Fünf Zweitliga-Thesen von Friedhelm Funkel - Vom bescheidenen Hertha BSC bis zum herausragenden Max Kruse

Mi 19.07.23 | 12:08 Uhr
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Friedhelm Funkel als TV-Experte vor einem Spiel. Quelle: imago images/Nordphoto
Bild: imago images/Nordphoto

Über 800 Spiele hat Friedhelm Funkel in der 1. und 2. Bundesliga als Trainer geleitet - 33 davon bei Hertha BSC. Auch aus der Trainer-Rente verfolgt er die Ligen weiter genau. Fünf Thesen zur neuen Zweitligasaison.

Friedhelm Funkel sitzt im Auto und ist auf dem Weg nach Neuss. Während andernorts die Trainingslager der Mannschaften aus der 1. und 2. Bundesliga laufen, besucht der 69-Jährige seine Mutter. Seitdem er 2021 den 1. FC Köln vor dem Abstieg gerettet hat, ist Funkel in Trainerrente.

Das Geschehen in den zwei Bundesligen verfolgt der einstige Trainer von Hertha BSC dennoch weiterhin eng: "Ich bin gut informiert, lese viel, schaue viel und habe Kontakt zu ehemaligen Spielern und Funktionären", sagt er. Grund genug, zehn Tage vor Herthas Auftaktspiel in Düsseldorf (29. Juli, 20:30 Uhr) zusammen mit Funkel fünf Thesen zur neuen Zweitligasaison aufzustellen.

1. Hertha sollte nicht vom direkten Wiederaufstieg sprechen

Friedhelm Funkel: "Es ist ganz schwer vorherzusagen, wo der Weg von Hertha im ersten Zweitligajahr hingeht. In den vergangenen Jahren habe ich nicht viel Gutes von Hertha gehört und gesehen. In der Transferpolitik ist vieles schiefgelaufen und es wurden zu hohe Ablösen und Gehälter für Spieler bezahlt, die nicht eingeschlagen sind.

Ich hatte nie das Gefühl, dass eine richtige Mannschaft zusammengestellt worden ist. Auch mit den Trainern hatte Hertha zuletzt wenig Glück. Bezeichnend war für mich, dass Hertha in Jahren, in denen es nicht so gut lief, das Ziel formuliert hat, in drei bis fünf Jahren zu den Top-Klubs der Bundesliga zu gehören. Das Anspruchsdenken war völlig unrealistisch. Und wenn das der Fall ist, wird es meist auch sportlich schwierig.

An einen direkten Abstieg in die 3. Liga glaube ich nicht. Aber jetzt vom direkten Wiederaufstieg zu sprechen, wäre aus meiner Sicht auch ein Fehler. Es sollte darum gehen, sich zu stabilisieren. Keiner weiß, wie Herthas Mannschaft am ersten oder auch am fünften Spieltag aussehen wird. Deswegen sollte man bescheiden bleiben und dann schauen, was dabei rumkommt. Ich schließe den Aufstieg zwar nicht aus, aber dafür muss sehr viel positiv laufen. Und in den letzten Jahren ist bei Hertha eben viel negativ gelaufen - davon muss man sich auch erstmal lösen."

2. Pal Dardai ist der richtige Trainer für Hertha

Friedhelm Funkel: "Pal muss jetzt beweisen, dass er der richtige Trainer für Hertha in der 2. Bundesliga ist. Er hat dort noch nie trainiert und das ist auch nicht einfach. Aber ich glaube, dass er der richtige Mann ist. Es ist sehr wichtig, dass er die Rückendeckung der Fans hat, gerade dann, wenn es zum Start holprig laufen sollte. Mir gefällt, dass Pal sehr durchsetzungsfähig ist und sagt: 'Mit faulen Menschen arbeite ich nicht.' In der zweiten Liga musst du eine Mannschaft haben, die arbeitet und viel läuft. Heidenheim ist die laufstärkste Mannschaft Deutschlands und so zuletzt in die Bundesliga aufgestiegen.

Hertha wird nächste Saison mehr den Ball haben und muss trotzdem hinten gut stehen. Es wird vielleicht noch ein bisschen härter zugehen - mit mehr Zweikämpfen und Körperlichkeit. Das weiß Pal aber, weil genau das früher als Spieler seine Stärken waren. Er muss das nun auch seinen Spielern vermitteln und dazu den Willen in die Mannschaft zurückbringen, den Glauben und die Leidenschaft. Pal muss Selbstbewusstsein und Vertrauen ausstrahlen. Er muss stark vorangehen und ich glaube, dass er das auch kann."

3. Der Vorfall rund um Marius Gersbeck bringt auch in Herthas Mannschaft Unruhe

Friedhelm Funkel: "Mein erster Gedanke als ich die Geschichte gehört habe, war ehrlich gesagt: 'Wie blöd kann man eigentlich sein?' Blöd, doof, dumm - man kann es ausdrücken, wie man will… Es ist doch klar, dass solche Dinge heutzutage an die Öffentlichkeit kommen. Und natürlich sorgt der Fall wieder für Unruhe in den Medien, im Verein, aber auch innerhalb der Mannschaft.

