Gallery Weekend in Berlin - Wieviel Kunst passt nach der Pandemie in drei Tage?

Fr 28.04.23 | 06:31 Uhr
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Ansicht der Kunstinstallation von Cao Fei in der Galerie Sprüth-Magers in Berlin-Mitte.(Quelle:rbb/Marie Kaiser)
Audio: rbb 88,8 | 28.04.2023 | Nachrichten | Bild: rbb/Marie Kaiser

Das Gallery Weekend in Berlin geht in diesem Jahr in seine 19. Ausgabe – ab Freitag finden Ausstellungen in insgesamt 55 Berliner Galerien statt. Ein Überblick für das kunstreiche Wochenende. Von Marie Kaiser

Richtig voll und international soll es an diesem Wochenende in Berlin zugehen. "Nach der Pandemie gibt es ein großes Nachholbedürfnis, wieder zusammenzukommen und Kunst gemeinsam zu erleben", sagt Maike Cruse, Chefin des Gallery Weekend. "Es haben sich unglaublich viele internationale Gäste angemeldet aus Taiwan, China, Kanada, der Türkei, Spanien oder Luxemburg. Das Gallery Weekend hat sich wirklich als ein Fixpunkt im internationalen Kunstkalender etabliert."

In der Pandemie neue Talente entdeckt

Natürlich setzen viele der 55 Galerien an diesem Wochenende, an dem so viele Sammler in der Stadt sind, auf große Namen wie Olaf Nicolai, die Malerin Katharina Grosse, den US-amerikanischen Action-Maler Cy Twombly oder die feministische Kunstikone Rosemarie Trockel. Doch in diesem Jahr sind unter den etwa 80 Künstlerinnen und Künstlern beim Gallery Weekend auch auffällig viele noch eher unbekannte Namen dabei, die zum ersten Mal eine Einzelausstellung in der Galerie haben.

"Ich war selbst überrascht, wie viele Namen ich vorher noch nie gehört hatte. Spannende Künstlerinnen wie die New Yorker Künstlerin Jordan Strafer in der Galerie "Heidi" oder die brasilianische Künstlerin Lucia Koch in der Galerie "carlier | gebauer", sagt Maike Cruse. "Das zeigt, dass viele Galerien die vergangenen drei Jahre der Pandemie intensiv genutzt haben, um neue Talente zu entdecken."

Skulpturen aus Sand, Glas und Sisal oder Kunst, die in die Zukunft schaut

Eine echte Entdeckung ist auch Kapwani Kiwanga, die im nächsten Jahr den kanadischen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielen darf. In der Galerie "Tanja Wagner" zeigt die studierte Anthropologin schon jetzt einen Teil der Arbeiten. Sie erinnern an wundersame Sanduhren, in denen Zeit allerdings still steht. In Quadern aus mundgeblasenem bunten Glas ist Quarzsand eingeschlossen. Also eben jenes Material, das immer knapper wird, weil der Mensch es zur Glasherstellung nutzt und den Rohstoff immer mehr ausbeutet. An den Wänden hängen Skulpturen aus Sisal, einem Material, das vielen von Teppichen vertraut ist. Hier begegnet uns die Pflanze als Rohmaterial - mal zottelig wie eine störrische Pferdemähne, mal als zarter haariger Halbmond.

Wer Kunst erleben will, die heute schon in die Zukunft schaut, ist in der Galerie "Sprüth Magers" richtig. Dort präsentiert die chinesische Medienkünstlerin Cao Fei ihre Ausstellung "Duotopia". Wir begegnen ätherischen Avataren, die wie eine Mischung aus Mensch und Oktopus aussehen und können mit Virtual-Reality-Brillen in computeranimierte Welten einsteigen.

Ansicht der Kunstinstallation von Cao Fei in der Galerie Sprüth-Magers in Berlin-Mitte am 27.04.2023.(Quelle:rbb/Marie Kaiser)Bilder der Ausstellung "Duotopia" von Cao Fei bei "Sprüth Magers" in der Oranienburger Straße.

Berührend sind die die Videoarbeiten von Cao Fei, die im strengen Corona-Lockdown in China entstanden sind. Mit ihrer kleinen Tochter simuliert die Künstlerin einen Ausflug an den Strand mit einfachen Mitteln wie einer Zimmerpalme und einem Ventilator. Wir können auf Campingstühlen Platz nehmen, Chips essen und den wilden Flussschwimmern zuschauen, einer Bewegung, die während der Pandemie in China entstanden ist. Oder uns in ein Zelt zurückziehen und den sehr berührenden Film "Still Alive" auf einem altem Fernseher anschauen. Cao Fei hat ihre Mutter gefilmt, deren Mann an Corona erkrankt ist und die beiden an den letzten Lebenstagen begleitet.

Zeitgenössische Höhlenkunst

Dass es in Höhlen nicht nur prähistorische Malereien gibt, sondern auch zeitgenössische Kunst, beweist die bekannte Künstlerin und experimentelle Filmemacherin Hito Steyerl mit ihrer Ausstellung "Animal Spirits". Sie hat die Galerie "Esther Schipper" in eine dunkle Höhle verwandelt, in der geheimnisvoll leuchtende Gläser von der Decke hängen. Im violetten Kunstlicht wachsen darin Pflanzen.

Wer auf einem der großen Steine Platz nimmt, kann eine raumgreifende Videoinstallation verfolgen. Schafhirten in Nordspanien treffen auf den Schauspieler Mark Waschke, der hier einen Ökonomen darstellt. Plötzlich saust eine schillernde Wolke über die Leinwand, erzeugt von Daten in den Pflanzenkugeln. Sensoren messen, wie gesund die Pflanzen sind und sorgen dann dafür, dass dementsprechend mehr oder weniger bunte Funken fliegen. Eine Arbeit, die sich nur langsam erschließt und in der es auch um Kryptowährung und neue Trends auf dem Kunstmarkt wie NFT geht, also Kunst, die nur aus Daten und Pixeln besteht.

Ausstellungen bleiben teilweise länger geöffnet

Beim 19. Gallery Weekend präsentiert sich Berlin als lebendige, vielseitige und sehr internationale Kunststadt. Wer sich aufs Fahrrad setzt und von Galerie zu Galerie radelt, ist klar im Vorteil und kann besonders viel an einem Wochenende entdecken. Spazierengehen macht aber auch Spaß, zumal sich viele Ausstellungen in bestimmten Ecken der Stadt ballen: einmal rund um Potsdamer Straße in Tiergarten, in Berlin-Mitte um den Rosenthaler Platz und in Charlottenburg rund um den Savignyplatz.

Alle 55 Ausstellungen an einem Wochenende abzuarbeiten, ist sicher möglich, macht aber garantiert keinen Spaß. Die gute Nachricht für alle Berlinerinnen und Berliner ist aber, dass die Ausstellungen des "Gallery Weekend" nicht nur bis Sonntag, sondern oft auch noch in den kommenden Wochen zu sehen sind. Anders als die internationalen Gäste, die bald wieder abreisen müssen, können wir uns also länger als ein Wochenende Zeit für die Kunst nehmen.

 

Sendung: rbb 88,8, 28.04.2023, 08:55 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Oh da kommt bei mir Freude auf. Ob ich alle Sehenswürdigkeiten schaffe zu betrachten und zu erleben werde ich ja sehen. Schön.

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