Keine Grunderwerbssteuer fällig - Vonovia nutzt bei Übernahme der Deutsche Wohnen Steuerschlupfloch

Sa 12.10.24 | 15:42 Uhr
  95
Symbolbild:Der Schriftzug des Wohnungsunternehmens «Vonovia» hängt an der Firmenzentrale.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Kusch)
Bild: picture alliance/dpa/M.Kusch

Drei Jahre nach der ersten Mehrheitsübernahme schluckt Vonovia die Deutsche Wohnen komplett. Bei einem Kaufpreis von rund 20 Milliarden Euro wird dank eines Steuerschlupfloches kein einziger Cent Grunderwerbssteuer fällig. Von Efthymis Angeloudis

  • Trotz der insgesamt 20 Milliarden Euro-Übernahme der Deutsche Wohnen muss Vonovia keine Grundererwerbssteuer bezahlen
  • Share Deal-Regelung und Veräußerung eines Anteils an ein Joint Venture erlauben es Vonovia weniger als 90 Prozent der Aktien zu halten
  • Vonovia räumt ein, dass eine Struktur geschaffen wurde, um Grunderwerbssteuer zu vermeiden

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia SE will die vor drei Jahren gestartete Übernahme seines Tochter-Unternehmens Deutsche Wohnen vollenden und die restlichen 13 Prozent der DW-Aktie übernehmen. Wie bereits bei dem Erwerb der ersten 87 Prozent im Oktober 2021 zu 19 Milliarden Euro fällt auch bei der jetzigen Transaktion keine Grunderwerbssteuer an. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" berichtet.

90 Prozent der Immobilie für null Prozent Steuer

Die Grunderwerbsteuer wird beim Kauf von unbebauten oder bebauten Grundstücken fällig. Diese beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie - in Berlin sind es sechs Prozent.

Beim ersten Anteilskauf ermöglichte das die Regelung der Share Deals, die bis zu einer Obergrenze von 90 Prozent keine Steuern auf den Kauf fällig macht. Da bei einem Share Deal Immobilien in einem Unternehmen gebündelt und der Käufer Anteile an dem Unternehmen übernimmt, handelt es sich streng genommen nicht um einen Immobilienkauf - somit fällt die Grunderwerbsteuer weg. So reicht es, nur knapp 90 Prozent an einer Gesellschaft zu erwerben, um die Zahlung der Grunderwerbsteuer zu umgehen.

Mit dem Kauf der restlichen 13 Prozent würde Vonovia jedoch dazu verpflichtet, doch noch die Grunderwerbssteuer auf den gekauften Immobilienbestand der Deutsche Wohnen zu zahlen. Immerhin über eine Milliarde Euro bei einem Grunderwerbssteuersatz von sechs Prozent.

Um mit dem Kauf der restlichen 13 Prozent die 90-Prozent-Marke nicht zu knacken, veräußerte aber Vonovia 20 Prozent seiner Anteile an ein gemeinsames Joint Venture mit dem Finanzinvestor Apollo. Damit erreichte Vonovia mit dem aktuellen Erwerb bloß 80 Prozent des DW-Bestandes.

Vonovia: "Bewegen uns stets im gesetzlichen Rahmen"

"Vonovia bewegt sich stets im gesetzlichen Rahmen, der für alle privatwirtschaftlichen oder kommunalen Unternehmen bei Anteilskäufen gilt", teilte eine Vonovia-Sprecherin auf Anfrage des rbb mit. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei der logische letzte Schritt hin zu einem einheitlichen Unternehmen.

Mit einem Beherrschungsvertrag begibt sich ein Unternehmen unter die Leitung eines anderen Unternehmens. Kommt ein Gewinnabführungsvertrag hinzu, führt es seinen gesamten Jahresüberschuss an das beherrschende Unternehmen ab.

