Interview | Deutscher Tierschutzbund - "Am Hungerknick erkennt man, ob der Igel untergewichtig ist"
Der Deutsche Tierschutzbund ist besorgt über die zunehmende Zahl untergewichtiger und kranker Igel. Die Tiere finden nicht mehr genug Futter, wie Lea Schmitz im Interview sagt. Wer jetzt nicht genug futtert, kommt nicht über den Winter.
rbb: Frau Schmitz, warum geht es den Igeln momentan so schlecht?
Lea Schmitz: Es sind Insektenfresser. Bedingt durch den Klimawandel, durch Pestizide und den Lebensraumverlust haben wir immer weniger Insekten, was den Igeln zu schaffen macht. Sie finden keine Nahrung mehr. Dazu kommt beispielsweise, dass Mähroboter im Einsatz sind, die den Igel massiv verletzen können. Die Gärten sind auch total aufgeräumt und geordnet, wo sie kaum Nahrung und Unterschlupf finden.
Wenn sie keine Insekten zum Fressen finden, gibt es doch auch Igelfutter zu kaufen? Oder kann man Igel auch mit Milch füttern?
Milch auf keinen Fall. Beim Igelfutter muss man auch schauen, weil oft Getreide oder Obst enthalten sind. Wir empfehlen Katzenfutter mit einem hohen Fleischanteil, also Katzenfeuchtfutter. Damit kann man schon mal zufüttern. Man muss halt gucken, ist der Igel wirklich nur dünn oder ist er vielleicht sogar krank oder verletzt? Dann sollte man auf jeden Fall zu einem igelkundigen Tierarzt oder eine Auffangstation kontaktieren.
Auffällige Verletzungen erkennt man ja vielleicht. Aber woran erkennt man, dass der Igel wirklich Hilfe braucht?
Anfang November sollte der Igel um die 500 Gramm wiegen. Das ist so eine Richtschnur, damit er in den Winterschlaf gehen kann. Wenn er deutlich weniger wiegt, braucht er auf jeden Fall Hilfe. Man erkennt es daran, dass der Igel nicht rundlich birnenförmig ist, sondern er wirkt eingefallen. Es gibt eine Art Knick im Genick, den sogenannten Hungerknick. Daran erkennt man auch, dass er untergewichtig ist.
Wenn Igel tagsüber unterwegs sind, ist das immer ein sehr schlechtes Zeichen. Denn es sind nacht- und dämmerungsaktive Tiere. Deshalb begegnen wir ihnen eher selten. Wenn sie apathisch sind, rumtorkeln, sollte man eingreifen und die Tiere zu einer sachkundigen Pflegestelle oder eben einem igelkundigen Tierarzt bringen.
Gibt es etwas, was man auf gar keinen Fall machen sollte?
Auf gar keinen Fall sollte man, wie gesagt, falsch zufüttern und sich vorher erkundigen oder lieber gar nicht füttern, bevor man dem Igel irgendetwas anbietet, was ihm schadet. Wichtig ist zum Beispiel auch, wenn man ihn sichert, muss man immer dran denken, dass es Wildtiere sind. Man sollte nur eingreifen, wenn der Igel wirklich Probleme hat und in Gefahr ist. Wenn man ihn in einer Kiste reinholt und warmstellt, sollte man vorher gucken, ob zwischen den Stacheln Fliegeneier sind und diese absammeln. Im Warmen können sich die Tiere sonst entwickeln und das kann richtig gefährlich werden.
Im Herbst sammeln alle wieder flächendeckend Laub auf. Was bedeutet das für den Igel?
Zum einen finden Igel im Laub natürlich Insekten. Wenn das alles weggeräumt wird, ist auch die Nahrung weg. Natürlich sind Laub- oder Reisighaufen auch ein Unterschlupf für den Winterschlaf. Also lieber das Laub in der Ecke im Garten irgendwo aufschichten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Lea Schmitz führten Katrin Wosch und Tom Böttcher, Radioeins.
Der Text ist eine redigierte Fassung. Das Gespräch können Sie auch oben im Audio-Player nachhören.
Sendung: Radioeins, 21.10.2024, 09:40 Uhr