Proteste gegen LNG-Gipfel in Berlin - Ungeladene Gäste

Mi 11.12.24 | 07:23 Uhr | Von Birgit Raddatz
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Demonstration gegen den "World LNG Summit" (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)
Sebastian Gollnow/dpa
Audio: rbb24 Inforadio | 11.12.2024 | Birgit Raddatz | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Erstmals findet der "World-LNG-Summit" in Deutschland statt. Während sich Lobbyisten und Politiker in Berlin hinter verschlossenen Türen treffen, protestieren hunderte Menschen davor. Es gibt Festnahmen und gegenseitige Gewaltvorwürfe. Von Birgit Raddatz

In einem Café in der Nähe der Berliner Friedrichstraße beugt sich Claudia Röseler über ein großes Glas Tee. Sie will sich noch einmal aufwärmen, bevor es raus in die Kälte und zur Demonstration geht. Zu der hatten mehr als 40 Aktionsbündnisse aufgerufen, gegen den LNG-Gipfel vor dem Luxushotel Adlon.

Die 29-Jährige engagierte sich erst bei "Fridays for Future" und fühlt sich heute bei Queermany zu Hause, eine queerfeministische Klimagruppe. Lang allein bleibt die Studentin nicht. Friedrich-Janine kommt dazu, außerdem Tim, die ihre Nachnamen nicht öffentlich lesen möchten. Tim ist bei "Extinction Rebellion" organisiert. Später werden sie mit mehr als 600 anderen Menschen nahe des Hotels Adlon friedlich protestieren. "Für mich geht ein Wunsch in Erfüllung, den ich schon seit Jahren habe, nämlich, dass verschiedene Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammenkommen, um gegen die Gas-Lobby zu protestieren", sagt Claudia Röseler.

Grüne Farbe, Partyhüte und Pfefferspray

Am Morgen hatten unter anderem Klimaorganisationen wie "Ende Gelände" und "Letzte Generation" bereits rund 300 Menschen mobilisiert. Mit Partyhüten zogen sie vor das Hotel, um "der Lobby die Party zu vermiesen". "Ende Gelände"-Pressesprecherin Fran Leitner hatte einen Tag zuvor angekündigt: "Wir gehen an Orte der Zerstörung, aber auch an Orte, wo Entscheidungen über Zerstörungen getroffen werden."

Das Luxushotel in der Nähe des Brandenburger Tores war bereits von gut 100 Beamten der Berliner Polizei gesichert worden, eine Handvoll Aktivist:innen der "Letzten Generation" schafften es trotzdem über die Polizeiabsperrung. Sie verschütteten grüne Farbe und klebten sich fest. Die Polizei schien überrumpelt – nahm kurzzeitig mehr als 200 Personen fest und stellte nach eigenen Angaben über 150 Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs, 36 wegen Nötigung und vier wegen Sachbeschädigung.

Jule Fink ist Pressesprecherin bei "Ende Gelände" und war am Morgen am Hotel Adlon. Sie macht das Vorgehen der Polizei wütend. Man habe sie auseinandergetrieben. "Menschen haben sehr viel Pfefferspray abbekommen, wurden zu Boden gerungen und dann stundenlang eingekesselt und von vier Seiten gefilmt. Am Ende durften die meisten dann gehen", berichtet Fink.

Polizeisprecher Florian Nath bestätigt gegenüber rbb|24, man habe Pfefferspray "gegen besonders gewalttätige Demonstrierende" eingesetzt. Aber auch ein Polizeibeamter soll dadurch verletzt worden sein. Das Spezialteam, das sich mit dem Lösen der Klimaaktivisten auskennt, wurde laut Nath erst später dazugerufen. Durch das gewaltsame Lösen sollen einige der Demonstrierenden besonders schmerzhafte Verletzungen an den Händen erlitten haben. Mindestens zwei Aktivist:innen wurden laut Polizei wegen Unterkühlung und Kreislaufproblemen ärztlich behandelt. Am Nachmittag war die Polizei dann mit 500 Beamten im Einsatz, unterstützt aus Brandenburg und von der Bundespolizei.