Mir sind auch mal zwei Spieler im Trainingslager ausgebüxt und haben sich nach dem Zapfenstreich aus dem Hotel geschlichen. Ihr Pech war, dass sie in den gleichen Laden gegangen sind, in dem ich mit meinem damaligen Sportdirektoren saß. Sie wollten dann schnell und unauffällig zurück ins Hotel, aber wir hatten sie halt gesehen. Sie hatten die Wahl: eine richtig harte Einheit am Nachmittag oder ich schicke sie nach Hause. Aber die zwei haben sich auch nicht geprügelt, was grundsätzlich zu verurteilen ist.

Ich weiß natürlich nicht, ob er angegangen, provoziert oder beleidigt wurde. Das alles spielt aber eine große Rolle bei der Frage, wie man mit dem Spieler umgeht. So wie es im Moment aussieht, spricht allerdings vieles für einen Rauswurf."

4. Der Hamburger SV steigt endlich auf, unten ist alles offen

Friedhelm Funkel: "Es wird einen kleinen Favoritenkreis um den Aufstieg geben: der HSV, Schalke 04, der FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf. Vielleicht auch noch Hannover, das sich letzte Saison unter Wert verkauft hat. Eine Überraschungsmannschaft könnte Kaiserslautern werden, die haben sich mit viel Euphorie nochmal verstärkt.

Die Teams, die aufsteigen wollen, brauchen Geschlossenheit und eine gute Defensive. Der HSV hat letzte Saison den Aufstieg verpasst, weil er von allen Top-Mannschaften die meisten Tore kassiert hat. Wenn er dieses Jahr nicht aufsteigt, dann steigt er nie wieder auf… Ich glaube aber, dass es diese Saison klappt. Die Mannschaft hat mit ihrer Art zu spielen zuletzt das Publikum hinter sich gebracht und sich nochmal verstärkt. Der nächste Anlauf wird jetzt also mit viel Euphorie genommen – aber diesmal muss der HSV es auch schaffen.

Wer absteigt, ist völlig offen. Auch die Aufsteiger aus der dritten Liga - egal, ob Osnabrück, Elversberg oder Wehen Wiesbaden - stehen auf keinen Fall schon als Absteiger fest. Magdeburg hat sich letzte Saison nach anfänglichen Problemen freigespielt, und auch Braunschweig und Rostock konnten die Klasse halten. Ich finde es also wahnsinnig schwer zu sagen, wer am Ende in den Abstiegsstrudel reingezogen wird."

5. Ein fitter Max Kruse wird in der 2. Bundesliga herausragen

Friedhelm Funkel: "Max ist ein Riesenfußballer und eine tolle Verpflichtung für Paderborn. Dass auch der Trainer dort ihn gerne haben wollte, ist wichtig. Sie haben sich mit ihm auseinandersetzt und wissen, dass du Max nicht in ein Schema pressen kannst, weil du dann seine Stärken verlierst. Deswegen bin ich überzeugt, dass sie ihm in Paderborn viele Freiheiten lassen werden und er 60, 70 Minuten lang richtig guten Fußball spielen wird. Er hat ein herausragendes Auge und kann mit einem Pass die gesamte Abwehr ausspielen. Er sieht und antizipiert Dinge, die andere Zweitligaspieler eben nicht sehen. Wenn er gesund bleibt, wird er damit in der 2. Bundesliga herausragen.

Ich bin auch sehr gespannt auf Levin Ötzunali in Hamburg. Er ist aus meiner Sicht eine sehr gute Verpflichtung, weil er viele verschiedene Positionen sehr gut spielen kann. Damit wird er dem HSV kommende Saisons sehr helfen. Und bei Schalke natürlich Simon Terodde – das Urgestein der 2. Bundesliga. Ich bin gespannt, ob er es nochmal schafft, so viele Tore zu schießen, wie in seinen bisherigen Zweitligasaisons."

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 6:15 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Ob Gersbeck erst beleidigt wurde und "dann erst" einen Menschen krankenhausreif geprügelt hat, spielt also eine Rolle?

    Ich als Amateurfußballer hätte dann schon auf dutzende Gegenspieler einprügeln "müssen".

    Wahnsinn ey...

  2. 3.

    Schön, dass sich hier Leute melden, die sich im Innenleben und der Zukunft des BCC777 auskennen. Das ist schön.
    Wer Ahnung hat, sollte sich äußern dürfen. Nur, wo waren die "Experten" in der letzten, vorletzten, ... Saison, wo der BCC777, wie schon seit langen Zeiten davor, abkackte?

  3. 2.

    Na da habe ich aber gerade auch einen Kommentar gesehen, der nicht gerade von Qualität geprägt ist. Man kann Friedhelm Funkel mögen oder nicht aber Erfahrung hat er. Was man von vielen Kommentatoren hier leider nicht sagen kann.

  4. 1.

    Funkel passt besser in die Laborsendung "Doppelpass" als auf einen Trainerposten. Seine Zeit ist nicht erst seit kurzem vorbei.
    Gut, dass kein Experte auf die Idee gekommen ist, den nach seiner Meinung zu fragen.

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