Drehort: Filmstudio Babelsberg - Neue Berliner Straße
Die "Neue Berliner Straße" gab und gibt es nicht. Dabei braucht man in ihr nur wenige Minuten, um von Charlottenburg ins Moka Efti in der Friedrichstraße zu gelangen. 15.000 Quadratmeter Filmkulisse gefüllt mit dem Berlin der Goldenen Zwanziger.
Eine Hauptrolle für die Stadt Berlin! So lautet die grundsätzliche Entscheidung vor Beginn der Dreharbeiten an der Serie Babylon Berlin. Die ganze Stadt der Zwanzigerjahre soll porträtiert werden und zum Protagonisten der gesamten Filmreihe avancieren. Leider steht aber diese Stadt der Zwanzigerjahre nicht mehr als Drehort zur Verfügung. Daher wird nach passenden Motiven in Budapest und Prag gesucht. Als dann die Filmstudios in Babelsberg ihr Interesse für den Bau eines neuen Backlots, einer neuen Außenkulisse, signalisieren und alle erforderlichen Gelder eingeworben werden können, stehen die Regisseure der Serie vor ungeahnten Möglichkeiten. Die Neue Berliner Straße in Babelsberg wird eigens für die Anforderungen von Babylon Berlin entworfen und gestaltet. Der Szenenbildner Uli Hanisch erinnert sich: "Es war eine Sternstunde, ein echter Glücksfall!".
Von arm bis mondän
Im Backlot sind möglichst viele verschiedene berlintypische Gebäude untergebracht: Auf insgesamt 15.000 Quadratmetern gibt es 54 Hausfassaden, einige mit ausgebauten Räumen; es gibt Ladengeschäfte, begehbare Balkons, Tordurchfahrten, einen Stadtplatz, Warenhäuser und düstere Innenhöfen. Vier Straßen schließen sich zu einem Karree, im Inneren sind die Hinterhöfe angeordnet. Von Straßenzug zu Straßenzug ist ein fließender Übergang geschaffen von einer modernen Geschäftsstraße über eine wohlhabende Wohngegend, mittleren Wohnvierteln bis hin zu einem armen Stadtquartier, so dass die gesamte architektonische und soziale Bandbreite der Stadt als Kulisse abgebildet ist.
In der mondänen Geschäftsstraße, in der Serie die Friedrichstraße, befinden sich beispielsweise die spektakuläre Fassade des Tanzlokals Moka Efti und das Café Josty. An die Friedrichstraße schließen sich Wohnhäuser an, die in Wilmersdorf oder Charlottenburg stehen könnten: aufwändige Stuckfassaden mit Erkern und Balkons. Hier liegt in der Serie die Wohnung von Swetlana Sorokina, gegenüber wohnt Gereon Rath bei der Witwe Elisabeth Behnke. Biegt man in den nächsten Straßenzug ein, werden die Hauswände schlichter, die Farbgebung dunkler und der Straßenbelag wechselt von Asphalt zu Kopfsteinpflaster: ein kleinbürgerlicher Wohnbezirk, vielleicht in besseren Ecken Kreuzbergs oder Friedrichshains. Hier entsteht beispielsweise die Szene, in der ein Informant vor den Augen von Kommissar Rath und seinem Zimmernachbarn Katelbach ermordet wird.
Biegt man wieder um die Ecke, landet man in Wedding oder einem ähnlichen Arbeiterbezirk. Der Putz blättert von den Fassaden, die Läden sind klein und schmucklos, an den Fabrikwänden stehen kommunistische Parolen. Hier werden die blutigen Auseinandersetzungen am 1. Mai gefilmt. Die Fassaden im Backlot enden meist über dem zweiten Stockwerk, der Rest des Hauses muss, wenn nötig, digital ergänzt werden. Über 40 verschiedene Motive liefert der Backlot für Babylon Berlin - das zeigt die große Flexibilität der Fassadenstadt.
Fast ohne Fenster...
Fünf Monate dauern die Bauarbeiten für die Außenkulisse. Zum Schluss hätte man beinahe die Fenster vergessen. In letzter Minute glast ein Team nahezu 600 Fenster ein. Hinzu kommen jeweils individuelle Vorhänge für die dahinterliegenden "Wohnungen". Die Fassaden sind nun einsatzbereit. Aber vor dem jeweiligen Drehbeginn muss ein Team vor Ort die leere und "tote" Studiostraße mit Leben füllen, ein Prozess, der durchaus sechs Wochen in Anspruch nehmen kann. Denn es muss buchstäblich alles in die Kulissen geschafft werden, was sich in einer echten Straße selbstverständlich anfindet – einschließlich des Unkrauts an der Hausecke.