"Das reduziert die Komplexität, erhöht die Geschwindigkeit von Entscheidungen und stärkt die Rechtssicherheit. Dafür benötigen wir keine weiteren Anteile, als wir derzeit haben." Auch an der Anzahl der Aktien, die Vonovia an der Deutsche Wohnen halte, ändere sich im Wesentlichen nichts, so die Sprecherin. "Es findet lediglich bei den anderen Anteilen ein Wechsel der Eigentümer statt."

So einfach und vor allem so legal. An der Rechtmäßigkeit des Deals gibt es bei Vonovia keinerlei Zweifel. Auch gegenüber der Presse legte man diese Pläne offen. "Es soll eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, die Zahlungen einer Grunderwerbsteuer zu vermeiden", hatte ein Konzern-Sprecher zuletzt dem Handelsblatt bestätigt.

Grüne: "Organisierte Steuerhinterziehung"

"Organisierte Steuerhinterziehung" nennt das Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung bei den Grünen im Abgeordnetenhaus. Eine "Steuerhinterziehung", die "durch die aktuelle Rechtsprechung zwar gedeckt ist, aber dringend politisch abgestellt gehört". Das könne aber nur im Bund getan werden. Und da befinden sich Grüne mit SPD und FDP in einer Koalition.

"Die Forderung gibt es aktuell. Die hat unsere Bundestagsfraktion formuliert, das für den Anteil, der verkauft wird, auch der anteilige Steuersatz zu zahlen ist", so Schwarze gegenüber rbb|24. Auch im Koalitionsvertrag sei vereinbart, dass Share Deals abgeschafft werden und das Modell überarbeitet werde. "Scheitern tut es ganz eindeutig am Finanzministerium und dem Finanzminister Lindner, der hier dieses Steuerschlupfloch für Großkonzerne deckt", fügt Schwarze kategorisch hinzu.

Hoher Anteil von Share Deals in Berlin

Nun reiht sich also auch Berlin in die lange Liste der Ampelstreitigkeiten ein.

Dabei weist die Hauptstadt gerade beim Thema Share Deals seit Jahren einen sehr hohen Anteil an Immobilien-Transaktionen auf, bei denen Wohnungsbestände nur anteilig erworben werden, damit die Käufer die Zahlung der Grunderwerbsteuer umgehen können. Share Deals machten in den vergangenen Jahren in Berlin bis zu 31 Prozent der Transaktionen aus, bundesweit waren es hingegen nur maximal 15 Prozent pro Jahr.

Laut Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) gemeinsam mit Correctiv sind allerdings bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) aller großen Wohnungstransaktionen (mehr als 800 Wohneinheiten pro Verkauf) zwischen 1999 und 2019 wegen Share-Deal-Konstruktionen keine Grunderwerbsteuern in die Staatskasse geflossen.

Eine Milliarde Euro könnten Berlin entgehen

Wie hoch die Verluste für die öffentliche Hand sind, ist nicht bekannt. Eine offizielle Schätzung der Bundesregierung zu den Steuerausfällen durch Share Deals gibt es nicht. Das hessische Finanzministerium ging 2016 in einer eigenen Schätzung von Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand von rund einer Milliarde Euro pro Jahr bezogen auf das gesamte Bundesgebiet aus [faz.de].

Doch selbst diese Rechnung wird angesichts des Vonovia Deals in den Schatten gestellt. Bei der Übernahme der 150.000 Wohnungen der Deutsche Wohnen in Deutschland (113.000 davon im Großraum Berlin), die insgesamt wohl rund 20 Milliarden kosten wird, entgehen der klammen Berliner Landeskasse über eine Milliarde Euro.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.10.2024, 14:35 Uhr

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Kommentare, bei denen die E-Mail-Adresse in den Feldern Name, Wohnort oder Text geschrieben wurde, nicht freigegeben. Mit Nutzung der Kommentarfunktion stimmen Sie unserer Netiquette sowie unserer Datenschutzerklärung (Link am Ende der Seite) zu. Wir behalten uns vor, Kommentare, die nicht zu einer konstruktiven Diskussion beitragen, nicht freizugeben oder zu löschen. Wir geben keine Auskunft über gelöschte oder nicht freigegebene Kommentare. Mit der Abgabe eines Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regeln und den Kommentarrichtlinien des rbb einverstanden.

