Modemesse - Die Berliner Fashion Week hat sich emanzipiert
Zum ersten Mal findet die Fashion Week unabhängig von den Modemessen statt und auch nicht parallel zu anderen Modewochen. Das Programm ist entzerrt und dezentral, es gibt viel zu entdecken. Von Magdalena Bienert
Nach der Fashion Week in Kopenhagen, aber noch vor New York: Das ist der neue Termin der Berliner Modewoche in diesem Jahr. Die Berliner Fashion Week findet also zum ersten Mal unabhängig von den Modemessen statt und hat sich damit gewissermaßen emanzipiert. Seit 2007 findet sie jährlich zwei Mal statt und hat sich seit Corona einmal mehr neu erfunden.
Der große Hauptsponsor ist jetzt weg und die Labels können sich entsprechend ihrem Budget an Orten zeigen, die zu ihnen passen. Sie müssen damit keine teure Miete beim Hauptsponsor leisten und stehen im offiziellen Schauenkalender gleichwertig neben den großen Labels.
Mode braucht eine Bühne, Kreativität die Freiheit
Der Berliner Senat gibt jährlich vier Millionen Euro zur Modewoche dazu, so ist im Bikini-Haus die Nachwuchs-Plattform VORN entstanden. Seit 2015 hat sich zudem der Berliner Salon zu einem Sprungbrett für Mode-Absolvent:innen gemausert. Am Montag wurde er im Kronprinzenpalais Unter den Linden eröffnet und ist seit Dienstag für alle zugänglich.
Hier stellen 40 Nachwuchs-Designer:innen ihre Arbeiten aus und machen den Großen vor, wie Nachhaltigkeit längst in ihre DNA übergegangen ist, ohne, dass man es groß draufschreiben muss. Christiane Arp, ehemalige Vogue-Chefredakteurin, hat den Berliner Salon 2015 mit aus der Taufe gehoben und zwar "aus tiefer Frustration darüber, weil wir das Gefühl hatten, dass Designer:innen nicht die Bühne haben, die sie brauchen." Eine Bühne sei aber essenziell, damit "Mode sich kommuniziert", sagt sie.
25.000 Menschen würden aktuell in der Modebranche arbeiten, erklärt Staatssekretär Michael Biel von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Energie enthusiastisch im Kronprinzenpalais. Fünf Milliarden Euro Umsatz würde die Branche erwirtschaften, das sei nicht wenig. Berlin habe großes Potential, wieder eine anerkannte Modestadt zu werden, so Biel.
Mit dem spannenden Nachwuchs kann das sogar klappen. Christiane Arp betont, dass Berlin sich nicht vergleichen soll (mit Paris oder Mailand), ein Alleinstellungsmerkmal sei wichtig, eine eigene Identität. Und würde man Modemacher:innen aus Berlin fragen, was dieses Alleinstellungsmerkmal wäre, würden alle sagen: das Gefühl von Freiheit.
Nachhaltigkeit schon in der DNA
Die unzähligen Förder-Plattformen tragen sicher zu dieser Freiheit bei und der Berliner Salon ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wer hierhin eingeladen wird, hat ein großes Entwicklungs-Potential und verfolgt neue Pfade. So hat Designerin Siri Majaroen eine Technik entwickelt, um aus gebrauchten T-Shirts Meterware herzustellen, um gänzlich neue Outfits daraus zu machen.
Ali Amin macht mit ihrem Label "Haram" (zu deutsch "verboten") aus alten Sneakern Taschen und Korsagen, neue Werkstoffe zu benutzen, käme für sie nicht in Frage. "Hier ist eine Generation, die sich aufmacht, die können wirklich was verändern", sagt Christiane Arp.
Nicht umsonst hat Greenpeace gerade zur Modewoche am Brandenburger Tor einen riesigen Klamotten-Container ausgekippt: 4,6 Tonnen Fast Fashion-Müll, der fast nur aus Plastikfasern besteht.
Weg von Fast Fashion
Auch Wahlberliner William Fan war einst beim Berliner Salon und gehört seit neun Jahren zur festen Größe bei der Fashion Week. Von Fast Fashion ist seine hochpreisige Mode weit entfernt.
Er lud Montagabend exklusiv nach Westend ein, in eine ganz besondere Location: die Aufwärmhalle des Olympiastadions. In Fell-Puschen liefen über 30 Models zu Musik von The Knife und Caribou, die etwas zu laut schepperte. Der nächste Winter wird salbeifarben, braun und schwarz in gemütlichen Oversize- und Kaschmir-Looks.
Fashion Week für Alle
Außer zum Berliner Salon geht es ohne Einladung unter anderem in diesem Jahr wieder zur PLATTE.Berlin am Alexanderplatz. Im Next Gen Pop Up Store kann die Designer-Ware hier auch gleich gekauft werden.
Erstmals bespielt wird das leerstehende C&A-Gebäude in der Neuköllner Karl-Marx-Straße. Hier ist die "Mall of Anonymous" entstanden mit Installationen und Shows. Der Eintritt ist kostenlos.
270 Tickets können wiederum für die Shows am Mittwoch in der Verti Music Hall gekauft werden. Hier haben sich Marcel Ostertag, Rebekka Ruétz, Kilian Kerner und Danny Reinke beim "W. E4. Fashion Day" zusammengeschlossen. Die Erlöse der Eintrittskarten werden einem guten Zweck gespendet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.02.2024, 06:55 Uhr