Strafverfolgung Minderjähriger - Warum Kinder als Täter nicht strafrechtlich belangt werden (können)

Di 07.01.25 | 15:47 Uhr
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Kinder stehen hinter einem Metallzaun (Quelle: PA Wire/Chris Jackson)
Bild: PA Wire / Chris Jackson

Sie legen Feuer, begehen Gewalttaten und unter Umständen töten sie sogar: Auch Kinder können Straftaten begehen. Vor das Strafgericht oder ins Gefängnis kommen sie in Deutschland aber nicht. Aber wie reagiert der Staat dann?

Immer wieder gibt es Berichte über sehr junge Straftäter - also Kinder, die noch nicht 14 Jahre alt und deshalb auch nicht strafmündig sind. Zuletzt soll am vergangenen Wochenende in Brandenburg ein 13-Jähriger einen Jugendlichen bei einem Streit in einem Einkaufszentrum mit einem Messer schwer verletzt haben. Der Junge kann strafrechtlich nicht belangt werden, weil er noch nicht strafmündig ist.

Auch unter den in der Berliner Silvesternacht festgestellten 40 Tatverdächtigen, die Polizisten und andere Rettungskräfte angegriffen haben sollen, befinden sich zwölf Heranwachsende, elf Jugendliche und ein Kind.

Eine Übersicht über die Regeln, ab welchem Alter und wie Kinder und Jugendliche für Vergehen belangt werden können:

Was passiert, wenn Kinder unter 14 Jahren Straftaten begehen?

Gemäß Paragraf 19 Strafgesetzbuch ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Eine strafrechtliche Verurteilung ist für Kinder unter 14 Jahren nicht möglich. Das heißt, sie kommen auch bei schweren Straftaten nicht ins Gefängnis und müssen sich vor Gericht nicht für ihre Taten verantworten. Das Jugendamt ist zuständig, und das bestraft nicht.

Der Staat kommt an Kinder zwar nicht mithilfe des Strafrechts heran, Familiengerichte können aber - auch gegenüber den Eltern - zu verschiedenen Mitteln greifen, um sehr junge Straftäter zu beeinflussen. Dazu gehört zum Beispiel die Anordnung, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.

Daneben sind auch schwerwiegendere Maßnahmen möglich, wie die Entziehung des Sorgerechts und die Unterbringung straffälliger Kinder in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie. Geht von einer Person unter 14 Jahren eine Gefahr ausgeht, kann auch eine psychiatrische Aufnahme oder sogar eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung angeordnet werden.

Im Rahmen des Zivilrechts können Kinder allerdings bereits ab dem siebten Lebensjahr haftbar gemacht werden. Das bedeutet, dass Zahlungen von Schmerzensgeld oder Schadenersatz fällig werden können.

Wie steht es mit den ab 14-jährigen Jugendlichen?

Ab dem 14. Geburtstag sind Jugendliche teilweise strafmündig. Das heißt: Sie können nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Bei Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre) greift in Deutschland in den meisten Fällen aber nicht das Strafgesetzbuch (StGB), sondern das Jugendgerichtsgesetz (JGG), das auch als Jugendstrafrecht genannt wird. Es hat zum Ziel, neue Straftaten zu verhindern und ist in diesem Sinne mehr dem Erziehungsgedanken verpflichtet.

So können Jugendlichen beispielsweise Verwarnungen und Auflagen wie gemeinnützige Arbeit auferlegt werden. Aber auch ein Jugendarrest von maximal vier Wochen ist möglich, genau wie Untersuchungshaft. Wer einen Mord und Totschlag begeht, dem droht nach Jugendstrafrecht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Wann greift "Eltern haften für ihre Kinder"?

Eltern machen sich nur haftbar, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Die Sorgeberechtigten haben die Pflicht zur Beaufsichtigung ihrer Kinder, weil Minderjährige entsprechend ihrem Entwicklungsstand nicht oder nur eingeschränkt dazu in der Lage sind, die Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens zu erkennen. Sie haften dementsprechend bei einem Schaden, den ihr minderjähriges, über siebenjähriges Kind (Kinder unter sieben Jahren sind generell nicht haftbar) einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Eltern haften allerdings nicht, wenn sie ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung entstanden sein würde.

