Naturschutz, Bauordnung, Denkmalschutz - Berliner Senat will für schnelleren Wohnungsbau mehrere Gesetze ändern

Di 09.04.24 | 14:17 Uhr
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Archivbild:Kräne und Rohbauten sind am Abend des 21.06.2021 bei Sonnenuntergang auf der Baustelle des Quartier Heidestraße in Berlin zu sehen.(Quelle:picture alliance/dpa/L.Ferstl)
Video: rbb24 Abendschau | 09.04.2024 | D. Knieling | Bild: picture alliance/dpa/L.Ferstl

Durch ein neues Gesetz soll in der Hauptstadt der Wohnungsbau vorangetrieben werden. Fristen sollen verkürzt werden, unter anderem Straßengesetz und Bauordnung sind betroffen. Einwände der Naturschutzbehörde würden weniger stark gelten.

  • Schwarz-rote Koalition will Wohnungbau beschleunigen
  • Mehrere bestehende Gesetze sollen auf einmal geändert werden
  • Das betrifft unter anderem die Bauordnung, das Naturschutz-, das Denkmalschutz-, das Landeswald- und das Straßengesetz
  • Wirtschafts- und Umweltverbände sollen sich nun zum Entwurf äußern
  • Koalition peilt einen Parlamentsbeschluss bis zum Jahresende an

Der Berliner Senat hat seinen Entwurf eines Gesetzes, das schnelleres Bauen ermöglichen soll, fertiggestellt. Mit den vorgesehenen Änderungen will die schwarz-rote Landesregierung vor allem den Wohnungsbau beschleunigen.

Im Kern sollen verkürzte Fristen und neue Standards gelten. Außerdem sollten bei Bauprojekten frühzeitig alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden.

Mehrere Gesetze müssen geändert werden

Bei dem Entwurf handelt es sich um ein sogenanntes Artikelgesetz, mit dem mehrere bestehende Gesetze auf einmal geändert werden sollen. Neben der Bauordnung zählen dazu unter anderem das Naturschutz-, das Denkmalschutz-, das Landeswald- und das Straßengesetz. Auch die Baumschutzverordnung soll geändert werden.

Mit den Reformen soll es möglich werden, dass das Land stärker eingreifen darf bei Bauvorhaben, für die die Bezirke zuständig sind. Außerdem werden Fristen für Stellungnahmen von Behörden und Umweltverbänden neu eingeführt beziehungsweise verkürzt. Weil es derzeit bis zu einem Jahr dauert, bis eine Baustelle auf öffentlichem Straßenland eingerichtet werden kann, soll im Straßengesetz geregelt werden, dass Anträge für Wohnungsbau-Baustellen vorrangig bearbeitet werden.

Einvernehmen zwischen Bau- und Naturschutzbehörden künftig nicht mehr nötig

Überhaupt soll dem Wohnungsbau in den verschiedenen Gesetzen eine besondere Bedeutung zukommen. So ist vorgesehen, dass das öffentliche Interesse an solchen Bauprojekten auch im Landeswaldgesetz stärkeres Gewicht bekommt. Dort geht es um die Frage, wo Waldflächen für andere Zwecke umgewidmet werden dürfen.

Außerdem sieht der vom Senat nun an die Verbände versandte Entwurf des "Schneller-Bauen-Gesetzes" vor, dass zwischen den Bau- und Naturschutzbehörden künftig nicht mehr zwingend "Einvernehmen" hergestellt werden muss. Das heißt, dass Baugenehmigungen auch trotz Einwänden von Naturschutzbehörden erteilt werden könnten. Dies ist auch im Bundesnaturschutzgesetz so geregelt. Das Berliner Gesetz räumt dem Naturschutz bislang allerdings stärkeres Gewicht ein, was immer wieder zu Bauverzögerung führt.

Bauwirtschaft zeigt sich zufrieden

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bezeichnete die Eingriffe in die Natur für Wohnungsbau als vorgeschoben. "Der Senator sagt gern, das Naturschutzrecht würde beim Bauen mißbraucht werden. Aber wer Gerichtsverfahren regelmäßig gewinnt, kann nicht unrecht haben. Man kann es aber besser machen", sagte Tilman Heuser, der Berliner Landesgeschäftsführer des BUND dem rbb.

