Lesung und Performance - Volksbühne solidarisiert sich mit Letzter Generation

Sa 17.06.23 | 11:15 Uhr
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Die Volksbühne gestaltet mit der Klimaschutzgruppe Letzte Generation ein Programm und lädt ab 16.06.2023 zur sogenannten "Hausbesuchung" ein. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.06.2023 | Hans Ackermann | Bild: dpa/Jens Kalaene

Aktivisten blockieren den Verkehr. Autofahrer werden wütend. Die Nerven liegen blank. Nun hat sich die Volksbühne mit der Letzten Generation solidarisiert und zu einer Performance mit den Aktivisten geladen. Von Hans Ackermann

240 Klima-Straßenblockaden hat es im April und Mai in Berlin gegeben. Diese Zahl wurde gestern von der Senatsinnenverwaltung veröffentlicht. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Berliner Polizei mehr als 1.000 Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation wegen Nötigung im Straßenverkehr eingeleitet hat. Ermittelt wird in Berlin aber auch gegen rund 40 Autofahrer wegen Körperverletzung und Beleidigung. Die Nerven liegen blank - höchste Zeit, dass sich die Kunst in die Angelegenheit einmischt, so wie am Freitag bei der "Hausbesuchung" in der Berliner Volksbühne.

Rote Warnkegel auf der Bühne

"Der Klimawandel könnte noch schwerwiegendere Folgen haben, als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt der Weltklimarat IPPC in seinem jüngsten Bericht", sagt ein Tagesschausprecher, der auf einer großen Leinwand am Ende der Bühne zu sehen ist. Mit dieser Meldung der beginnt der Abend. Ein journalistischer Auftakt für die "Hausbesuchung durch die letzte Generation", wie es auf den herumliegenden Theaterzetteln zu lesen ist.

Während man noch über den tieferen Sinn des Wortspiels "Hausbesuchung" nachdenkt, werden auf der Bühne rote Warnkegel aufgestellt - Symbole einer Diskussion um mehr als 200 Straßenblockaden in Berlin.

"Zu langsam, zu zögerlich, zu unentschlossen"

Schauspielerin Kathrin Angerer trägt dazu eine "Einlassung vor Gericht" vor. Einen Text, der die Gewissensnot einer Physikerin aus Freiburg schildert: "Ich habe einen Großteil meiner Zeit und Kraft in den vergangenen Jahren in das Ziel gesteckt, die Klimakatastrophe zu verhindern", heißt es im unpathetisch vorgetragenen Text. "Aber ich habe erkannt, es war vergebens. Deutschland reagiert zu langsam, zu zögerlich, zu unentschlossen".

Solidarität mit der Letzten Generation

Verzweiflung und ein Gefühl der Ohnmacht - das geht aus dieser Einlassung und weiteren vorgetragenen Texten hervor - bringen Aktivistinnen und Aktivisten dazu, sich mit den Händen auf der Straße festzukleben, sich von wütenden Autofahrern beschimpfen, bespucken und manchmal massiv attackieren zu lassen.

Der Versuch, diesen radikalen Klima-Aktivismus zu kriminalisieren, hat die Volksbühne dazu bewogen, öffentlich Solidarität zu zeigen. Die kommt in der Rede der Dramaturgin Sabine Zielke zum Ausdruck. Sie begrüßt das Publikum "auch im Namen des Intendanten René Pollesch" und erklärt, wie es zu dem heutigen Abend gekommen sei: "Als sich abzeichnete, dass in der Debatte um die Ziele der Letzten Generation schärfere Töne angeschlagen würden und die Worte 'Kriminelle Vereinigung' und 'Straftaten' immer häufiger fielen, sagten wir uns: Stopp mal!"

Ministerium für Mitgefühl befragt das Publikum

Nach der ausführlichen Solidaritätsadresse der Dramaturgin - die am Ende auch den "Großkapitalismus" ins Spiel bringt - übernimmt das "Ministerium für Mitgefühl" die Bühne. Ein Kollektiv, das mit dem Publikum eine Live-Performance entwickelt. Dazu werden auf einem weiteren Flugblatt zehn Fragen zum Thema "Mitgefühl" verteilt. Darunter Fragen wie "Wo ist Ihrer Meinung nach die empfindlichste Stelle, um Politiker:innen an ihre gebrochenen Klima-Versprechen zu erinnern?" oder "Welche Bilder aktivieren ihr Mitgefühl - verdurstende Kinder, tropfende Gletscher oder zerfurchte Äcker?" Die anschließende Diskussion findet leider nicht auf der Bühne statt, sondern im Zwiegespräch, so will es das "Ministerium". Und die mehr als 300 Zweierguppen erzeugen im ausverkauften Saal in der Summe dann leider nur ein großes Rauschen.

Wiedersehen im Herbst?

Am Ende kommen dann aber noch einmal vier "echte" Straßenblockierer zu Wort. Eine von ihnen ist Solveig, Mutter von vier Kindern. Sie habe "Schmerzgriffe" von Polizisten erlebt und gesehen, wie "angeklebte Hände einfach abgerissen" wurden. Danach übernimmt Tim das Mikrofon und fasst nicht ohne Stolz die Erfolge der Letzten Generation zusammen: Mit lediglich 180 Aktivisten habe man im April in Berlin "an 33 Orten gleichzeitig" den Verkehr blockiert, mit dem legitimen Mittel des "zivilen Ungehorsams", gewaltfrei und auf dem Boden der demokratischen Ordnung. Danach lädt der junge Aktivist alle 700 Gäste dieses Abends ein, den nächsten Blockade-Gipfel im Herbst zu unterstützen: "Wir werden in diesem September wieder nach Berlin kommen, um der Bundesregierung zu zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir werden dabei nicht tatenlos zusehen - dazu möchte ich euch ganz herzlich einladen."