Die Verletzung der Aufsichtspflicht kann nur zu einer zivilrechtlichen Haftung der Eltern führen, nicht jedoch zu einer strafrechtlichen Konsequenz.

Was bedeutet Strafmündigkeit genau?

Unter Strafmündigkeit versteht man den Zeitpunkt im Leben eines Menschen, ab dem er damit rechnen muss, wegen einer Straftat gerichtlich verfolgt zu werden. Die einschlägigen Gesetze - das Strafgesetzbuch (StGB) und des Jugendgerichtsgesetz (JGG) - verwenden den Begriff "Strafmündigkeit" allerdings nicht, sondern wählen andere Formulierungen: Das StGB spricht von der "Schuldunfähigkeit des Kindes", das JGG von "strafrechtlicher Verantwortlichkeit" von Jugendlichen.

Die volle Strafmündigkeit tritt mit dem 18. Geburtstag ein. Das bedeutet aber nicht, dass die Gerichte ab dann immer automatisch Erwachsenenstrafrecht anwenden. In einer "Karenzzeit" bis zum 21. Geburtstag kann weiterhin Jugendstrafrecht herangezogen werden.

Warum ist man erst ab 14 strafmündig in Deutschland? Und wie steht es anderswo?

In Deutschland geht der Gesetzgeber davon aus, dass Kinder noch nicht einsehen können, wenn sie etwas Falsches tun, und dass sie ihr Verhalten nicht entsprechend steuern können. Diese Reife traut er erst Jugendlichen ab 14 Jahren zu. Deshalb können Kinder nicht bestraft werden, Jugendliche unter Umständen schon.

Während Österreich, Italien, Schweden, Spanien, Kroatien und einige andere Länder mit der Strafmündigkeit ähnlich umgehen wie Deutschland, gelten in der Schweiz andere Regeln: Dort unterliegen Kinder ab ihrem zehnten Geburtstag dem Jugendstrafgesetz. Auch in Frankreich sind Kinder mit zehn Jahren strafmündig und können ab 13 Jahren zu Gefängnisstrafen verurteilt werden.

In Dänemark, Finnland, Griechenland, Island, Norwegen und Portugal beispielsweise beginnt die Strafmündigkeit erst mit 15 Jahren. In unserem Nachbarland Polen sogar (bis auf ausgewählte Straftaten) erst mit 17 Jahren.

Sollte man das Strafmündigkeits-Alter in Deutschland herabsetzen?

Diese Bestrebungen gab es immer mal wieder. Unter anderem hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Sommer 2024 für eine Überprüfung ausgesprochen. Die Altersgrenze von 14 Jahren bestehe bereits seit 1923, jetzt solle man wissenschaftlich klären, ob sich der Reifungsprozess und damit die Entwicklung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei der heutigen Generation geändert habe. Ähnlich hat sich auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann geäußert [swr.de].

Verüben Kinder und Jugendliche zunehmend mehr Straftaten?

Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2023 [bmi.bund.de] verweist auf eine deutlich gestiegene Kinder- und Jugendkriminalität in Deutschland. So wurden gut 104.000 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren ermittelt - ein Zuwachs von zwölf Prozent im Vergleich zu 2022, gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 sind es sogar 43 Prozent mehr.

Bei Jugendlichen von 14 Jahren bis zur Volljährigkeit liegt die Zahl mit rund 207.000 Tatverdächtigen (Zuwachs: 9,5 Prozent) ebenfalls deutlich über den Vorjahren. Auch die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden bis 21 Jahre ist 2023 angestiegen - der Zuwachs liegt bei 6,5 Prozent.

Erwachsene ab 21 Jahre stellen mit 78,5 Prozent den größten Anteil an den Tatverdächtigen insgesamt, ihre Anzahl ging im Vergleich zum Jahr 2022 um 0,3 Prozentpunkte zurück.

