Kommentar - Woidke droht mit Abschied: Ist da einer amtsmüde?

Fr 02.08.24 | 17:15 Uhr
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ARCHIV - 08.07.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in der Staatskanzlei. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Video: rbb24 | 02.08.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke knüpft seine politische Zukunft an das Wahlergebnis der AfD. Ein riskanter Schachzug, der schnell nach hinten losgehen könnte, meint Michael Schon.

Die oder ich. Alles oder nichts. Landet Dietmar Woidke mit seiner SPD nach der Wahl hinter der AfD, ist er raus aus der Landespolitik. Trotzig, fast beleidigt klingt sein Satz, der in die Geschichte dieses Wahlkampfs eingehen wird: "Na, dann bin ich nicht mehr da, Punkt."

Damit hat Woidke eine politische Bombe gezündet, verbunden mit der Hoffnung, dass die Detonation alle aus dem Schlaf reißt, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben: Gewinnt am 22. September die AfD, dann steht Brandenburg als Land da, in dem Rechtsextremisten mehrheitsfähig sind. Also aufwachen, Woidke wählen.

Woidke spielt seine Trumpfkarte. Er weiß, dass kein Politiker im Land bekannter ist als er, geschweige denn beliebter. Darauf setzt er alles. Ist das klug?

Gut möglich, dass die Brandenburger am liebsten ihn weiter an der Spitze der Landesregierung hätten. Schon sprechen politische Gegner von emotionaler Erpressung. Man könnte auch sagen: Er setzt auf die volle Mobilisierung seines Wählerpotenzials.

Das ist riskant. Es ist nicht ausgemacht, dass Woidkes Beliebtheitswerte die SPD auch diesmal wieder auf Platz eins bringen. Im Gegenteil: Die SPD steht im Bund historisch schlecht da. Von Rückenwind kann keine Rede sein. Eher weht den Genossen in Brandenburg Gegenwind aus Berlin ins Gesicht, in Orkanstärke. Dazu kommt, dass das BSW in Umfragen auch deshalb so gut dasteht, weil auch SPD-Wähler mit dem Wagenknecht-Bündnis liebäugeln. Reicht das Wählerpotenzial noch für einen Woidke-Sieg? Zur Erinnerung: Es gab schon einmal einen SPD-Regierungschef, der es auf eine ähnliche Machtprobe angelegt hat. Der hieß Gerhard Schröder und verlor 2005 die Bundestagswahl.

Die SPD hat ein Problem, wenn es Woidke ähnlich geht. Landet sie auf Platz zwei, müsste sie eigentlich eine Koalition gegen die AfD schmieden – dann aber ohne erfahrenen Steuermann. Dafür mit der Gefahr, dass in der Partei ein Machtkampf ausbricht, der jetzt im Wahlkampf Tabu ist. Von einer belastbaren Nachfolgeregelung für Woidke ist nichts bekannt. Zwar wird Finanzministerin Katrin Lange als Kronprinzessin gehandelt. Allerdings werden auch SPD-Fraktionschef Daniel Keller und Kulturministerin Manja Schüle Ambitionen nachgesagt.

Dazu kommt die Frage, ob Woidkes Ansage von potenziellen Wählern überhaupt als Weckruf verstanden wird. Wirkt das nicht eher so: Die Kraft, nach einer knappen Niederlage aufzustehen, das Krönchen zu richten und nach der Macht zu greifen, hätte er nicht mehr. Ist da einer amtsmüde?

Dieser Eindruck wird verstärkt, weil seine Absage an den unbedingten Regierungswillen eher nebenbei fiel, im schnodderigen Woidke-Slang, am Rande einer Wahlplakate-Präsentation. Fernsehkameras liefen nicht. Es werden Erinnerungen wach an die auf einem Parkplatz in der Prignitz hemdsärmelig abgesagten Kreisreform vor sieben Jahren. Einfach mal einen raushauen. Aus dem stolzen "Die oder ich" wurde so auch ein "Dann halt nicht".

Die SPD dürfte dies alles in Wallung versetzt haben. Ihre Hoffnung muss jetzt sein, dass nicht zu viele Brandenburger einfach mit der Schulter zucken.

53 Kommentare

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  1. 53.

    Die Wirtschaft ist jetzt schon am abstürzen. Natürlich haben da die ganz Rechten Schuld dran. Wer denn sonst?

  2. 52.

    Bekanntlich soll man Reisende nicht aufhalten. Gute Reise Herr Woidke.

  3. 51.

    Bin heute den Usedomradweg bis Prenzlau gefahren. In den vielen kleinen Dörfern hängen derzeit fast nur AFD Plakate.
    Haben die Demokratischen Parteien auf dem Land etwa schon aufgegeben? Es ist ein gefährliches Spiel was Sie betreiben Herr Woidke und schade das wohl wohl niemand mehr Kämpfen möchte gegen Rechts.

  4. 50.

    Schon verstanden. ;-)
    Aber wo ist ein Nachfolger in der Brandenburger SPD mit Format, der sich auch als späterer Ministerpräsident empfehlen würde - darf natürlich auch eine Frau sein.

  5. 49.

    Naja, wird nicht gerade die Rente mit 70 für ,Schreibtischtäter' diskutiert ;-)

    P.S. Etwas böse, konnte jetzt aber nicht anders.