Deutschland im Zentrum der Gas-Lobby

Währenddessen kann die Gas-Branche relativ ungestört im Hotel Adlon unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Der "World-LNG-Summit" findet zum ersten Mal in Deutschland und noch bis Donnerstag statt. Rund 750 Unternehmenschefs und Lobbyisten aus 50 Ländern kommen laut Veranstaltern dort zusammen. Die Ticketpreise sollen bei rund 4.000 Euro beginnen. Auch Vertreter der Bundesregierung, etwa Wirtschafts- und Umweltschutz-Staatssekretär Stefan Wenzel (Grüne), sprachen bei dem Gipfel.

Für Jean-Christian Heintz ist der LNG-Gipfel ein wichtiges Ereignis. Er wird am Donnerstag auf zwei Podien sprechen. Seine Klienten seien öffentlicher und privater Natur und kämen vorwiegend aus Afrika und Asien, erzählt der LNG-Berater. Heintz ist der Überzeugung, dass es nicht ohne Erdgas gehe: "Der Energieverbrauch allein durch den Gebrauch von Künstlicher Intelligenz ist enorm." Ob Windkraft oder Gas - am Ende entscheide vor allem der Preis, für welche Energieform sich seine Kunden entscheiden, sagt der Schweizer Lobbyist.

Dass Deutschland in diesem Jahr im Zentrum der Gas-Lobby steht, ist nicht verwunderlich. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wollte die Bundesregierung schnell eine Alternative zu russischem Gas präsentieren. LNG solle als "Übergangstechnologie" eingesetzt werden, hieß es immer wieder. Im Eilverfahren entstanden sechs Terminals an vier deutschen Häfen, um das Flüssiggas zu importieren - mit Laufzeiten bis mindestens 2046. Das Erdgas stammt zum überwiegenden Teil aus den USA, dort wird es mithilfe von Fracking, also dem Herauspressen des Gases aus dem Boden, gewonnen.

Eine Studie der US-amerikanischen Cornell University kam Anfang des Jahres zu dem Ergebnis, dass LNG damit klimaschädlicher ist als Kohle, wenn die Transport- und Förderungsbedingungen mitgerechnet werden. Dem LNG-Gipfel verleihen die Protestierenden am Abend deshalb symbolisch den Negativpreis für "herausragendes Greenwashing". Zu ihrem Bedauern kommt niemand, um die Auszeichnung abzuholen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.2024, 07:30 Uhr

Beitrag von Birgit Raddatz

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25 Kommentare

  1. 25.

    Frage: womit soll Wärme + Strom künftig erzeugt werden? Atomstrom, Fracking, Kohlekraftwerke, Wind- + Sonnenenergie, Gas alles out - Solaranlagen zu teuer - für Wärmepumpen, neue Heizungsöfen etc benötigt man auch Strom und die Herstellung von Modulen erfordert Material - muss produziert werden und dazu benötigt man Energie aber wo sollen die Betriebe denn den notwendigen Grundstoff nehmen wenn manche gegen alles sind? Wie man in den Wald hineinruft - schallt es zurück.Samthandschuhe sind da out

  2. 24.

    Ich habe es geahnt. Die böse Polizei ist so gewalttätig. Sie schützen fremdes Eigentum, dass ist ihr Job. Die Aktivisten haben versucht mit Gewalt die Absperrungen zu durchbrechen, haben das Adlon mit Farbe beschmiert. Was haben Sie erwartet ?? Das Klima Lilli, als gern gesehener Gast und ihre Freunde freies Geleit ins Adlon bekommen um dort weiter zu machen ???

  3. 23.

    Achso. Die berühmte strukturelle Gewalt. Dann ist ja alles erlaubt und gerechtfertigt.
    Wir haben verstanden.

  4. 22.

    "Männer die die Welt verbrennen" heisst ein bezeichnender Buchtitel.
    Hier haben sich die Vertreter des Weiter So getroffen, denen es vor allem um Profit und Shareholder Value geht.
    Die Konsquezen einer unbewohnbaren Welt haben wir Alle auszubaden, insbesondere unsere Kinder und Enkel!

  5. 21.

    Und was ist mit der Gewalt, die von den Leuten, die sich da im Adlon versammeln und von den Polizist:innen aus mehreren Bundesländern, ausgeht? Also, wenn Sie eine Rechnung aufmachen, dann aber auch alles mitzählen.

  6. 20.

    Ich finde es auf jeden Fall besser, wenn man „darüber redet“, als wenn ungeladene Demonstranten randalieren!

  7. 19.

