Gemeinsames Statement - Mehr als 50 Universitäten wollen Social-Media-Plattform X verlassen

Fr 10.01.25 | 10:06 Uhr
  20
Symbolbild: X, ehemals Twitter (Quelle: dpa/Jaap Arriens)
dpa/Jaap Arriens
Audio: Antenne Brandenburg | 10.01.2025 | Silke Engel | Bild: dpa/Jaap Arriens

Auf Twitter sollte der Hochschul-Diskurs in die Gesellschaft getragen werden. Mittlerweile heißt die Plattform X und es herrschen Hass und Hetze. Für viele Hochschulen ein Grund, zu gehen.

  • mehr als 50 Hochschulen und Forschungsinstitute deutschlandweit legen ihre Accounts auf der Plattform X still
  • die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen, hieß es
  • Sprecherin der Universität Potsdam berichtet von "unterirdischen" Kommentaren, von Beleidigungen und verdrehten Fakten

Mehr als 50 Hochschulen und Forschungsinstitute in Deutschland haben angekündigt, die Plattform X zu verlassen oder bereits verlassen zu haben - darunter die Universität Potsdam, die BTU Cottbus-Senftenberg, die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Die Bedingungen für einen offenen Austausch seien nicht mehr gegeben, hieß es in einem gemeinesamen Statement zur Begründung. Hass, Desinformation und Manipulation seien unter dem Denkmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit Tür und Tor geöffnet worden. Die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischer Diskurs.

Die Pressemitteilung wurde vom Bundesverband der Hochschulkommunikation veröffentlicht, es handelt sich jedoch explizit nicht um eine Aktion des Bundesverbands, wie betont wurde. Dieser verhalte sich neutral. Die Entscheidung betreffe ausschließlich die X-Accounts, und nicht die Kommunikation über andere Social-Media-Kanäle.

Universität Potsdam nach 13 Jahren

Silke Engel, Sprecherin der Universität Potsdam, erläuterte dem rbb, im Vorfeld habe es einen Beschluss der Hochschulleitung gegeben: Die Universität wollte am Freitag nach mehr als 13 Jahren ihren Account auf der Social-Media-Plattform X, früher Twitter, stilllegen.

"Wir haben X schon lange beobachtet und waren da schon seit einigen Monaten nicht mehr so aktiv, wie wir es einst dort waren - wegen der politischen Entwicklungen, aber auch weil der Algorithmus sich verändert hat", so Engel: "Der Algorithmus greift umfassend in die Verteilung von Informationen ein, lenkt Diskussionen und verhindert einen freien Austausch. Außerdem hat - unter dem Deckmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit - der Verzicht auf jede Moderation Hass, Desinformation und Manipulation Tür und Tor geöffnet", erklärte Engel.

"Insofern haben wir uns gesagt, wir sind ein Ort für faktenbasierten Austausch, offenen Diskurs und Transparenz - das ist da jetzt nicht mehr gegeben", erläuterte die Sprecherin der Potsdamer Universität. Daher habe die Hochschule nun die Reißleine gezogen.

Kommentare waren "unterirdisch"

Vor allem im Rahmen emotionaler, politisch-ideologisierender Debatten seien die Kommentare zuletzt "unterirdisch" gewesen. Es habe Beleidigungen gegeben, aber auch ganz üble Nachrede. Es seien aber auch kleinere Fakten verdreht worden. Daraufhin hätten sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Uni gewandt. "Das ist stärker geworden in der Vergangenheit", so Engel.

"Die Reichweite, auch die Internationalität haben Forschende nach wie vor geschätzt. Sie hatten gehofft, dass sie den Diskurs dort mit Fakten prägen können. Aber die jüngsten Entwicklungen haben uns da desillusioniert", erläuterte Engel weiter. Der Ausstieg sei auch schon länger diskutiert worden. Dem Hauptaccount der Potsdamer Universität folgen auf X mehr als 10.000 Menschen.

Am Donnerstag hatten bereits die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Plattform nach rund 15 Jahren verlassen. Beide Arbeitnehmerorganisationen kritisierten die Plattform als "Forum für die Verbreitung von rechtsextremistischen Positionen, von Hass und Hetze, von Demokratiefeindlichkeit und Desinformation". Es werde immer offensichtlicher, dass die Algorithmen der Plattform "demokratiefeindliche Narrative bevorzugt behandeln".