  6. 48.

    "Herr Woidke wird für Brandenburg dringend gebraucht." Hat denn die SPD kein jüngeres Personal zu bieten als Nachfolger? Woidke wird im Oktober immerhin schon 63, würde also im öffentlichen Dienst noch während der Legislatur in Rente eingentlich gehen.

  7. 47.

    Herr Woidke wird für Brandenburg dringend gebraucht.

  8. 46.

    Es ist Wahlwerbung, in der Wahrnehmung nicht einmal versteckt. Es ist noch mehr, wenn Sie genau die Artikel beobachten. Auch wie sie verfasst sind. In der Anzahl und Wortwahl und über der anderen Parteien miteingeschlossen. Der rbb wird politisch wie wahrgenommen? Und erreicht damit nur ca. 1/3 der Meinungen von Lesern?

  9. 45.

    Es geht um eine Beschränkung. Deswegen insgesamt max. zwei Legislatur-Perioden.

  10. 44.

    Bis auf die Aussage "Natürlich gibt es eine sinnvolle Alternative ! " kann ich Ihrem Kommentar nur zustimmen!
    So wird das nichts!

  11. 43.

    "2 Wahlperioden ausreichend sind. " Ich würde es nicht ganz so streng formulieren. Meinetwegen kann ein Ministerpräsident auch mehr als zwei Wahlperioden gewählt werden, aber dann höchstens zwei in direkter Folge. Dann wäre die dritte vielleicht als 80Jähriger, aber wer will schon solche alte Regierungschefs noch haben.

  12. 42.

    "Ich bin echt sprachlos, da wurden mehrere Parteien im Juni so deutlich abgewatscht wie lange nicht mehr und die Arroganz der Abgewatschten steigert sich trotzdem tagtäglich weiter?! Macht weiter so und ihr werdet in der Bedeutungslosigkeit verschwinden……."
    Auch dies ist ein Punkt warum, wie in # 6.Lausitzer bereits erwähnt, 2 Wahlperioden ausreichend sind.


  13. 40.

    Natürlich gibt es eine sinnvolle Alternative ! Aber aus machttaktischen Gründen schießt man schon lange aus allen Rohren und ist bedient sich vieler, zum Teil auch miesen Tricks. Trotzdem steigen die Umfragewerte weiter. Woran kann das denn bloß liegen ? Die Frage hat sich anschneiend noch gar keiner gestellt. Ganz im Gegenteil. Man ignoriert unangenehme Fragen, geht diesen bewusst aus dem Weg und fährt stattdessen lieber schmutzelnde Kampagnen, die auch in der Rückschau so gut wie verpufft sind. Dann wundert man sich auch noch, dass die eigenen Zahlen und der Zuspruch, trotz massiver Medienunterstützung, wie Eis in der Sonne schmelzen.

  14. 39.

    Woidke droht? Geht’s noch?!
    „Minister“ heißt übersetzt „Diener“ und Diener haben mit überhaupt nichts zu drohen!

    Liebe Politiker, wenn ihr nur noch eitel eure eigenen Interessen im Vordergrund seht und aus Trotz den Wählerwillen ignoriert dann tretet gefälligst zurück oder erst überhaupt nicht an, die Bevölkerung ist eurer Auftraggeber und nicht umgekehrt……“wer Woidke will wählt SPD“ ist schon eine Frechheit für sich, Drohungen sind definitiv eine Grenzüberschreitung die die Wähler hoffentlich entsprechend quittieren werden.

    Ich bin echt sprachlos, da wurden mehrere Parteien im Juni so deutlich abgewatscht wie lange nicht mehr und die Arroganz der Abgewatschten steigert sich trotzdem tagtäglich weiter?! Macht weiter so und ihr werdet in der Bedeutungslosigkeit verschwinden…….

  15. 38.

    Die WELT titelt am 1.8.2024 im Gegensatz zu Ihnen : „Deutschlands Deindustrialisierung hat begonnen“
    Die Zahl der Industrieunternehmen, die an Abwanderung aus Deutschland denken, steigt kontinuierlich, wie eine neue Umfrage zeigt. Besonders unter den Großunternehmen ist die Lage dramatisch. Die Wut richtet sich auf die Ampel. Sie habe in der entscheidenden Standortfrage Lösungen ausgespart.

  16. 37.

    Totaler Unsinn. So ein Machtmensch wie MP Woitke macht bis zur Politikerrente weiter oder anders ausgedrückt bis sein Ostsee voll ist. Und das kann noch 20 Jahre dauern. Es ist ein rein taktisches Manöver.

  17. 36.

    Wahlwerbung?
    Wenn, dann eher Negativ- Werbung.
    Eine schodderige nebenbei Bemerkung, als die Fernsehkameras nicht liefen war es, und nach neumodischer Journalistenmanier, wird dies zum wochenlangen Aufhänger hochstilisiert.

  18. 35.

    Ich werde ihn nicht vermissen.

  19. 34.

    Ich finde es vollkommen legitim, wenn man immer die erste Geige gespielt hat, nicht mehr die zweite Geige spielen zu wollen. Warum soll ein Politiker, der viel geleistet hat, für sein Land sich nicht auf die Ruhebank setzen dürfen? Weiterhin betrachte ich sein Statement nicht als Ultimatum oder Arroganz der Macht.

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