Hauptrunden-Aus der Eisbären - "Die Kopf-Rechnerei im Bett, was alles noch möglich wäre, hat auch endlich aufgehört"
Auch die Fanszene der Eisbären Berlin blickt auf eine verkorkste Eishockey-Saison zurück. Zum ersten Mal seit 22 Jahren ist der Klub nicht in den Playoffs dabei. Woran es mangelte und wie die Anhänger das Hauptrunden-Aus aufnehmen.
Es ist ein gelassener Satz kurz nach einem historischen Aus. "Wir Älteren haben schon Schlimmeres erlebt, das lässt sich alles irgendwie verkraften", sagt Eisbären-Fan Ingo Schröter im Gespräch mit rbb|24. Hinter dem kurzen Wort das steckt das bittere Ergebnis einer völlig verkorksten Saison. Erstmals seit 22 Jahren finden die Playoffs in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ohne die Berliner statt - und damit ohne den Meister der Vorsaison. So spektakulär stürzten zuletzt die Krefelder Pinguine im Jahr 2004 ab.
Bei den Eisbären hatte es bis kurz vor knapp noch eine Resthoffnung auf die Playoffs gegeben. Doch auch die zerplatzte am letzten Spieltag am vergangenen Sonntag endgültig: Die Eisbären verloren zuhause gegen Schwenningen, Konkurrent Frankfurt gewann gegen Augsburg. Das endgültige Ende. Schröter - 60 Jahre alt und Redakteur des Eisbären-Fanzines "Eis-Dynamo", das seit 1993 über den Klub berichtet - ist darüber fast ein wenig erleichtert: "Die Last von den Schultern ist weg, die Kopf-Rechnerei im Bett, was alles noch möglich wäre, hat auch endlich aufgehört."
Wenige Aufs und häufige Abs
Es sind Worte, die zeigen, wie nervenaufreibend die Spielzeit für die Eisbären-Anhänger war. Der letzte Heim-Auftritt - das 3:4 gegen Schwenningen - passte perfekt ins Gesamtbild der wenigen Aufs und häufigen Abs. Die Eisbären gaben erst eine scheinbar sichere Führung aus der Hand, kämpften sich dann wieder zurück - doch am Ende reichte es eben nicht.
"Irgendwie war noch alles möglich und dann doch nicht", sagt Jens Wilke, Redakteurskollege von Schröter beim Fanzine "Eis-Dynamo". "Man konnte sich ja die ganze Saison darauf vorbereiten, wenn man es böse meint. Es war nichts Überraschendes, aber leichte Enttäuschung ist da." Denn bis zuletzt hatte Wilke, der seit 35 Jahren beim Eishockey auf der Tribüne zuhause ist, doch noch auf das Happy End gehofft. Wenn der Klub es doch noch in die Playoffs geschafft hätte, "hätte die Mannschaft schon ihren Flow gefunden und mindestens im Halbfinale gespielt", glaubt er.
Wilke: "Einige haben hemmungslos geheult"
Das Aus sehe er entspannter als manch junger Fan, sagt Wilke. In der Heimkurve am Sonntag "haben schon einige hemmungslos geheult", berichtet er.
Auch den Spielern des Rekordmeisters geht es nicht anders: "Der Frust ist sehr groß", gab Nationalspieler Marcel Noebels zu. "Wenn man für die Eisbären spielt, möchte man nicht am 5. März in Urlaub gehen."
Die Eisbären werden die Zeit nutzen, um sich zu hinterfragen. "Es gibt nichts schönzureden", sagte Geschäftsführer Thomas Bothstede, als das Aus besiegelt war: "Wir werden jetzt ein, zwei Nächte schlafen. Dann wird jeder Stein umgedreht." Ein erstes Ergebnis der Bestandsaufnahme gibt es bereits. Auf der Trainerposition setzt der Klub auf Konstanz. Serge Aubin bleibt für das Team verantwortlich. Am Dienstag verlängerten die Eisbären mit dem 48-Jährigen Kanadier.
Die Goalies im Fokus
Aubin wird auch mit gefordert sein bei der Ursachenforschung für die Katastrophen-Saison. Die Probleme lägen aus seiner Sicht "tiefergründig", hatte Wilke schon vor der Verlängerung gesagt. "Der Trainer war vielleicht selbst ein stückweit machtlos." Etwa bei der Kaderplanung von Sportdirektor Stephane Richer.
Nicht nur bei den "Eis-Dynamo"-Redakteuren Schröter und Wilke besonders im Fokus: die Goalies. Mit dem 20-jährigen Finnen Juho Markkanen und dem deutschen Nachwuchstalent Tobias Ancicka in die Saison zu gehen, war ein Wagnis - und es erwies sich als zu riskant. Während Ex-Keeper Mathias Niederberger in München überzeugte, schafft es das Eisbären-Duo in keiner Statistik in die Top-Ränge. Daran änderte auch nichts, dass Ancicka zulegte. "Er ist zwar einer der talentiertesten Torhüter der Liga, aber beim Deutschen Meister in die erste Profisaison als Nummer eins zu starten, war eine Fehleinschätzung", sagt Wilke.
Leistungsträger: Verletzt oder im Teilzeit-Tief
Vor dem teils unsicheren Torhüter-Duo wackelte auch die Abwehr. Kai Wissmann - vor der Saison kurzfristig in die NHL zu den Bosten Bruins gewechselt - fehlte schmerzhaft. Langzeit-Verletzte, Leistungsträger im Teilzeit-Tief oder fehlende Breite im Kader taten ihr Übriges. "Dazu kam dann auch die Verunsicherung durch unnötige und selbst verschuldete Niederlagen", sagt Wilke.
Die Eisbären steckten in der Abwärtsspirale - und wehrten sich (zu) wenig. Die Meister-Mannschaft kam nicht klar mit der für sie neuen Situation. "Teilweise hatte man den Eindruck, dass manche satt waren und im Kopf mit der Meinung herangegangen sind: 'Wir schaffen das, wir sind gut.'" Nun geht es darum, den Kader umzubauen - und damit auch in einen jüngeren, mit neuem Erfolgshunger. Leicht wird das nicht. "Man kann jetzt aber auch nicht 15 Spieler austauschen. Wenn klar ist, dass die Eisbären Granaten suchen, werden die auch noch ein bisschen teurer", sagt Wilke.
Galgenhumor statt Unmut
Es wird also auch darauf ankommen, die aufstrebenden Spieler weiter zu fördern, die bei allem Frust Mut gemacht haben: Eric Mik, Maximilian Heim oder Bennet Roßmy. Für sie wird es auch darum gehen, die geschundene Fan-Seele wieder aufzubauen. "Wir haben uns in der Liga mehr oder weniger lächerlich gemacht und bekommen die Häme auch zu spüren. Aber da muss man drüberstehen", sagt Schröter. Nun sei es wichtig, auf die Spieler zu setzen, die bereit seien, "die Schmach dieser Saison wieder geradezubiegen".
Erstmal müssen die Eisbären-Fans nun aber den Gegnern beim Kampf um die Meisterschaft zuschauen. "Es herrschte eher Galgenhumor und wir machen jetzt erst mal Sommerpause, obwohl Playoff-Wetter ist", schildert Schröter seine Beobachtungen nach dem letzten Saisonspiel am Sonntag im Fanbogen, wo sich der harte Kern der Eisbären-Fanszene trifft. Und auch Wilke sagt: "Letzte Saison haben wir die knappen Spiele gewonnen, dieses Jahr eben verloren. Da kommt dann eins zum anderen." Großer Unmut hört sich anders an.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.03.2023, 11:14 Uhr