Fragwürdige Untermietverträge - Wie Vermieter versuchen, den Kündigungsschutz zu umgehen
Mit fragwürdigen Vertragskonstrukten versuchen immer wieder Vermieter, den Kündigungsschutz zu unterlaufen. Dadurch ist es für Mieter schwerer, sich gegen überhöhte Mieten zu wehren. Von Valentina Repetto und Lisa Schurr
Drei Jahre ist es her, da ziehen Julia und Ben in ihre Traumwohnung im Berliner Szenebezirk Kreuzberg. Eigentlich heißen die beiden anders, aber sie wollen anonym bleiben. Die Wohnungssuche war nicht leicht auf dem angespannten Wohnungsmarkt, deswegen sind sie froh, dass es endlich geklappt hat, auch wenn sie nur einen Untermietvertrag unterschreiben. Schon bald vermuten sie allerdings, dass der Hauptmieter gemeinsame Sache mit dem Vermieter macht und als Strohmann zwischengeschaltet ist – denn sie sind nicht die einzigen in dem Kreuzberger Altbau, die Untermietverträge haben.
Wenige Monate nach ihrem Einzug wollen Julia und Ben von ihrem Recht Gebrauch machen, ihre monatliche Miete an das anzupassen, was gesetzlich zulässig ist. Je nach Berechnungen müssten sie zwischen 500 und 700 Euro weniger zahlen. Als sie die Miete reduzieren, schreibt der Hauptmieter dem Vermieter, dass er seinen Vertrag kündigen wolle. Da Julia und Ben rechtlich an den Hauptmieter gebunden sind, wäre auch ihr Vertrag dadurch beendet. Sofort haben sie die Räumungsklage des Vermieters im Briefkasten. Um in der Wohnung zu bleiben, müssen sie beweisen, dass ihr Untermietvertrag Teil eines Konstruktes ist. Nicht einfach - und teuer: Sie engagieren einen Anwalt und einen Privatdetektiv.
Die Masche mit den Schein-Untermietverträgen
Recherchen des ARD-Mittagsmagazins und Gespräche mit etlichen Betroffenen zeigen: Solche Schein-Untermietverträge sind verbreitet. Besonders in der Hauptstadt. Der Berliner Mieterverein beobachtet, dass Wohnungen häufiger zur Untermiete angeboten werden als noch vor einigen Jahren: "Einige befinden sich in einer rechtlichen Grauzone und bieten Gelegenheit, den Mieterschutz zu unterlaufen, da eine rechtliche Situation vorgespielt wird, die so nicht existiert. (…) Das ist umso besorgniserregender, als dass derartige Vertragskonstellationen am Ende nur einem Ziel dienen – eine völlig überhöhte Miete zu fordern."
Der Deutsche Mieterbund geht davon aus, dass Konstrukte zur Umgehung des Mieterschutzes deutschlandweit – beispielsweise auch durch die Vermietung möblierter Wohnungen – verbreitet sind: "Gerade in nachgefragten Gegenden können enorm hohe Mieten erzielt werden. Dafür wird leider nicht selten versucht, die geltenden mietrechtlichen Schutzvorschriften zu umgehen. Dies beobachten wir schon länger."
Lukrative Trickserei auf einem angespannten Wohnungsmarkt
Der angespannte Wohnungsmarkt macht es möglich. Die Mietpreise in den Ballungsräumen und Städten steigen. In den vergangenen 20 Jahren in Berlin um 159 Prozent, in Hamburg um 73 Prozent und in München um 58 Prozent (Quelle: IVD, 30.06.2022).
Laut einer Studie des Eduard Pestel-Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE dürften im Jahr 2023 bundesweit mehr als 700.000 Wohnungen fehlen. Dies sei das größte Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren, heißt es.
