In Berlin verkehren Busse, Straßen- und U-Bahnen - Großstreik im Verkehr für Montag angekündigt - Bahn will Fernverkehr komplett einstellen
Fern- und Regionalzüge, S-Bahnen, Flugzeuge, Schiffe sowie Tunnel - die Gewerkschaften setzen am Montag bei einem bundesweiten Großstreik im Verkehr auf Eskalation. In Berlin sollen zumindest Busse, Straßen- und U-Bahnen normal verkehren.
Hinweis: Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Aktuelle Informationen zum angekündigten Streik finden Sie hier.
- EVG und Verdi rufen zu Großstreik im Verkehr am Montag auf
- Auswirkungen in der Region noch nicht vollständig abzusehen
- Fernverkehr wird eingestellt, "größtenteils kein Zug" im Regionalverkehr
- Berliner S-Bahn rechnet mit "massiven Einschränkungen"
- Tramlinien, U-Bahnen und Busse in Berlin fahren wie gewohnt
- betrifft auch Flughäfen, Schifffahrt und Straßentunnel
Im Tarifkonflikt bei der Bahn sowie im öffentlichen Dienst drohen am Montag kommender Woche die umfangreichsten Streiks seit vielen Jahren: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi riefen am Donnerstag die Beschäftigten des Verkehrsgewerbes und wichtiger Infrastrukturbereiche Deutschlands zeitgleich "in einen ganztägigen Arbeitskampf".
Die Deutsche Bahn kündigte als Folge des Warnstreiks an, den gesamten Fernverkehr am Montag einzustellen. Auch im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren", teilte der Konzern wenige Stunden nach dem Streikaufruf der Gewerkschaften mit. Der Warnstreik werde sich auch am Dienstag noch auf den Bahnverkehr auswirken, hieß es weiter.
Angesichts der "Stimmung" in den Unternehmen werde mit einer hohen Teilnahme und "massiven" Auswirkungen im gesamten Verkehrssektor gerechnet, sagte Verdi-Chef Frank Werneke.
Verdi rief bundesweit 120.000 Beschäftigte zum Streik auf, die EVG 230.000 Beschäftigte bei Bus und Bahn. Betroffen sind demnach neben dem Fern- und Nahverkehr auch alle Verkehrsflughäfen außer Berlin sowie der Schiffsverkehr (darunter die Schiffahrtsämter Eberswalde und Frankfurt/Oder).
Durch Streiks bei der Autobahn GmbH könnte es auch zu Schließungen von Straßentunneln kommen - zunächst war noch nicht klar, wo genau. "Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen", kündigte Verdi-Vize Christine Behle an. Diese würden geschlossen, die Durchfahrt sei faktisch dann unmöglich.
Auswirkungen auf die Region schwer vorherzusagen
Inwiefern der Warnstreik im Verkehrs- und Infrastrukturbereich auch Berlin und Brandenburg betrifft, ist derzeit schwer vorherzusagen. Fest steht, dass die BVG nicht bestreikt wird, da dort ein anderer Tarifvertrag gilt. Busse, Straßen- und U-Bahnen werden am Montag also normal fahren.
Die Berliner S-Bahn rechnet mit "massiven Einschränkungen" im eigenen Betrieb. "Die Voraussetzung für den Zugbetrieb bei der S-Bahn ist, dass Beschäftigte in der Netz-Betriebszentrale und den Werkstätten ihren Dienst antreten", teilte ein Sprecher am Donnerstag mit. Genaueres sei noch nicht absehbar.
Auch der Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg wird bestreikt. Das bestätigten Verdi und EVG. Das Ausmaß ist allerdings unklar, denn die Lokführer und Zugbegleiter sind in der GDL organisiert, deren Tarifvertrag noch läuft. Dagegen sind Fahrdienstleiter in der EVG organisiert. Wenn aber die Signale nicht gesetzt werden, können auch keine Züge fahren.
Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg) streikt nicht, ist aber ebenso durch die Bestreikung der Infrastruktur (Gleisanlagen, Signale etc.) abhängig. Gleiches gilt für die Niederbarnimer Eisenbahn.
Am Flughafen BER wird es keine Warnstreiks geben. Das bestätigte die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg am Donnerstagabend. Im Flugbetrieb sei aber mit Streichungen insbesondere im innerdeutschen Flugverkehr zu rechnen, hieß es weiter.
Auch Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche seien dann komplett blockiert, hieß es. Der Hamburger Hafen werde für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein, hieß es.