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48 Kommentare

  1. 48.

    Ich glaube es wäre gut, wenn anstelle des minderjährigen ein Erziehungsberechtigter die Strafe bekommt. Dann würden diese Personen darauf achten was ihre Kinder tun und ihnen die Werte erklären auf die wir in Deutschland Wert legen. Eltern, die ihren Kindern -die noch im Buggy sitzen- das klauen beibringen oder ihre Söhne als das non plus Ultra erziehen würden dann zur Rechenschaft gezogen werden.

  2. 47.

    Also selbst meine 7 jährige Tochter weiß, dass man nicht klaut, niemanden beleidigt, nichts fremdes kaputt macht und niemanden verletzt. Nach dem Motto: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu."
    Das sind einfache Umfangsformen im sozialen Leben. Das sollte man schon 10 Jährigen zutrauen zu wissen.

  3. 46.

    Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Jugendliche, die früh mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, zu erreichen. Diese wirken auch in vielen Fällen. Die Vorkommnisse, die es regelmäßig in die Schlagzeilen schaffen, zeigen jedoch, dass es nicht immer gelingt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig liegen zwischen dem Feststellen der Straftat und der Konsequenz mehrere Monate, manchmal über 1 Jahr. Fehlverhalten muß aber zeitnah sanktioniert werden, um eine direkte Veränderung herbei zu führen. So funktioniert Erziehung. Viele Jugendliche sammeln bis zur Verhandlung neue Straftaten an und können sich an die erste gar nicht mehr erinnern.
    Eine Spirale, die nicht sein müsste. Das sind meine Erfahrungen.

  4. 45.

    Einfach nur gruselig und ich wünschte, nicht darüber nachzudenken. Für mich steht die Frage, wie sich ein 13- und 14- jähriger mit Messer attackieren können. Verantwortung für den 13-jährigen hat hier das Elternhaus zu übernehmen, egal wie gut oder schlecht es situiert ist. Ein Messer ist und bleibt eine Waffe und gehört NICHT in Kinderhände. Letztendlich ist diese ganze Tragödie auch ein Spiegel der Gesellschaft. Seit Jahren hören wir nur - man müsste, man könnte, man sollte…

  5. 44.

    Hmm Vroni, und in wie fern beeinflusst die jetzige Nichtstrafverfolgung die Entwicklung der kriminellen 13-jährigen zum Guten???

  6. 43.

    Es liegt ganz klar auf der Hand, dass die Strafmündigkeit mit 14 nicht mehr zeitgemäß ist und auf 12 Jahre herabgesetzt werden muss.
    Was auch ein Anachronismus ist: fast a l l e Täter bis 21 Jahre, manchmal auch darüber werden nach Jugendstrafrecht verurteilt. Das ist weder im ursprünglich angedachten Sinn des Gesetzes noch im Sinn der Täter (erzieherischer Effekt) oder gar im Sinn der Opfer!

  7. 42.

    Von wem lernen die Kinder und werden dann alleine gelassen?
    Ja es sollte schärfere Strafen geben. Aber für die Erwachsenen, die hier falsch erziehen, vernachlässigen und die Vorbilder darstellen! Auch die Weigerung vernünftiger Prävention (was ja Geld kostet) und der gleichzeitige Ruf nach mehr Knästen sollte mitbestrsft werden, weil es diese Unsäglichkeiten bestärkt!

  8. 41.

    Ich muss sagen, ich bin schockiert, was hier für Ansichten von den Ottos und Lanas und weiteren veröffentlicht werden! Es geht um junge Menschen, die sich noch voll in der Entwicklung befinden und die versucht wird über spezielle Maßnahmen zu beeinflussen. Egal was ein:e Strafunmündige:r getan hat, es darf nie und nimmer mit Taten von Erwachsenen verglichen werden. Wer das fordert, richtet sich gegen jede menschliche Errungenschaft, die uns zu einer zivilisierten Gesellschaft macht. Meine Verachtung für Leute, die das dunkle Zeitalter wieder einführen wollen, ist grenzenlos.