Diese Notlage nutzen einige Vermieter aus und verlangen unzulässig hohe Preise. Es gibt zwar Gesetze, die das verhindern sollen, doch die sind leicht zu umgehen. Außerdem müssen sowohl bei unzulässigen Untermietverträgen als auch bei zu hohen Mieten die Mieter die Beweise liefern. Das ist aufwendig und teuer. Und die wenigsten Mieter gehen wie Julia und Ben den Weg über das Gericht, um ihre Rechte einzufordern. Dazu kommt: Die Vermieter haben wenig zu befürchten, denn es gibt kaum Sanktionen.
Länder sehen Reformbedarf beim sogenannten "Mietwucher-Gesetz"
Es gibt ein Gesetz, das effektiv überhöhte Mieten steuern und dreiste Vermieter abschrecken soll. Es ist festgeschrieben im sogenannten Mietpreisüberhöhungs-Paragraphen (Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes). Der sieht vor, dass die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht mehr als 20 Prozent übersteigen darf. Vermietern, die das trotzdem machen, droht eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Damit könnten Mieter einen Verstoß einfach beim Wohnungsamt anzeigen, ohne vor Gericht zu ziehen. Gerade für Mieter, die nicht rechtsschutzversichert sind, ein großer Vorteil.
Aber das Gesetz greift nicht, denn die Mieter sind auch hier in der Beweispflicht. Sie müssen einerseits beweisen, dass sie keine billigere Wohnung gefunden haben, andererseits, dass ihr Vermieter diese Notsituation ausnutzt. Das ist in der Praxis kaum möglich. Deswegen forderte zuletzt im Februar 2022 der Bundesrat auf Initiative von Bayern und unterstützt von Berlin, Hamburg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, den Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zu verschärfen, die Beweispflicht abzuschaffen und das Bußgeld auf 100.000 Euro zu verdoppeln.
"Keine Wunderwirkung von Mietrechtsanpassungen erhoffen"
Doch der dafür zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt die Initiative ab. Gegenüber dem ARD-Mittagsmagazin äußert er Bedenken, da der Entwurf grundlegende Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz aufwerfe. Buschmann kündigt einen Gesetzesentwurf im Mietrecht an, der die verbleibenden mietrechtlichen Vorhaben im Koalitionsvertrag umsetze. Er sieht das Problem allerdings an einer anderen Stelle: "Die hohen Mieten in unseren Städten sind jedoch vor allem Folge eines zu knappen Angebots an Wohnungen. Dieses Problem lässt sich über das Mietrecht nicht beheben. Man sollte sich von den Mietrechtsanpassungen keine Wunderwirkung erhoffen."
Mit Blick auf die fragwürdigen Untermiet-Konstrukte liegen dem Justizminister keine Erkenntnisse über eine Zunahme an Untermietverträgen vor: "Auch liegen keine belastbaren Erkenntnisse dazu vor, ob und in welcher Form diese Vertragskonstellation vermehrt dazu ausgenutzt wird, um Mieter zu übervorteilen. Hinweise darauf nimmt das Bundesministerium der Justiz ernst; die weitere Entwicklung wird das Ministerium im Blick behalten."
Erfolgreiche Klagen und hohe Abfindungen – aber keine Sanktionen
Julia und Ben sammeln über ein ganzes Jahr lang zahlreiche Indizien. Es kommt zum Prozess, ihre Chancen stehen nicht schlecht. Doch kurz vor dem Urteil bietet ihnen der Vermieter mehr als 50.000 Euro an, damit sie ausziehen. Erst wollen sie trotzdem weiterkämpfen, doch letztendlich nehmen sie die Abfindung an. Sie einigen sich auf einen außergerichtlichen Vergleich, das Urteil entfällt, der Vermieter kann die Wohnung neu vermieten – zu Konditionen, die er für richtig hält. Andere Untermieter, die das ARD-Mittagsmagazin im Zuge dieser Recherche ermittelt hat, konnten vor Gericht nachweisen, dass ihre Verträge vorgetäuscht waren. Sanktioniert wurden die Vermieter trotzdem nicht.
Die ganze Reportage ist zu finden in der ARD-Mediathek in der Rubrik Magazine oder direkt auf der Seite des ARD-Mittagsmagazins.
Sendung: rbb24 Abendschau, 21.03.2023, 19:30 Uhr