95 Kommentare

  1. 95.

    Nein, das ist nur ein vorgeschobenes Argument - dieses erpresste Geld kommt allein den Vorständen und den Anlegern zu Gute! Informieren Sie sich mal, bevor Sie Unwissenheit präsentieren.

  2. 94.

    Die Grunderwerbssteuer gehört abgeschafft...
    Da haben Sie Recht: Weniger Steuern = weniger Miete!
    Nur Einfältige glauben daran, dass Kosten nicht umgelegt werden. Der Staat sollte dabei bleiben Gewinne zu versteuern, aber nicht „die Luft“...

  3. 93.

    Ach ist das nicht herrlich?!

    Das gemeine Volk wird ausgenommen bis zum bitteren Ende.

    Die nächste Mieterhöhung und Nebenkosten Nachzahlung folgt bestimmt. Damit die vonovia noch fetter wird.

    Ich freue mich.

  4. 92.

    " HG " ...und dann , wenn Sie alle enteignet haben ? Stellen Sie sich voran und sahnen dann ab ? Wenn die großen Wohnungsbaugesellschaften, auch noch Grunderwerbsteuer bezahlen müssten, würden die Mieten noch mehr steigen. Diese Firmen, brauchen das Geld zum investieren.

  5. 91.

    Die Kritik an Share Deals betrifft vor allem die Ungleichbehandlung von privaten Investoren und städtischen Gesellschaften wie WBM, WBF und bewoge. Während erstere von steuerlichen Vorteilen profitieren, argumentieren die städtischen Gesellschaften, dass ihre Transaktionen der Wohnraumversorgung dienen. Diese Doppelmoral ruft nach einer einheitlichen Regelung, die sicherstellt, dass alle Akteure, unabhängig von ihrer Rechtsform, ihren fairen Anteil an der Grunderwerbsteuer zahlen.

  6. 90.

    Seit Jahrzehnten sitzen Spezialisten in Steuerkanzleien und durchforsten Gesetze nach Steuerschlupflöchern. Ihr Hauptziel ist maximale Rendite und minimale Steuerbelastung. Sie nutzen die Gesetzgebungen aus. Es ist Sache des Gesetzgebers die Steuerschlupflöcher lückenlos zu schließen. Bis dahin bleiben die sozialversicherungspflichtigen Steuerzahler PROZENTUAL die größten Steuerzahler und Konzerne und große Erben und Großaktionäre die winzigsten Steuerzahler. Arbeit wird mit großen Steuer- und Sozialabgaben bestraft, die in den kommenden Jahren in Deutschland immer weiter steigen werden. Es wird immer weniger Netto übrig bleiben. Egal ob SPD, GRÜNE, FDP, CDU, CSU oder AfD regieren.

  7. 89.

    Warum aufregen. Die Gesetzgebung erfolgt durch die Legislative, dem Bundestag. Wir wählen die Regierung und somit auch die Legislative. Wenn unsere Volksvertreter Gesetze und Lücken schaffen, die dann Firmen ausnutzen, sind wir selbst daran schuld. Und wenn unsere Regierung schreit, die Länder müssen ihren Haushalt in Griff bekommen, dann sind das selbstgemachte Probleme.
    Wer jetzt auf Vonovia schimpft, schimpft mit den falschen. Viele normale Arbeiter setzen auch all das bei der Steuer an, was möglich ist, egal ob es real ist, weil es möglich ist. Jeder sucht seinen eigenen Vorteil und unsere Regierung ermöglicht es und wundert sich.

  8. 88.

    Wenn es nivht gewollt wäre, hätte doch keiner die Möglichkeit dazu.

    Die Moral ist bei d. Kapitalisten auch auf - 100 gesunken.

    Wer Reich ist hat auch eine Verpflichtung d. Gesellschaft, denn ohne die Gesellschaft wäre keiner reich.

