Interview | Handwerkskammer Ostbrandenburg - "Es ist keine Schande, nach der zwölften Klasse eine duale Berufsausbildung im Handwerk zu beginnen"
Das Handwerk steht vor vielen Herausforderungen, darunter niedrige Azubi-Zahlen und Krisen in mehreren Branchen. Frank Ecker von der Handwerkskammer in Frankfurt (Oder) erzählt, was das Handwerk dagegen tun kann – Vier-Tage-Woche inklusive.
rbb|24: Herr Ecker, im Vorfeld wurde uns gesagt, dass es aktuell mit neuen Ausbildungsverträgen sehr gut läuft. Was heißt das konkret?
Wenn man das zurückliegende Jahrzehnt betrachtet, sind wir jetzt auf einem sehr guten Niveau, das ist richtig. Wir freuen uns, dass wir momentan viele Ausbildungsverträge haben. Allerdings befinden wir uns jetzt auf dem Niveau von 2010. Und vor 20 Jahren waren wir bei ungefähr dem Eineinhalbfachen der jetzigen Ausbildungszahlen. Die Zahlen sind nach 2004 bis 2014/2015 stetig nach unten gegangen. Nun geht es nach und nach aufwärts.
Dieser Trend ist auch bei den anderen beiden brandenburgischen Handwerkskammern in Cottbus und Potsdam ebenso zu verzeichnen. Und in unserem Kammerberzirk ist es bei nahezu allen Landkreisen so, von der Uckermark bis Oder-Spree. Lediglich im Barnim sind die Zahlen leicht nach unten gegangen.
Hat Sie denn dieser positive Trend eigentlich überrascht? Und was sind die Gründe dafür?
Wir arbeiten seit geraumer Zeit daran, die Ausbildungszahlen im Handwerk voranzubringen. Wir veranstalten seit vielen Jahren eine intensive Berufsorientierung in den Schulen und gehen in Gymnasien, um auch die Abiturienten und Abiturientinnen von einer dualen Berufsausbildung im Handwerk zu überzeugen. Jetzt ernten wir langsam die Früchte der kleinteiligen Arbeit der vergangenen Jahre.
Die Handwerkskammer vertritt eine breite Palette an Betrieben. Gilt dieser Trend für alle Branchen?
Das betrifft leider nicht alle gleichermaßen. Wir haben Branchen, in denen sich die Ausbildungszahlen sehr gut entwickeln. Ich kann zum Beispiel Tischler, Elektroniker, Kraftfahrzeugmechatroniker, Installateure und Heizungsbauer nennen. Berufe mit Zukunft. Aber wir haben leider einige Verlierer dabei. Der Friseurberuf oder die Nahrungsmittelhandwerke verharren leider auf einem sehr niedrigen Niveau.
Die steigenden Ausbildungszahlen reichen aber nicht aus, um den Fachkräftemangel im Handwerk auszugleichen.
Genau! Wir haben im vergangenen Jahr rund 160 Ausbildungsstellen nicht besetzen können. Und das sind nur die, die bei uns in Ostbrandenburg in der Lehrlingsbörse registriert wurden. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist viel höher als die der tatsächlich am Ende abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse. Und die Zahl der Abgänger in die Rente ist auch viel höher als die derer, die hier aus den Ausbildungsverhältnissen nachrücken.
Was kann man dagegen tun?
Inzwischen bilden die allermeisten Betriebe deshalb aus, weil sie wissen, dass mit dem Abgang der Babyboomer in die Rente eine riesige Lücke entsteht. Und sie wird im allerbesten Fall dadurch geschlossen, dass man sich selbst dem Thema Berufsausbildung widmet und die jungen Leute, die man zum Berufsabschluss gebracht hat, in den Unternehmen bleiben.
Wir müssen dabei alle Zielgruppen gleichermaßen ansprechen und die duale Berufsausbildung vielmehr in den Fokus rücken. Eins soll klar werden: Es ist keine Schande, nach der zehnten oder zwölften Klasse eine duale Berufsausbildung im Handwerk zu beginnen und kein Abitur zu machen oder nach dem Abitur nicht zu studieren. Die Wertschätzung der Handwerksberufe muss wieder massiv steigen. Dann kann es uns auch gelingen, wieder viel mehr Jugendliche von einer Ausbildung im Handwerk zu begeistern.
Eine Möglichkeit, um junge Leute zu motivieren, könnte eine Vier-Tage-Woche sein. Welche Erfahrungen machen die Betriebe Ihrer Handwerkskammer damit?
Es gibt einige Betriebe, die dieses Modell sehr erfolgreich eingeführt haben. Bei Auszubildenden ist es unter Umständen noch mal eine etwas größere Herausforderung, weil sie an die Berufsschule und zur überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung gehen müssen. Da gilt eine Fünf-Tage-Woche. Zudem können einige Betriebe eine Vier-Tage-Woche nicht anbieten, wenn zum Beispiel eine Anwesenheit bis Freitag obligatorisch ist – wie beispielsweise auf einer Baustelle.
Doch im Wettbewerb um die Fachkräfte wissen die Betriebe, dass sie ihre Arbeitsbedingungen anpassen müssen. Aber für einen Bäcker ist es schwierig, wenn erst um zehn Uhr die Brötchen in die Backstube kommen. Da muss man natürlich sehen, dass die Arbeitsbedingungen irgendwo Grenzen haben, die man nicht verändern kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Stefan Kunze für Antenne Brandenburg. Dies ist eine gekürzte Fassung des Gesprächs mit Frank Ecker.
Sendung: Antenne Brandenburg, 09.02.2024, 16:40 Uhr