Weitere Streiks abgewendet - So sieht die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst aus

So 23.04.23 | 11:52 Uhr
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Symbolbild: Streik der Gewerkschaft Verdi (Quelle: dpa/Christoph Hardt)
Video: rbb24 Abendschau | 23.04.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Christoph Hardt

Aufatmen im öffentlichen Dienst: Das monatelange Ringen um mehr Geld für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten ist beendet. Unbefristete Streiks sind damit keine Option mehr - allerdings dauern in anderen Bereichen die Tarifkonflikte noch an.

  • Tarifstreit für rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist beendet
  • Gewerkschaftsmitglieder müssen Kompromiss noch zustimmen - Verdi-Chef Werneke ist optimistisch
  • 3.000 Euro-Paket soll Verbraucher- und Energiepreise abfedern
  • Gesamtkosten des Bundes belaufen sich auf 4,95 Milliarden Euro
  • kommunale Arbeitgeberverände gehen von 17 Milliarden Euro Belastung aus
  • weitere Warnstreiks bei der Bahn und an Flughäfen sind möglich

Unbefristete Streiks bei Müllabfuhren, Pflegediensten oder Schwimmbädern - mit der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst ist ein solches Szenario auch für Verbraucherinnen und Verbraucher vom Tisch.

Nach monatelangem Ringen übernahmen die Tarifparteien von Bund, Kommunen und Gewerkschaften am späten Samstagabend in den Kernpunkten den vergangene Woche veröffentlichten Schlichterspruch. Der Tarifstreit für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im
öffentlichen Dienst ist damit beendet. Zwar müssen noch die Gewerkschaftsmitglieder über den Kompromiss endgültig abstimmen. Verdi-Chef Frank Werneke äußerte sich aber überzeugt, die Mitglieder für die Vereinbarung gewinnen zu können.

Entlastung Verbraucher- und Energiepreisen

Mit der größten Tariferhöhung seit Jahrzehnten im öffentlichen Dienst wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bund und Kommunen der drastische Anstieg der Verbraucher- und Energiepreise abgefedert. Zunächst sollen steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 3.000 Euro die Auswirkungen der Inflation für die Beschäftigten von Bund und Kommunen dämpfen. Die ersten 1.240 Euro daraus gibt es bereits im Juni. Ab Juli und bis Februar 2024 sollen dann monatlich jeweils 220 Euro fließen.

Verdi-Chef Werneke lobt Tarifsteigerung

Ab März 2024 erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Vereinbarung dann als weiteres Plus einen Sockelbetrag von monatlich 200 Euro brutto sowie eine anschließende Erhöhung von 5,5 Prozent - mindestens aber 340 Euro brutto mehr. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags beträgt 24 Monate.

"Das ist die größte Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte im öffentlichen Dienst", sagte Verdi-Chef Werneke im Anschluss an die Gespräche.

Tarifeinigung belastet Kommunen

Die Gesamtkosten des Abschlusses belaufen sich allein für den Bund für die vereinbarte Laufzeit auf rund 4,95 Milliarden Euro. Die Kommunen gehen gar von einem Vielfachen dieser Belastung aus. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, sprach vom "teuersten Tarifabschluss aller Zeiten", der die ohnehin schon klammen Städte und Gemeinden rund 17 Milliarden Euro kosten werde.

Warnstreiks in einigen Branchen noch möglich

Verdi hatte in den vergangenen Monaten mit unzähligen Warnstreiks regelmäßig Stadtverwaltungen, öffentliche Bäder, Müllabfuhren oder Krankenhäuser lahmgelegt. Gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft - die nach wie vor mit 50 Eisenbahnunternehmen im Tarifkonflikt steht - gab es Ende März einen großangelegten
bundesweiten Warnstreik im Verkehrssektor. Auf der Schiene und auch an Flughäfen sind weiterhin Warnstreiks und damit Behinderungen der Fahrgäste möglich, da es hier um andere Branchen geht.

Der erzielte Tarifabschluss gilt für sehr viele Berufszweige - unter anderem für Frauen und Männer, die als Erzieher, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Kranken- und Altenpfleger, Verwaltungsangestellte, Klärwerksmitarbeiter, Förster oder Ärzte arbeiten. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 23.04.2022, 19:30 Uhr

76 Kommentare

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  1. 75.

    Wenn die Löhne nicht steigen, steigen auch die Renten nicht
    Wie soll man sonst Rentenerhöhung bezahlen
    Von was glauben Sie wird die Rente bezahlt
    Leider sind die steuerfreien Zahlungen nicht relevant, erst die Lohnerhöhungen ab März 2024
    Eigentlich solltet ihr Rentner froh über jede Lohnerhöhung sein

  2. 73.

    Ich bin mit den Tarifverträgen aber nicht zu Frieden.
    Erst einmal werden die 3000€ in Raten Ausbezahlt.
    Das Geld was man vom Staat sowie so man bekommt.
    Zweitens in diesen Jahr gehen wir lehr aus.
    Der Tarifvertrag ist eine Frechheit.

  3. 72.

    Wir Rentner haben leider nichts von solchen Zahlungen. Da es Abgabenfreie Zahlungen sind gehen sie nicht in die Rentenformel ein. Wenn das zur Normalität wird und andere Abschlüsse das nachmachen.
    Dann ist das Fazit, eine Renten Senkung und das von einer sozialen Partei. Für den Unternehmer das beste, denn er spart die Beiträge zur Rentenversicherung.

  4. 71.