Verdi kündigte darüber hinaus an, auch öffentliche Einrichtungen in mehreren Bundesländern zu bestreiken - darunter Krankenhäuser in Potsdam und Brandenburg an der Havel sowie die Potsdamer Stadtentsorgung. Betroffen sind auch zahlreiche Gemeinden und Kitas.
Fahrgastverband IGEB fordert "minimales Angebot" an S-Bahnzügen
Der Berliner Fahrgastverband IGEB appellierte an Reisende, möglichst auf die Angebote der BVG wie U-Bahn, Bus oder Tram umzusteigen. Besonders in Brandenburg habe der Ausfall der S-Bahn weitreichende Konsequenzen für zahlreiche Fahrgäste. "Wir sagen, dass das Streikrecht grundsätzlich dazu gehört, aber wir müssen auch ein minimales Angebot im Streik garantieren", sagte Sprecher Jens Wieseke. "Dort sollte eine S-Bahn alle 20 Minuten so weit fahren, bis ein U-Bahnhof im Berliner Stadtgebiet erreicht ist."
Arbeitskampf soll 24 Stunden dauern
Der Arbeitskampf soll um Mitternacht in der Nacht zum Montag beginnen und 24 Stunden dauern. Die Gewerkschaften rieten Reisenden, wenn möglich bereits am Sonntag an gewünschten Zielorten zu sein, da einige Streikende mit den Schichten am Abend bereits in den Arbeitskampf treten könnten.
Die Gewerkschaften seien "mit einem völlig unzureichenden Angebot konfrontiert, und deshalb ist es uns wichtig, am Beginn und vor dem Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde am kommenden Montag nochmal deutlich zu machen, dass unsere Forderungen eine breite Unterstützung in den Belegschaften haben", sagte Werneke weiter. Das werde sich am Montag zeigen. EVG-Chef Martin Burkert sagte, die Arbeitgeber verschlössen "sämtliche Augen vor den wirtschaftlichen Nöten der Beschäftigten".
Bahn kritisiert Streik als "grundlos und unnötig"
Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, rechnet wegen des großangelegten Warnstreiks mit einem nahezu vollständigen Stillstand auf der Schiene. "Wir gehen davon aus, dass am Montag das Land lahmgelegt ist und dass so gut wie kein Eisenbahnverkehr möglich ist", sagte er.
"Selbstverständlich sind wir auch in solchen Situationen in sehr großem Umfang zur Kulanz bereit." Allen Fahrgästen riet er dennoch: "Jeder, der umdisponieren kann, sollte das auch entsprechend tun."
Die Bahn kritisierte den Arbeitskampf als "als grundlos und unnötig". "Die EVG muss sich ihrer Verantwortung stellen und umgehend an den Verhandlungstisch zurückkehren", forderte Personalvorstand Martin Seiler. "Unsere Mitarbeitenden und Fahrgäste brauchen jetzt eine zügige Lösung, keinen großen Warnstreik."
Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte derweil eine "Minimalbeförderung" auf der Schiene - etwa in Form eines Notfahrplans. "Wir kennen solche Vereinbarungen aus anderen Branchen, etwa Notdienste für die Krankenhäuser oder in der Stahlindustrie, sagte der Ehrenvorsitzende des Verbands, Karl-Peter Naumann, der dpa: "Da wäre es gut, sich auch bei der Bahn dran zu halten."
Der Flughafenverband ADV kritisierte den Aufruf der Gewerkschaften als "Streikeskalation nach französischem Vorbild". "Die Gewerkschaften verabschieden sich von der bewährten Tradition, dass in Deutschland Lösungen am Verhandlungstisch erreicht werden", erklärte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Die angekündigten Aktionen "sprengen jedes vorstellbare und vertretbare Maß".
EVG verhandelt mit 50 Bahn- und Busunternehmen
Mit den Aktionen erhöht Verdi den Druck für die am Montag beginnende dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen. Gemeinsam mit dem Beamtenbund dbb fordert die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar ein Angebot vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro.
Ende Februar begannen zudem die Verhandlungen der EVG mit der Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen. Die erste Verhandlungsrunde mit allen Betrieben endete an diesem Donnerstag. Die Gewerkschaft hatte in der vergangenen Woche ein erstes Angebot der Bahn abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen in Höhe von zusammen 2500 Euro in Aussicht gestellt.
Der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland wurden schon vor mehr als 30 Jahren im Zuge eines mehrwöchigen Streiks gleichzeitig bestreikt. Bei diesem harten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst im Frühjahr 1992 legten mehrere Hunderttausend Beschäftigte zeitweise die Arbeit nieder. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf, nicht um Warnstreiks.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.03.23, 19:30 Uhr