Fragen und Antworten - Was Sie zu Stadttauben wissen sollten
"Ratten der Lüfte": Stadttauben haben im Allgemeinen einen schlechten Ruf. Doch so gut wie alle Probleme, die diese Vögel mit sich bringen, sind menschengemacht. Grundsätzliche Fragen und Antworten fasst Naomi Donath zusammen.
Wie viele Stadttauben gibt es in Berlin?
Expert:innen schätzen, dass es mindestens 10.000 Stadttauben in Berlin gibt.
Was sind Stadttauben und wo kommen die vielen Tiere in Berlin her?
Stadttauben (Columba livia forma domestica) sind genetische Nachkommen der Felsentaube - einem Wildtier, das der Mensch domestiziert und gezüchtet hat, sodass es ganzjährig Eier legt. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg und in die 1950er Jahre hinein war es auch in Berlin üblich, Tauben als Nutztiere für Eier, Fleisch und Federn auf Dächern und Dachböden zu halten.
Laut einer genetischen Studie aus Italien [sciencedirect.com] haben Stadttauben denselben genetischen Fingerabdruck wie lokale Brieftauben. Sie haben sich über die Jahre durchmischt mit Brieftauben und Haustauben. Stadttauben gelten biologisch als verwilderte Haustiere. Anders als Wildtiere wie die Ringeltaube suchen sie die Nähe des Menschen.
Viele Stadttaubenschwärme bestehen nicht nur aus verwilderten Haustauben und deren Nachkommen, sondern auch aus Zuchttauben, die aus privaten Taubenschlägen entflogen sind. Außerdem vergrößert der Brieftaubensport die Population - gestrandete Brieftauben und ausgesetzte Hochzeitstauben oder Friedenstauben schließen sich den Stadttaubenschwärmen an.
Wie ist der rechtliche Status der Tiere?
Ein Gutachten der Berliner Landestierschutzbeauftragten von 2021 [berlin.de] ordnet Stadttauben juristisch als Haustiere ein. Daraus würden sich dann mögliche Verpflichtungen des Landes Berlin und der Bezirke ergeben. Allerdings ist die juristische Einordnung von Stadttauben gerichtlich nicht geklärt, es bestehen dazu verschiedene Ansichten.
Wie alt werden Stadttauben?
Da sie Straßentiere sind, werden sie oft nicht älter als zwei Jahre - so wie Straßenkatzen. Im Vergleich: Ringeltauben, also Wildtauben, haben eine Lebenserwartung von bis zu 15 Jahren.
Ist es in Berlin erlaubt, Stadttauben zu füttern?
Grundsätzlich ja, außer an Bahnhöfen und um Bahnhöfe herum. Einige Bezirke schränken das Füttern auf öffentlichen Flächen aber über das Straßenreinigungsgesetz [gesetze.berlin.de] und das Grünanlagengesetz [gesetze.berlin.de] ein und verhängen Bußgelder, wenn es zu einer Verschmutzung kommt.
Ist es sinnvoll, Stadttauben zu füttern?
Wenn Einzelpersonen Tauben mit artgerechtem Futter füttern, lindert das kurzfristig das Leid der Tiere. Es ändert aber nichts an dem menschengemachten Stadttaubenproblem: Den Tieren wurde angezüchtet, ganzjährig zu brüten. Dadurch vergrößert sich die Population, wenn keine Populationskontrolle durch Eier-Austausch stattfindet.
Sinnvoll ist das Füttern aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten daher im Rahmen eines betreuten Taubenschlags, in dem die Eier ausgetauscht werden, bei zusätzlichem Verschließen aller wilden Brutplätze und einem Fütterungsverbot um den Taubenschlag herum. Artgerechtes Futter für Stadttauben sind Körner wie Mais und Weizen sowie Samen wie Sonnenblumenkerne. Brot ist kein artgerechtes Futter. Zusätzlich brauchen die Tauben frisches Wasser.
Unkontrolliertes Füttern ohne Austausch der Eier schadet den Stadttauben langfristig. Zum einen vergrößert sich dann die Population. Zum anderen wird oft nicht artgerecht gefüttert. Von Brot, Haferflocken und Imbissresten bekommen die Tauben Durchfall und sind anfälliger für Krankheitserreger. Deswegen wäre eine tierschutzgerechte Reduzierung der Population durch Austauschen der Eier und artgerechte Fütterung auch im Sinne der Tauben: Dann würde es zwar weniger, aber gesündere Stadttauben geben.
