Zwangsarbeit in der DDR - Hat der Otto-Versand Kameras aus Cottbuser Zwangsarbeit verkauft?

Do 15.06.23 | 15:41 Uhr
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Eroeffnung der "Gedenkstaette Zuchthaus Cottbus" - Fassade Hafthaus 1 auf dem Zuchthausgelaende. (Quelle: dpa/Andreas Franke)
Audio: Studio Cottbus | 15.06.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Andreas Franke

Die SED-Opferbeauftragte des Bundestags erhebt in ihrem aktuellen Bericht Vorwürfe gegen den früheren Otto-Versand. Der soll DDR-Kameras aus Cottbuser Zwangsarbeit in Westdeutschland vertrieben haben. Der Konzern widerspricht.

Westdeutsche Unternehmen haben zu DDR-Zeiten in Zwangsarbeit hergestellte Produkte verkauft. Dafür sieht die SED-Opferbeauftragte des Bundestags, Evelyn Zupke neue Belege. Bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Donnerstag kritisierte Zupke etwa den früheren Otto-Versand. Dieser habe die teils von politischen Gefangenen in Cottbus produzierte Kamera "Praktica" in Westdeutschland vertrieben.

Zupke warf der Otto-Group, dem Rechtsnachfolger des Otto-Versands, dabei vor, nicht auf Gesprächsangebote ihrerseits reagiert zu haben. Die Otto-Group wies die Vorwürfe zurück.

250 bis 300 Gefangene sollen Kameras gebaut haben

In ihrem Jahresbericht erklärte die Opferbeauftragte, dass selbst das DDR-Innenministerium die Bedingungen in der Cottbuser Gefängnisproduktion kritisiert habe. Außerdem hätten die Bedingungen dem internationalen Übereinkommen zur Abschaffung von Zwangsarbeit widersprochen.

Laut einer Recherche von Zupkes Mitarbeitern waren in Cottbus 250 bis 300 politische Gefangene an der Produktion von "Praktica"-Gehäusen beteiligt. Sie sollen dabei unter mangelnden hygienischen Umständen gearbeitet haben und mit stark ätzenden Materialien in Kontakt gekommen sein. Eine westdeutsche Branchenzeitung habe 1976 über die Missstände berichtet. Mehrere Unternehmen hätten die Kamera daraufhin aus ihrem Sortiment genommen, nicht allerdings der Otto-Versand oder auch Quelle.

Zupke erklärte am Donnerstag, dass diese "exemplarische Recherche" zeige, dass westdeutsche Konzerne Waren verkauften, die von politischen Gefangenen in der DDR hergestellt wurden.

Otto widerspricht Vorwürfen

Der Konzern hält die angeführten Belege der Zwangsarbeit hingegen nicht für ausreichend. Ein Sprecher erklärte, dass es eine große Wahrscheinlichkeit dafür gebe, dass die damals verkauften "Praktica"-Modelle keine Teile aus Häfltingsarbeit enthielten. "Wir sind sehr verwundert, trotz intensiven Dialogs mit allen Beteiligten im Zentrum einer ganz offensichtlichen Kampagne der Opferverbände zu stehen und weisen die Vorwürfe entschieden zurück", erklärte der Sprecher.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.06.2023, 17:30 Uhr

20 Kommentare

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  1. 20.

    Das Wichtigste noch vergessen, solide Möbel für Ikea.
    Nicht den Bruchschrott von heute aus…

  2. 19.

    Meine erste Spiegelreflexkamera war eine Praktica, nicht bei OTTO gekauft, sondern im Fachgeschäfte, und sie war sehr günstig. Also sollen nun alle Fachgeschäfte zur Verantwortung gezogen werden? Wir wissen alle, das die DDR alles zu Geld gemacht hat um den maroden Staat aufrecht zuhalten. Das da nun politische Häftlinge involviert waren, tut mir persönlich leid. Wir alle wissen nicht wie z.b Smartphones aus zusammen gebaut werden. Ich mach mir da nicht so große Gedanken, denn die Welt ist...