    Es ist doch mittlerweile genauso, wie zu d. Zeit wo der "Adel" regiert hat.

  9. 87.

    Ich nenne sowas asozial. Wer wundert sich da noch wenn die Menschen extrem wählen. Irgendwann folgen dann soziale Unruhen. Für die Investoren ist der Gwinn abgeschöpft und längst ausser Landes.

  10. 86.

    Wer sagt Ihnen, dass ich kein Kapital habe...
    Aber nebenbei: ich lasse das natürlich meinen Steuerberater machen; der Konz ist nur zur Info.

  11. 85.

    Meine Forderung seit Jahren: Enteignen!

  12. 84.

    Steuerschlupflöcher finden und dicht machen ist Aufgabe derer in Politik und Ministerien. Wenn die versagt haben, sollte der Fiskus das Ministerium in Regress nehmen. Frei nach dem Schuldprinzip. Wäre zu neugierig, ob sowas nicht ausginge, wie das Hornberger Schießen

  13. 83.

    Sie werden da nichts rausholen… man benötigt Kapital das man entsprechend investiert um dabei Steuern zu „sparen“.

  14. 82.

    Irgendwie clever gemacht und beschweren kann sich wohl kaum eine Partei oder sonstiges. Die Gesetze wurden doch von den Parteien gemacht.

    Andersrum. Sich dort beschweren, wenn die landeseigenen Wohnungsgesellschaften selber zur Zeit unberechtigte Mieterhöhung versendet. Gesetzlich zwar erlaubt, aber unberechtigt. Um davon abzulenken werden solche Berichte gemacht und zur Zeit gegen die hohen Mieten bei möblierten Wohnungen gehetzt. Ist eigentlich wie immer. Immer mit dem Finger auf andere zeigen, obwohl man selber nicht besser ist.

    Und da redet die Politik offiziell davon, das man gegen Mietsteigerungen und gegen hohe Mieten wäre.

  15. 81.

    Empfehle das hier, vor allem die zweite Hälfte.

    Ab Minute 29:40!!

    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit/zdfzeit-die-geheime-welt-der-superreichen-100.html

    Warum sollten Wohnungsbaugesellschaften sich dann zurückhalten, wenn sogar Personen aus dem Finanzministerium auf teuren Privatveranstaltungen darüber aufklären, wie man 0% Steuern zahlt und "schädliches Vermögen" vermeidet?

  16. 80.

    " Lausitzer " Die Lobbyisten, die zahlreich ein-und ausgehen, bei den deutschen Politikern. Dann die vielen Staatssekretäre, Ministerialdirigenten, lassen sich vermutlich auch von den Lobbyisten " beraten " Diese " Lücken " in Gesetzen, erfüllen schon einen bestimmten Zweck.

  17. 79.

    Ich bestelle mir gerade den "Konz: '1000 ganz legale Steuertricks 2024'".
    Mal sehen, was ich für mich so rausholen kann...

  18. 78.

    Die WBM hat per Share Deal die Pepitahöfe gekauft. Steht in den Protokollen. Sie haben uneingeschränkt Recht.

  19. 77.

    Laut Urteil vom Bundesgerichthof, juli 2021, handelt es sich bei Cum - Ex Geschäften um strafbare Steuerhinterziehungen,übrigens und und auch die Gewinne können eingezogen werden.

    Ihre persönliche Schlupflächer, die sind unbestritten, und Ihr Sündenbock-Fetisch, das ist eine plumpe ver..rsche der Leser.

  20. 76.

    Das machen die städtischen Gesellschaften nicht anders.
    Die WBF Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain gibt es nur noch als Briefkastenfirma, die die Miete einzieht. Die Verwaltung wird durch die WBM Wohnungsbaugesellschaft Mitte ausgeführt.
    Ähnlich war es mal bei der WBL Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, Verwaltung durch Howoge. Hier kenne ich den aktuellen Stand nicht.
    Wäre mal eine Recherche durch den RBB wert. :-)

Nächster Artikel