    Sie scheinen unsere föderale Ordnung und die daraus resultierenden Zuständigkeiten wohl nicht zu kennen.
    LFA ist der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Letztere sind für die finanzielle Ausstattung der Kommunen zuständig und hierzu gibt es in jedem Bundesland bis auf die Stadtstaaten jeweils eigene Gesetze zum kommunalen Finanzausgleich. In mehreren Bundesländern waren diese nicht verfassungsgemäß und wurden dementsprechend geändert, wobei in manchen Fällen auch jetzt noch die Frage besteht, ob diese mit den Landesverfassungen übereinstimmen.

  5. 70.

    Warum regen sich eigentlich alle auf, wenn es Gehaltserhöhungen im öD gibt? Bei den Metallern, in der Chemieindustrie, bei Handel, Banken und Versicherungen etc. regt sich niemand auf, wenn die mehr Geld bekommen. Die Leistungen des öD nehmen aber alle gern in Anspruch, kostengünstig natürlich. Dass der Tarifabschluss letztendlich ungenügend für die Mitarbeiter des öD ist, hinterfragen die Wenigsten.

  6. 69.

    Ich frage mich wie einige hier der Meinung sein können, dass aus dem ÖD niemand großartig abwandert. Ich arbeite in einer Berliner Behörde und Ende letzten Jahres sind drei Leute nur aus unserem Standort in die freie Wirtschaft gewechselt. Letzten Monat wieder einer. Waren alles Beamte und wechseln zu großen Kanzleien, weil viel besser bezahlt und vor allem umfangreiche bezahlte Fortbildungen zum Steuerberater und Co. Alles junge Leute Ende Zwanzig. Work/Life noch nicht so wichtig ohne Kinder.

  7. 68.

    Sie und Kämmerer? Kennen Sie den Unterschied zwischen Bund-Länderfinanzausgleich und kommunalen Finanzausgleich nicht? Für die finanzielle Ausstattung der Kommunen sind die Länder und nicht der Bund zuständig. Ach ja ich vergaß dass ST als letztes Bundesland ein Coronasonfervermögen auf Pump gegründet hat und Ausgaben finanziert, die nicht den Grundsätzen der Aufhebung der Schuldenbremse entsprechend.

  8. 67.

    lt. Aussage von Marcel Fratzscher(Präsident DIW) bedeutet der Abschluss zum Ende der Laufzeit einen Kaufkraftverlust von 6 % für die Löhne im ÖD. Noch Fragen ?

  9. 66.

    Na da bin mal gespannt .. wie es im September bei den Verhandlungen für den TVL aussieht…

  10. 65.

    "5,2 Prozent mehr Geld ab Juni 2023, weitere 3,3 Prozent ab Mai 2024, dazu kommt eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro netto. Dieses Tarifergebnis hat die IG Metall mit Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie durchgesetzt."
    Die Arbeiter in der klimaschädlichen Automobilindustrie freuen sich und Verdi feiert sein ungenügendes Ergebnis....

  11. 64.

    Man darf gespannt sein, ob das Ergebnis auch auf die Pensionäre übertragen wird. Auf ihre Energiekostenpauschale warten diebischen zumheutigen Tag.

  12. 63.

    Wer zahlt wieder für die Lohnerhöhungen der Verbraucher. Eine Kette ohne Ende.

  13. 62.

    Lincoln, labern Sie nicht so einen Unsinn.

    Haben Sie überhaupt von Haushaltsrecht Ahnung? Sieht anscheinend nicht so aus. Bernhard hat durchaus Recht.

    Rekordausgaben stehen Rekordeinnahmen gegenüber.

    Ihre Ausführung über den LFA ist Unsinn.

  14. 61.

    Als Kämmerer einer Gemeinde in Sachsen Anhalt habe ich tagtäglich mit der Materie zutun.

    Ihre Behauptung mit dem gesetzeswidrige LFA ist Unsinn. Egal was im GG steht. In Deutschland gilt der Grundsatz der Spezialgesetze.

    Gegen welches Gesetz genau verstoßen einige Bundesländer angeblich?

    Fakt ist, dass den Rekordeinnahmen auch Rekordausgaben gegenüberstehen

    Kein Bundesland erhöht die Zuwendungen für Kommunen.

  15. 60.

    1. An die Rentner… Sie müssten deutlich höhere Lohnerhöhungen fordern, richtet sich ihre Rentenerhöhung auch an der durchschnittlichen Lohnentwicklung.

    2. An die Steuerzahler (außerhalb des ÖD)… klingt komisch, aber auch die Mitarbeitenden im ÖD zahlen Steuern, ob Tarifbeschäftigte oder Beamte.

    3. An alle… Immer das gleiche. Geht es um den ÖD, dann soll der funktionieren, schnell und unbürokratisch sein. Kaum geht es um die Bezahlung, darf es aber bitte nichts kosten.

  16. 59.

    3. Verhandlungsrunde TV-L ist am 7./8.12.2023, vorher wird es kein Ergebnis geben. Die üblichen Spielchen werden auch dort wieder ablaufen.
    Same procedure as every 2 years.

  17. 58.

    Hinsichtlich der von Ihnen montierten Steuerausfälle empfehle ich Ihnen im Monatsbericht des BMF für März den Artikel über die Steuereinnahmen und die konjunkturelle Entwicklung zu lesen!
    Es ist doch schizophren zu klagen, dass nach einem Rekordsteuerjahr der Bürger zum Inflationsausgleich steuerlich entlastet wird und gleichzeitig Landessteuern auf Grund verfehlter Länderpolitik einbrechen!

  18. 57.

    Zudem wie wäre es, wenn Sie sich einmal mit dem Thema des kommunalen Finanzausgleichs beschäftigen würden? Hier haben viele Länder in den vergangenen Jahren ein verfassungswidrigen Finanzausgleich gehabt, zudem sind die Länder qua GG verpflichtet für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können!
    Also erst mit den Grundlagen beschäftigen, wer und wie die Kommunen finanziell ausstattet!

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