  3. 18.

    Gefängnisarbeit ist heute noch üblich.
    Aber es wird kein Mindestlohn von 12 € gezahlt, sondern nur 1,50 € pro Stunde.
    Was hat das mit dem Grundgesetz zu tun?

  4. 17.

    Gefängnisarbeit ist üblich. Es wird aber kein Mindeslohn von 12 € gezahlt, sondern lediglich 1,50 € pro Stunde.

  5. 16.

    Ich kann das nicht mehr hören....es waren auch viele nicht zu Unrecht im DDR Knast......
    Nein sicherlich nicht, aber eben auch viele zu Unrecht. Und um die geht es hier auch. Ich selbst war im Jugendwerkhof und im Durchgangsheim. Im Durchgangsheim haben wir Kinder!!! Ediketten für Westdeutsche Versandhäuser hergestellt. Und zwar völlig ohne Bezahlung . Und das im Akkord unter Androhung von Strafen bei Nichterfüllung.
    Und später im Jugendwerkhof haben wir als Kinder für die Westdeutschen Hersteller Garne und Stoffe gefertigt für 150 Ostmark im Monat. Wobei uns dann noch Geld für unseren Lebensunterhalt abgezogen wurde. Und das auch unter Akkord im Dreischicht System. So und jetzt kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.
    Es war mir ein Bedürfnis die Unwissenden hier mal auf zu klären.
    Und ja die Wirtschaft im Westen wusste davon .
    Aber die Opfer sind und bleiben Opfer!!!!
    Die Anerkennung wäre schön, aber es ist wie immer....Keiner will was gewusst haben!!!!

  6. 15.

    Sie haben recht. Nur dann muss man über diese Verhältnisse aufklären. Das tut der Artikel unzureichend. ("sollen in Kontakt gekommen sein..") Das Arbeit bei Gefangenen eher sinnvoll ist, ist Stand der Erkenntnisse. Ihr Gedenkstättenbesuch ist ein guter Vorschlag.

  7. 14.

    Wer sich über die Um- und Zustände im Cottbuser Politgefängnis informieren möchte, der sollte das dort untergebrachte Menschenrechtszentrum besuchen. Es wird jedem die Sprache verschlagen. Jeder Whataboutism ist einer zuviel.

  8. 13.

    gerade die politischen Gefangenen wurden für die gesundheitsschädlichen Arbeiten eingesetzt. In der DDR gab es viele unschuldig verurteilte Häftlinge.

  9. 12.

    Otto Versand und Andere haben nicht nur Kameras in DFR Gefängissen herstellen lassen. Strumpfhosen für namenhafte Hersteller sind nur ein weiteres Beispiel. Schlimm ist, dass sch bis heute Niemand dieser Konzerne, unter anderem auch V& A und Ikea verantwortlich den Opferverbänden gegenüber fühlt. Da ist die Kinderzwangsarbeit, won der diese Konzerne profitiert haben gar nicht mitgerechnet!

  10. 11.

    Das zu viele wegen ihrer politischen Gesinnung inhaftiert waren steht ausser Frage. Es musste im Knast gearbeitet werden - die Bedingungen waren so, dass der Knastaufenthalt als Strafe empfunden wurde und eine Strafe sollte Haft auch sein. Fakt ist aber - und das sehen Sie vollkommen richtig - dass mit der Entlassung Möglichkeiten gegeben wurden, ein normales Leben zu führen.

  11. 9.

    Richtig erkannt wenn man die selben Maßstäbe ansetzen würde dürften viele Rohstoffe und Produkte nicht mehr in die EU eingeführt werden. Siehe man sich das Lieferkenngesetz an, sieht man auch wie es die Lobby geschafft hat es so zu verwässern das Betroffene deutsche Firmen nur schwer verklagen werden können. Maximaler Profit ist das Maß der Dinge und Verbraucher die bis heute lieber nicht nachfragen wollen.