Zuschauerinnen sitzen am 16.06.2023 auf ihren Plätzen, während Schauspieler und Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation in der Volksbühne gemeinsam ein Programm gestalten. Das Haus hat zu einer "Hausbesuchung" eingeladen. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.06.2023, 7:55 Uhr

137 Kommentare

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  1. 137.

    In einer Demokratie, braucht es für Umfragen etc. keine besondere Legitimierung, um ein demokratisches Mittel zu sein.

    Tja, die Demokratie unseres Zuschnitts ist nicht nur Wahlen und Volksentscheid, wo sich die Politik etc. für die Meinung der Bürger interessiert , wäre auch sehr dürftig.,

  2. 136.

    Sie schwafeln Unsinn. Seit wann sind Umfragen ohne demokratische Legitimierung ein demokratisches Mittel?

  3. 134.

    „ In 20 Jahren wird man euch vermutlich feiern! “
    Ich hoffe doch sehr, dass man dann die Macher und nicht die Quatscher feiert!

  4. 133.

    Und wieder zwei zahlende Besucher weniger!!

  5. 132.

    Dann sollte ich nun doch auch mal wieder die Volksbühne besuchen. Und ein: „weiter so“ an die LG, ebenso ein: „vielen Dank für euren Einsatz für eine lebenswerte Zukunft“! In 20 Jahren wird man euch vermutlich feiern!

  6. 131.

    Ursprünglich ging es darum, dass laut Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung (80 - 85%) die Aktionen der LG ablehnt. Angenommen, man würde diese Umfrage zu einem Gegenstand bei einem Volksentscheid oder demokratischen Wahl machen, dass sich an dem Umfragergebnis gravierend was verändern würde?

  7. 130.

    Umfragen sind das Eine, demokratisch legitimierte Wahlergebnisse das Andere.

  8. 128.

    Was ist bloß aus dem Kulturgut der DDR geworden? Alles wurde runtergewirtschaftet, von Staatsoper bis Volksbühne."

    Und dann kam 1989.

  9. 127.

    Was ist bloß aus dem Kulturgut der DDR geworden? Alles wurde runtergewirtschaftet, von Staatsoper bis Volksbühne.

  10. 126.

    Könnte ja auch sein das die Herrschaften der Volksbühne eine Umgestaltung ihres Hauses durch die LG mit orangener Farbe zuvorkommen wollen. Also Flucht nach vorn und sich lieber mit der LG solidarisieren, bevor sie dieses Haus auch noch ins Visier nehmen.

  11. 125.

    Dann soll sich die sogenannte "Volksbühne" zukünftig auch von der letzten Generation finanzieren lassen. Ich werde dort nicht hingehen.

  12. 124.

    Eine Umfrage ist ein demokratisches Mittel zu Erhebung des Meinungsbildes in der Bvölkerung, zum einem bestimmten Thema.
    Meinungsumfragen sind ein fester Bestandteil aller freiheitlichen Demokratien!

  13. 123.

    Wurde er. Leider. Zu Ihrer Orientierung: Stau kommt natürlich auch ohne LG vor. Der Lag Stau ist jedoch VORSÄTZLICH herbeigeführt und zudem wegen der Verklebung unbeweglich. Kurzum: vollständige Blockade.

    Schauen Sie doch mal was passiert wenn Einsatzfahrzeuge auf einen regulären Stau treffen in Berlin; die Jungs kommen durch.

    Noch eine Frage, die mir die LG nicht beantworten konnte: warum sind eigentliche angebliche Reiche im Visier mit ihren Flügen? Es ist doch eher der billigen Massentourismus, wie Ihre Kollegen nach Thailand

  14. 122.

    Etwa die Hälfte des Bundeshaushalts wird für Soziales ausgegeben das sind ca 200 Milliarden, und sie behaupten für Individualverkehr werden mehr als 100 Milliarden ausgeben? Für was bitteschön, soll es sein?
    Sie wollen doch nicht behaupten das es keinen Transportverkehr gibt, da jeden Tag 1,3 Millionen LKWs auf hiesigen Autobahnen unterwegs sind, auf den Landstraßen noch mehr, bakannter weise, sind sie es die den Fahrbahnen zusetzen!, dem ist auch in den Städten so!

    Ein Blick in die Ausgaben des Bundes bringt Klärung.

  15. 121.

    Ist wohl keine Bühne fürs Volk mehr. Schade."
    Weil "das Volk" nur das im gerade Genehme hören will?
    "Das Volk" kann sich gerne auch mal mit anderen Ansichten konstruktiv, also nicht auf den Youtube-BILD-afd-Schiene auseinandersetzen.
    Vielleicht hat "das Volk" ja dadurch einen Erkenntnisgewinn.
    Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

  16. 119.

    Da Herr Ackermann als Kritiker hier immer Kulturkritiken schreibt, gehe ich davon aus, dass dieser Artikel eine Theaterkritik ist.

  17. 118.

    Und was ist mit den Autofahrerinnen? Als wenn nur die Autofahrer keine Rettungsgasse bilden. Im übrigen kommt die Meldung von der Schwanngeren von dieser selbst, unterstellen Sie ihr also das sie lügt und sie aus gewissen Kreisen (welche sollen das sein)kommt?

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