Die Bauwirtschaft zeigte sich dagegen sehr zufrieden mit dem Entwurf. "Tatsächlich wurden wir von Anfang an in die Arbeit eingebunden, das wissen wir zu schätzen. Das Praxiswissen, was wir durch unsere Mitglieder haben, konnten wir dort einfließen lassen", sagte Katarzyna Urbanczyk-Siwek, Geschäftsführerin des Branchenverbandes Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, dem rbb. Man habe für das Gesetz 700 Vorschläge eingereicht, 70 seien angenommen worden. "Es gab mehrere Punkte, in denen wir erfolgreich waren", sagte Urbanczyk-Siwek.

"Kickoff"-Termine, "Projektlotsen" und mehr Digitales

Abseits der Gesetze, die geändert werden sollen, um den Wohnungsbau zu beschleunigen, plant der Senat im Rahmen seiner Initiative weitere Änderungen. So soll es bei großen Planungsvorhaben künftig einen "Kickoff"-Termin geben, bei dem alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden. Außerdem sollen sogenannte "Projektlotsen" in den Bezirksverwaltungen etabliert und mehr Prozesse digital abgewickelt werden.

"Wir wollen vor allem Prozesse besser strukturieren, berechenbarer machen und wir wollen einheitliche Kriterien anwenden, um in Berlin Bauen schneller voranzubringen und schneller zu Entscheidungen zu kommen", erläuterte der Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) dem rbb. Der Entwurf wird jetzt Wirtschafts- und Umweltverbänden zur Stellungnahme vorgelegt.

Nach den Stellungnahmen der Verbände plant die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, den Entwurf für das Gesetz vor der Sommerpause in den Senat einzubringen. Anschließend soll es dem Rat der Bürgermeister zur Stellungnahme vorgelegt werden. Nach der Sommerpause könnte es dann den finalen Senatsbeschluss geben und anschließend die Beratungen im Abgeordnetenhaus. Die schwarz-rote Koalition peilt einen Parlamentsbeschluss bis zum Jahresende an.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.04.2024, 13.40 Uhr

42 Kommentare

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  1. 42.

    Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (Denkmalschutz, Naturschutz...) ergibt sich aus dem Baugesetzbuch, nicht aus der Berliner Bauordnung. Ich glaube kaum, dass der Senat diese Änderungen durchsetzen kann.

  2. 41.

    Genau und da könnte auch Kitaplätze rein oder für Versammlungen und so.

  3. 39.

    Sehr gut, aber viel zu spät und viel zu langsam! Insbesondere Denkmalschutz gehört auf den Prüfstand! Was teilweise geschützt wird und blockiert ist durch die jahrelangen Versäumnisse von den Parteien der letzten 3 Jahrzehnten nicht mehr tragbar.

  4. 38.

    Eine zeitnahe Überarbeitung der aktuellen Wohnraumgesetze ist meiner Meinung nach Prioritär. Wenn man sich folgendes Szenario der Wohnraumvergabe vorstellt .Wann hören wir auf Trinkwasser in den Toiletten herunter zu spülen? (ca. 4-9 Liter pro Nutzung) Lösungen gibt es bereits Grauwasser zu sammel und dafür zu nutzen. Eine bessere Kreislaufwirtschaft, ressourcensparend an der jeder einzelne teilnehmen kann. Bis die Umrüstung abgeschlossen ist einfach die Spartaste drücken und daran denken, ohne Trinkwasser halten wir nur 3 Tage durch.

  5. 37.

    Ich plädiere für Umnutzung der steuerfinanzierten, kaum genutzten Verwaltungsetagen in Bürogebäuden, z.B. für Studierende und generationsübergreifende Gemeinschaftwohnprojekte mit Mietpreisbindung eines rechtlich, gesicherten qualifizieren Mietspiegels. Verdichten von den Stadtbelüftungsachsen durch Neubau wird uns Lebensverhältnisse bringen, aus die andere Städte dieser Welt versuchen schon verzweifelt heraus zu kommen.

  6. 36.

    "Die Schnellstraße TVO durch den Osten Berlins kann man sich klemmen, und von der halben Milliarde gespartem Geld in den Wohnungsbau investieren."
    Dann muss man aber wie zu Corona- Zeiten zu Hause bleiben, weil man durch den Stau oder mangels ÖPNV nicht durch kommt zum Ziel.

  7. 35.

    Es gibt doch reichlich leere Dachböden die ausgebaut werden könnten. Dafür müsste kein neuer Standort belegt werden. Gleichzeitig mit dem Dachausbau könnten Solarpaneele auf die Dächer kommen. Wohnraum und erneuerbare Energie.