    Lasst doch die Leute mit diesem Quatsch in Ruhe. Wen interessiert das??? Mich jedenfalls nicht. Die Politiker fliegen kreuz und quer durch die Welt und ich soll auf das Klima achten. Wer es will, kann es gerne tun.

  8. 17.

    Mich stört Ihre Meinung nicht im geringsten. Sie schreiben, Plakate hochheben reicht nicht mehr und ich habe Sie gebeten, deswegen mit gutem Beispiel voran zu gehen und etwas zu verändern. Daran ist nichts persönlich.....

  9. 16.

    Sogar im unverdächtigen AHndelsblatt ist nachzulesen, wie die Gaslobby Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt:

    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energiekonzerne-gasindustrie-kaempft-um-einfluss-40-millionen-euro-fuer-lobbyarbeit/28980152.html

  10. 15.

    @Tagschicht (#7): Provokationen sollten sich aber auch nicht in Gewalt gegen Menschen und fremdes Eigentum entladen. Was haben z. B. der Fahrzeughalter oder der Hotelbetreiber mit diesem Unfug zu tun? Warum geht es bei diesen Aktionen offensichtlich bevorzugt nur darum, anderen (Unschuldigen!) Schaden zuzufügen?

  11. 13.

    Die Beschwerden der Demonstranten und Störer sind ja putzig. Erwarten die etwas, dass sie mit Samthandschuhen angefasst werden, wenn die fremden Eigentum beschädigen (Farbe) oder sich uneingeladen Zugang zu einer Veranstaltung verschaffen wollen? Niemand hat die gezwungen sich fest zukleben oder so aggressiv aufzutreten, dass Pfefferspray eingesetzt werden muss. Die hätten einfach friedlich davor demonstrieren können.

    Ob man es war haben will oder nicht, auch die Veranstaltung und Teilnehmer haben Rechte. Ob man deren Thematik mag oder nicht, gilt auch dort der Rechtsstaat und die Gleichheit der Gesetze.

  12. 12.

    Darf ich fragen, warum Sie gleich so persönlich werden?
    Wir kennen uns nicht!
    Wenn Ihnen meine Meinung nicht passt, kann ich damit leben.

  13. 11.

    Wenn Farbe auf Gebäude geschmiert wird, ist das bereits Gewalt.
    Das geht einfach nicht! Warum können diese Aktivisten die Abneigung der Mehrheit der Bevölkerung gegen ein derartiges Handeln nicht nachvollziehen? Was fehlt ihnen da? Empathie? Erziehung?

  14. 10.

    Als Teilnehmer der Konferenz wundert mich die RBB Berichterstattung sehr. Vielleicht wären die Konferenzinhalte auch eine Erwähnung wert gewesen? In jedem Konferenzbeitrag der weltweit angereisten Teilnehmenden wurden Aspekte, die auch die Demonstranten bewegen, intensiv diskutiert. Wie werden die Emissionen weiter gesenkt? Wie wird weltweit der Kohleausstieg gestaltet? Wie gelingt die Transformation zu Klimaneutralität? Für alle Fragen sucht die Branche Lösungen.

  15. 8.

    Die Autoindustrie hat die Zeit verpennt ??? Und warum wollen die Aktivisten unseren Freund Elon dann zum Teufel jagen??
    Die deutsche Autoindustrie hat zu viele Modelle am Start. Selbst die Japaner die in den 90ern Massen an Modellen hatten, sind auf unter zehn pro Hersteller zurückgefahren.
    Es gibt keinen Grund in Weltuntergangsstimmung zu sein. Und wenn Sie so drauf sind, dann schaffen Sie doch einfach Ihren Rechner/Computer, TV, Radio und das Smartphone als erstes ab.

  16. 7.

    Darf man also nur noch protestieren, wenn man die Lösung gleich mitliefert?
    Welche Protestwege sind denn genehm? Proteste ohne Provokationen sind doch auch sinnlos. Angesichts der globalen Klimakrise reicht es nicht mehr nur Plakate hochzuhalten. Dadurch verändert sich auch nichts.

  17. 6.

    Danke an die Polizei, die das Ganze für Leute , die dort im Umkreis arbeiten, gestern im Rahmen gehalten hat und zwar von früh an.
    An die "Aktivisten": Straßenverkehrsregeln gelten auch für euch, ihr seid nicht allein da draußen und nehmt euren Müll mit. Die bunten Hütchen vergammeln nicht einfach so auf dem Asphalt.

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