit fehlt, ganz abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, die Spree mal eben umzuleiten.

  5. 2.

    Frage an Mitleser mit vor-Ort-Kenntnissen: Kann man den Landwehrkanal nicht einfach mit frischen Spreewasser einmal durchspühlen?

  6. 1.

    Glückwunsch an den Photographen vom Aufmacherbild. Super getroffen die Szene.

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