Werden dadurch nicht die Ratten gefüttert?
Bei wildem/unkontrolliertem Füttern: Ja, weil meistens Futter liegen bleibt. Bei kontrolliertem Füttern im Rahmen eines betreuten Taubenschlags kann so gefüttert werden, dass nur die Tauben das Futter bekommen.
Charlottenburg-Wilmersdorf kann sich vorstellen, "Tierfreunde füttern nicht"-Schilder aufzustellen. Pankow und Mitte empfehlen, ein Fütterungsverbot für Stadttauben zu erlassen. Was würde das bringen?
Stadttauben wurde angezüchtet, nicht nur saisonal, sondern ganzjährig zu brüten (sogenannter "Brutzwang"). Sie brüten bis zu sieben Mal im Jahr und legen jeweils zwei Eier. Sie legen auch Eier, wenn sie keine oder kaum Nahrung finden. Ein Fütterungsverbot bzw. "Aushungern" würde nichts an ihrem angezüchteten Brutverhalten ändern - es würden weniger Küken überleben. So ein Fütterungsverbot wäre aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten allerdings nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar.
Daraus lassen sich unterschiedliche Handlungsempfehlungen ableiten. Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf argumentiert mit dem Artenschutz: "Straßentauben sind (…) verwilderte Haustiere, die in großer Zahl vorkommen und daher keines besonderen Schutzes als bedrohte Art bedürfen." Sie hätten eine "sehr gute Futtergrundlage". Die Landestierschutzbeauftragte sieht das Land Berlin und die Bezirke in der tierschutzrechtlichen Verantwortung, Stadttauben nicht verhungern zu lassen. Nur eine artgerechte Fütterung in betreuten Taubenschlägen, einhergehend mit einem Fütterungsverbot in unmittelbarer Umgebung, könne der weit verbreiteten Mangel- und Fehlernährung der Stadttauben entgegenwirken und den prekären Gesundheitszustand der Tiere verbessern.
Was ist mit dem Kot der Tauben?
Stadttauben finden in der Stadt kein artgerechtes Futter, sondern ernähren sich von Essensresten und Lebensmittelabfällen, die sie im öffentlichen Raum finden, z.B. Brot oder Pommes. Diese Mangelernährung schwächt ihr Immunsystem und macht sie anfälliger für Krankheitserreger. Von dieser Fehlernährung bekommen die Tauben Durchfall. Ihr dünnflüssiger Kot (sogenannter „Hungerkot“) sorgt für eine stärkere Kotverschmutzung und ein höheres Kotaufkommen und lässt sich schwerer entfernen. Bei artgerechter Ernährung haben Tauben einen festen Kot.
Tauben gelten als "Ratten der Lüfte". Wie gefährlich sind sie für Menschen?
Stadttauben stellen grundsätzlich keine größere Gesundheitsgefahr für Menschen dar als andere Vogelarten. Natürlich können Tauben krank oder von Parasiten befallen sein. Deshalb sollte man Tauben oder deren Exkremente möglichst nicht ohne Handschuhe anfassen.
Gefährlich ist der getrocknete Taubenkot. In dem können Krankheitserreger lange überleben. Wenn dieser eingetrocknete Taubenkot aufgewirbelt wird, z.B. durch fliegende Tauben oder beim Reinigen eines Taubenschlags, sollte man eine Atemschutzmaske tragen. Denn durch das Einatmen des Krankheitserregers kann man eine Ornithose bekommen. Das ist eine meldepflichtige Infektionskrankheit, die lebensbedrohlich verlaufen kann. Vorherrschend ist laut Robert-Koch-Institut eine fieberhafte Lungenentzündung. Hauptsächlich betroffen sind Halter:innen/Züchter:innen von Vögeln, auch von Tauben. Eine Übertragung auf Passant:innen findet im städtischen Alltag praktisch nicht statt.
Laut dem Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des Robert-Koch-Instituts [rki.de] wurden 2020 bundesweit 13 Ornithosen gemeldet, davon fünf Erkrankungen in Brandenburg. 2019 wurden bundesweit elf Ornithosen gemeldet, davon zwei in Brandenburg. 2018 wurden bundesweit neun Ornithosen gemeldet, davon eine in Brandenburg und eine in Berlin. Nicht alle Ornithosen gehen aber auf den Kontakt mit Tauben oder Taubenkot zurück.