  8. 34.

    Ich finde es schon wichtig auf die Natur zu achten aber es kann doch nicht sein dass ausgewiesene Baugrundstücke nicht bebaut werden können weil da irgendeiner eine Kröte über den Zaun geworfen hat. Ich bin dafür die dass alle die solche Baumaßnahmen verhindern wollen, wegen Kleintieren auf riesigen Grundstücken, ihre Wohnung Wohnungssuchenden zur Verfügung stellen. Dann überlegen sie vielleicht auch was wichtiger ist eine Wohnung oder ein Froschlurch auf einem Baugrundstück.

  9. 32.

    Das Tempelhofer Feld ist für Hochhäuser mit 100 Etagen wie geschaffen.
    Was in Dubai möglich ist, sollte auch in Berlin funktionieren.
    Dort könnten dann bis zu einer halben Million Menschen wohnen.

  10. 31.

    Die S-Bahn-Strecke vom Ostbahnhof bis Ostkreuz kann komplett mit Wolkenkratzern überdacht werden.
    Schließlich waren die "Wir haben Platz!"-Rufe in dieser Gegend sehr laut.
    Ebenso wird man in den Grünen-Hochburgen sicherlich in jede Baulücke ein Hochhaus herbeiwünschen. Denn dort findet man den unbegrenzten Zuzug nach Deutschland offenbar sehr schön.

  11. 30.

    SPD, FDP und Grüne wollten doch auch schon 400.000 neue Wohnungen bauen lassen.
    Was ist daraus geworden?
    Solche Vorhersagen treffen doch so gut wie nie mehr ein.
    Politiker denken, sie können etwas beschließen, und dann passiert das.

  12. 29.

    Nur dass die gierigen Investoren nicht selber arbeiten sondern andere arbeiten lassen.

  13. 28.

    Der Senat muss auch seine begrenzten Mitarbeiter-Kapazitäten besser priorisieren. Die Schnellstraße TVO durch den Osten Berlins kann man sich klemmen, und von der halben Milliarde gespartem Geld in den Wohnungsbau investieren.

  14. 27.

    Endlich etwas tun, um mehr Wohnungsbau zu ermöglichen. Die Bezirke sind fast vollständig gegen den Bau von Wohnungen in der Nähe von Anwohnern. Es gibt einen stadtweiten Bedarf an viel mehr Wohnungen, und zwar in allen Bezirken. Es ist allerdings deprimierend, wie viele Gelegenheiten im letzten Jahrzehnt der niedrigen Zinsen verpasst wurden.

    Was jedoch fehlt, ist die Normalisierung der höheren Dichte. Warum muss jeder Neubau in Gründerzeitvierteln einen großen, leeren Hof haben statt einer dichten Bebauung wie im Rest des Kiezes?

  15. 26.

    Die genannten Dinge sind Anforderungen, die sich aus dem GEG ergeben, einem Bundesgesetz. Da hilft kein Rückgriff auf alte Bauordnungen.

  16. 25.

    Vielleicht sollte man auf die alte Bauordnung von 2007 zurückgehen. Wir verbrochen im Haus sehr wenig Energie. Ich frage mich bei der Dreifachverglasung unter noch dickeren Dämmung plus Entlüftung des Hause.
    Für die Herstellung dieser ganzen Sachen wird auch CO2 ausgestoßen plus der Transport.
    Dieser muss ja erst mal in der Lebensdauer des Gebäudes eingespart werden. Rechnet sich das überhaupt richtig? Ich glaube nicht.
    Man könnte mit der alten Bauordnung viel günstiger bauen und schneller bauen, da so ein Haus ja auch nur eine bestimmte Lebensdauer hat.

  17. 24.

    Bitte mal die UN-Nachhaltigkeitskriteien ansehen, liebe Politik! Stichwort: Flächenversiegelung verringern.
    Und nach dem Kinder- und Jugendbeteiligungsgesetz junge Menschen beteiligen, diese müssen die Suppe nämlich auslöffeln.

    Und nebenbei: wir wissen noch, dass Berlin wegen des cdu-Filzes Pleite war, alles verscherbeln musste und deshalb so "gedieh".

  18. 23.

    >"sage nur Reichsbahngelände von der Warschauer bis zum Ostkreuz passen noch viele Wohnhäuser hin."
    Das ist aber richtig teures Bauland. Da ist dann nix mit relativ preiswerten Wohnungen.

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