Gegen Desinformation und Hassrede wird nicht vorgegangen

Tesla-Chef und Tech-Milliardär Elon Musk hatte Ende 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen und die Plattform in X umbenannt. Seither haben sich zahlreiche Einrichtungen und Prominente aus dem Netzwerk verabschiedet. Hauptkritik ist, dass nicht mehr gegen Desinformation und Hassrede vorgegangen werde. Musk, der auf X mehr als 200 Millionen Follower hat, ist mittlerweile auch ein Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Am Donnerstag hatte er sich erneut in den deutschen Wahlkampf eingemischt und für die AfD geworben. Auf seiner Plattform hat er ein rund einstündiges Online-Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel geführt [tagesschau.de]. Dabei ging es um Themen wie Atomkraft, Migration und die Bürokratie in Deutschland.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.1.2025, 10 Uhr

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Kommentare, bei denen die E-Mail-Adresse in den Feldern Name, Wohnort oder Text geschrieben wurde, nicht freigegeben. Mit Nutzung der Kommentarfunktion stimmen Sie unserer Netiquette sowie unserer Datenschutzerklärung (Link am Ende der Seite) zu. Wir behalten uns vor, Kommentare, die nicht zu einer konstruktiven Diskussion beitragen, nicht freizugeben oder zu löschen. Wir geben keine Auskunft über gelöschte oder nicht freigegebene Kommentare. Mit der Abgabe eines Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regeln und den Kommentarrichtlinien des rbb einverstanden.

20 Kommentare

  1. 20.

    Bravo! Hoffe es folgen noch Viele dem Beispiel, vlt. auch mal aus der Politik.

  2. 19.

    Ah, wie amüsant. Eine theatralische Ankündigung, als ob ihre Abwesenheit die Grundfesten dieser Plattform erschüttern würde. Welch beeindruckende Selbstüberschätzung. Aber vielleicht, nur vielleicht, hat diese Inszenierung einen tieferen Sinn, den die meisten nicht begreifen können. Man könnte sagen, es sei albern, ja lächerlich, einen solchen Abschied zu inszenieren. Schließlich ist X nur eine Plattform, ein Haufen Algorithmen, die nicht weinen, wenn jemand geht. Aber, und das muss man zugeben, es hat eine gewisse Eleganz, die Brücke nicht nur zu verlassen, sondern sie mit einem letzten großen Knall hinter sich zu verbrennen. Es ist eine Aussage. Ein Manifest. Eine Möglichkeit, der Welt zu sagen: „Ich bin hier nicht einfach so verschwunden. Ich habe mich entschieden zu gehen.“ Es ist nicht für die Zurückbleibenden gedacht, oh nein. Es ist für diejenigen, die sich ebenfalls gefangen fühlen, in der Stille verharren, und den Mut suchen, dasselbe zu tun.

  3. 18.

    Super, ich hoffe es folgen noch mehr. Weiter soooooo.

  4. 17.

    Bravo, das kann ich nur unterstützen. Was haben Hochschulen und Forschungsinstitute auch auf X zu suchen. Die sollen sich lieber um ihren Bildungsauftrag kümmern.

  5. 15.

    Finde ich gut!

  6. 12.

    Na endlich, wurde aber auch langsam mal Zeit!

  7. 10.

    Genau diese Frage bewegt mich auch. Von einer Plattform auf die nächste und soviel Käse lesen bis einem schlecht wird? Und dann noch der ganze Fake der da abgeladen wird. Mir reichen die täglichen Nachrichten über nt-v, Phönix und Tagesschau. Ich brauche wirklich keine Storys von irgend welchen "Geheimagenten" aus dem Netz!

  8. 9.

    Ja sehr gut endlich.

    Es gibt genug Alternativen die deutlich besser sind.

    Auf Auf geht's zu mastodon.

  9. 8.

    Bei mir erweckt sich der Eindruck, das die Negativpresse über sich fragwürdig entwickelte Plattformen von anderen als Werbezwecke genutzt wird. Dann soll nicht viel darüber gesprochen, sondern schlicht gehandelt werden. Das eine Plattform wie Twitter/X eine so hohe mediale Aufmerksamkeit bekommt, erschließt sich mir nicht.
    Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

  10. 7.

    Indem man bekundet, dass man diese Plattform verlässt setzt man ein Zeichen und geht mit einem, für mich positiven, Beispiel voran. Das hat eine wesentlich größere Wirkung, als einfach nur zu gehen.
    Genauso gut könnte ich Ihnen sagen, warum äußern Sie schriftlich Ihre Meinung? Können Sie doch auch so haben, würde auch keiner merken, was Sie denken.

  11. 5.

    Gibr es denn keine intelligenten deutschen oder wenigstens europäischen Macher für Social Media Plattformen, dann könnte man die zweifelhaften Gestalten unter sich lassen!

  12. 4.

    Verstehe auch überhaupt nicht, weshalb man in irgendwelchen Sozialmedien unterwegs sein muss um am sozialen Leben teilzuhaben.

  13. 3.

    Ich aber auch! Ist der einzige Weg, sich nicht mehr manipulieren zu lassen! Denn darum gehts bei Musk und Co.

  14. 2.

    Starkes Statement...
    Wenn mal alle so viel Rückgrat hätten, besonders in der Politik, Wirtschaft und im Promi-Umfeld.
    Bin da weg, als Musk X gekauft hat. Vermisse absolut nichts.

  15. 1.

    Warum kündigen die das so theatralisch an und gehen nicht einfach? Viele werden sie nicht vermissen und/oder hätten gar gemerkt, dass sie nicht mehr auf X sind.

Nächster Artikel