    Auch damals wusste jeder wo diese Produkte herkommen und unter welchen Bedingungen diese wohl möglich produziert wurden. Nach der Wende war die neue DDR eben dann Afrika und China.

  12. 8.

    Die Firmen wussten sehr wohl, woher sie die Produkte kauften. Sie waren oft genug für Verhandlungen direkt vor Ort und haben die Situation gesehen. Das sie das heute verleugnen ist das Schlimmste. Aber bei Otto habe ich nichts anderes erwartet. Geld stinkt nicht.

  13. 7.

    Ja, wer glaubt alle Strafgefangenen waren zu unrecht inhaftiert, glaubt wohl auch an den Weihnachtsmann. Das es Leute gegeben hat die wegen der politischen Gesinnung in Haft geraten, kenne ich aus der eigenen Familie.
    Wer aus dem DDR Knast entlassen wurde, der hatte einen Wohnungsmietvertrag, einen Arbeitsvertrag und einen selbst erarbeiteten Geldbetrag in der Tasche.
    Was bekommen ehemalige Strafgefangene in heutiger Zeit wenn sie aus der Haft entlassen werden???

  14. 6.

    Was soll denn die Folge der Erkenntnis, ob ja oder nein, sein?
    Geht es um Schadenersatz wegen "stark ätzenden Materialien"?

  15. 5.

    Ich versteh das Aufbauschen "politisch Gefangene" nicht!
    Jeder Strafgefangene war in DDR verpflichtet arbeiten zu gehen.

    Wieviele gefangene Frauen haben als Näherinnen für die Hchglanzkatalogmode im Mehrschichtsystem an den
    Maschinen gesessen?
    Warum gibt es dazu keine Aufregung?
    Frage mal im Westen, woher die Möbelfronten und Arbeitsplatten kamen. Nicht weit von Cottbus -> Sprelacard
    Vermutlich ist halb "West"berlin mit Zement aus den Zementwerken in Rüdersdorf gebaut worden.

    Wer die Produktion erlebt hat, der fragt sich was dieses Geplänkel jetzt soll.

  16. 4.

    Unrecht gegen Unrecht aufzurechnen ist beliebt, um abzulenken. Hier geht es um DDR-Unrecht und nichts anderes.

  17. 3.

    Artikel 12 Grundgesetz Absatz 3:
    "Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig."

  18. 2.

    Das DDR Regime wird ja wohl nicht so doof gewesen sein, an die Produkte dranzuschreiben "Produziert unter unmenschlichen Bedingungen von politisch nach unserem Belieben verurteilten Sträflingen, die wir als unser Eigentum betrachten", oder? Potentiell konnte alles, was aus der DDR exportiert worden ist in Teilen von Zwangsarbeitern, denn nichts anderes waren die politisch Gefangenen, hergestellt worden sein. Es gab aber keine derartigen Sanktionen. Das wäre Aufgabe der westdeutschen Politik gewesen, nicht die der Firmen, die gar keine Kontrollmöglichkeiten hatten. Selbst wenn, hätte das Regime diese Kontrollen sehr leicht aushebeln können, die hatten ja nachweislich keinerlei Hemmungen, um an die harte D-Mark zu kommen.

  19. 1.

    Gibt es nicht massenhaft Produkte, die heute unter ähnlichen Bedingungen hergestellt und verkauft werden? Wenngleich man bei den Näherinnen in Bangladesch oder den Menschen, die unsere geliebten Smartphones herstellen nicht unbedingt von Zwangsarbeit sprechen kann. Aber was soll die Aufregung? Warum so überrascht? Im Kapitalismus werden Menschen ausgebeutet bzw. Produkte aus Ausbeutung gewinnbringend verkauft? Auweia! Seit wann das denn?

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