  9. 40.

    Auweia! Wir können alle sehr froh sein, dass es hier nicht nach Ihrem geforderten „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ geht! Das ist ein Rückschritt in die Barbarei! In Deutschland wird zum Glück die Schuld an einer Tat bestraft. Kinder haben keine Schuld. „Kriminelle Energie“… ich glaube Sie wissen nicht wovon Sie reden!

  10. 39.

    Es scheint mal wieder nur darum zu gehen Rachegelüste zu befriedigen.
    Der Sinn einer Gefängnisstrafe ist eigentlich, dass dann alles dafür getan wird Einfluss auf das Verhalten zu nehmen.
    Man sperrt jemanden weg und meint nach x-Monaten kommt ein völlig anderer wieder raus… einfach so.
    Strafvollzugsgesetz:
    Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
    Und jetzt erinnerten sich mal alle zurück…die eigene Kindheit… wer war Schuld wenn man Hausarrest bekommen hat ?

  11. 38.

    Stimme voll zu ! Wenn die Möglichkeit gibt,ein Arrest zu verhängen, warum wird es nicht gemacht ? Gesetze sollten mal voll ausgeschöpft werden ( Schnellgerichte - gibt es die eigentlich in Dt ? ) sonst kann man sich die Aufnahme der Personalien ja sparen.

  12. 37.

    >"In anderen Kuluren sind 14 Jährige Familienernährer oder zum 2ten x Schwanger."
    Zum Glück haben wir dieses Mittelalter hier seit 500 Jahren überwunden. Bei uns dürfen Kinder noch Kinder sein und sollten auch so von ihren Eltern und dem Umfeld behandelt, erzogen und gefördert werden.

  13. 36.

    Irgendwie haben Sie hier die Sachlichkeit verloren und ich empfinde Ihren Kommentar unpassend und anmaßend. Was denken Sie sich eigentlich dabei, diese Kinder und deren Opfer hier in dieser Form zu instrumentalisieren und Schuldzuweisungen zu provozieren?

    Vielleicht ist das ja unser Problem, Erwachsene, die nicht sachlich kommunizieren können.

  14. 35.

    Sie vermischen Straf- und Bürgerliches Recht (Zivilrecht). Dass der Taschengeldparagraph des BGB Kindern ab 7 Jahren erlaubt, von ihrem Taschengeld z.B. Süßigkeiten ohne elterliche Zustimmung rechtswirksam zu kaufen, hat rein gar nichts mit dem Alter der Strafmündigkeit zu tun. Dieses ist abhängig von der Annahme des Gesetzgebers, dass der Betreffende die Folgen seiner Handlungen zu erkennen in der Lage ist und der Einsicht fähig ist, anderen durch sein Tun Schaden zuzufügen.

  15. 34.

    Wenn man ein Vorbild sein will, unterstellt man anderen Leuten nicht, eine Straftat gut zu finden. Genau diese Art und Weise sollen wir nicht im Umgang mit den eigenen Kindern an den Tag legen, wir sollten es nämlich besser wissen und vor leben. Wenn Erwachsene sich so artikulieren, woher sollen Kinder es besser wissen?

  16. 33.

    Hinter diesen Kindern stehen allerdings Erwachsene und die Kinder zu bestrafen, nur weil diese von Erwachsenen ausgebeutet werden, wäre ja der falsche Ansatz.

  17. 32.

    Vor 50 Jahren schlug ein Mitschüler einem anderen das Auge aus, mit einem Stein. Der Junge war 13. Das Opfer war der Sohn vom Direktor.

    Welche Strafe hätten Sie damals gefordert?

  18. 29.

    Rechte Gewalt durch rechte Jugendliche nimmt zu. Da sollten wir tatsächlich etwas unternehmen, Bildung und Sozialisation haben da irgendwie nicht geklappt.

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