Silvester-Exzesse - Warum ein Böllerverbot so schwierig ist

Mo 06.01.25 | 15:53 Uhr
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Symbolbild:Eine Person steht vor Feuerwerk mit Raketen im Arm.(Quelle:picture alliance/Panama Pictures/C.Hardt)
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Audio: rbb24 Abendschau | 06.01.2025 | Julia Kubowicz | Bild: picture alliance/Panama Pictures/C.Hardt

Die Berliner Gewerkschaft der Polizei fordert für das ganze Jahr ein Böllerverbot im privaten Bereich – unterstützt von fast zwei Millionen Menschen. Doch trotz breiter Zustimmung und Sicherheitsbedenken gibt es einige Hürden.

Auch Tage nach der Silvesternacht halten die Diskussionen um ein Böllerverbot an. Besonderen Nachdruck verleiht dem Thema die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP): Sie hat eine Online-Petition initiiert - mit bemerkenswertem Erfolg. Die Aktion wird mittlerweile von knapp zwei Millionen Menschen unterstützt.

Und die GdP steht mit ihrem Anliegen nicht allein da: Die Petition wird von rund 35 Initiativen und Organisationen unterstützt, darunter Umwelt- und Tierschutzverbände.

Sie fordern, dass das Böllerverbot ganzjährlich gelten soll, also das Anzünden von Böllern, Raketen und Batterien vor der Haustür oder an anderen Plätzen zum Schutz von Menschen und Tieren verboten wird. Feuerwerk soll es weiterhin geben, aber eben nur an zentralen Orten und durchgeführt von Profis. Wer es knallen lassen und ein Spektakel am Himmel sehen will, soll dies als Beobachter tun.

In Berlin könnten die Bezirke die Feuerwerke ausrichten, durch Profis organisiert und ausgeführt, "so wie in Sydney oder Paris", so GdP-Landeschef Stephan Weh am Montag im Gespräch mit rbb24 Inforadio. Raketen werden auf Einsatzkräfte abgefeuert, in Wohnungen geschossen, wo sie Brände auslösen und Menschen verletzen, das sei nicht mehr hinnehmbar oder wie er es formuliert: "Das ist keine deutsche Tradition" [inforadio.de].

Wunderkerzen immer erlaubt, Raketen nicht, Kugelbomben nie

Die offizielle Statistik der Berliner Polizei ist zwar noch nicht veröffentlicht, bereits jetzt deutet sich aber eine erschreckende Bilanz an. Menschen wurden blind, taub oder verbrannten sich das Gesicht: Alleine in Berlin wurden laut Senat mehr als 360 Menschen rund um Silvester verletzt, nicht alle von ihnen jedoch so schwer.

Tatsächlich spielt der von dem GdP-Chef angesprochene Begriff "Tradition" mit Blick auf die Forderung nach einem Böllerverbot eine gewisse Rolle. Denn zum einen wird Feuerwerk zu Silvester schon seit Jahrzehnten (und noch länger) gezündet. Zum anderen ist der Einsatz von privater Pyrotechnik in Deutschland bereits stark reguliert.

Geht es sich nicht um "Feuerwerksspielzeug", wie etwa Wunderkerzen, darf Silvesterfeuerwerk nur ab dem 28. Dezember an Personen ab 18 Jahren verkauft - und nur zu Silvester und Neujahr abgebrannt werden. An allen anderen Tagen ist weder der Verkauf noch das Abbrennen von Pyrotechnik für den privaten Gebrauch erlaubt. Für Ausnahmen ist eine behördliche Genehmigung nötig. Diese Regelung ist ausschließlich auf das in Deutschland zugelassene Feuwerk anwendbar; illegale Knallkörper wie Kugelbomben sind also ohnehin nicht erlaubt. Verstöße können dem Bundesinnenministerium zufolge mit Geldbußen von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Diese Regelungen, die lange Tradition an Silvester und Neujahr Raketen und Böller zu zünden, die Tatsache, dass die meisten Menschen in Berlin und anderen Städten keine Chaoten sind, sondern verantwortungsvoll mit Feuerwerk umgehen, könnte ein Gericht berücksichtigen [tagesschau.de], wenn jemand gegen das Böllerverbot klagen würde, sollte es je dazu kommen.

Innenministerin gegen generelles Böllerverbot

Ein Böllerverbot ist bei der geltenden Gesetzeslage nicht absehbar. Denn wer welche Art von Feuerwerk wann zünden darf, regeln das Sprengstoffgesetz und die Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz. Das Land Brandenburg und Berlin sind selbst dafür verantwortlich, dass dieses Sprengstoffgesetz korrekt durchgesetzt wird [bmi.bund.de] - ändern können sie es aber nicht.

Auf die Schnelle kann das nämlich nur das Bundesinnenministerium, derzeit geführt von SPD-Politikerin Nancy Faeser. "Ein generelles Böllerverbot lehne ich ab", stellte die Ministerin am Montag auf Nachfrage des ZDF aber klar.

Faeser macht es nicht "wegen wenigen Chaoten"

Ein Stück weit kam Innenministerin Faeser den Böller-Kritikern allerdings entgegen und schlug vor, den Kommunen mehr Handlungsspielräume zu geben. Was sie sich vorstellen könne, sei eine Öffnungsklausel. "Damit in den Kommunen, in den Ländern mehr Verbote ausgesprochen werden können."

Der Haken: "Das hat leider bisher im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Ich unterstütze das aber, weil man vor Ort unterschiedliche Gegebenheiten hat." Ein generelles Verbot lehne sie ab, weil es nicht sein könne, dass "wenige Chaoten dazu führen, dass ein Böllerverbot deutschlandweit ausgesprochen werden muss". Zumindest in Berlin gibt es bereits lokale Verbotszonen, etwa am Alexanderplatz, im Steinmetzkiez und an der Sonnenallee [berlin.de]. Fraglich ist aber, ob je eine Mehrheit unter den Ländern im Bundesrat zustande kommen kann, um so eine Öffnungsklausel durchzudrücken.

Scholz findet Verbot "irgendwie komisch"

Deshalb könnte passieren, was schon in der Vergangenheit passierte: In den kommenden Wochen könnte das Interesse in der Politik abebben - zumindest verstummten ähnliche Diskussionen in den vergangenen Jahren nach Silvester schnell.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), tendiert dazu, statt eines Böllerverbots lieber die Grenzkontrollen verschärfen zu wollen. Die Einfuhr illegaler und nicht genormter Böller etwa aus Polen solle so verhindert werden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich zur laufenden Debatte zurückhaltend: "Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch", sagte er dem "Stern" [stern.de].

Andererseits hat es wohl noch nie eine so erfolgreiche Petition in so kurzer Zeit für ein Böllerverbot gegeben. Die Berliner Gewerkschaft der Polizei sowie die Initiativen und Organisationen, die sich angeschlossen haben, werden sich dieses Mal wohl deshalb auch nicht so schnell geschlagen geben. Am Montag wurde eine Unterschriftensammlung dem Bundesinnenministerium überreicht. Insgesamt unterstützen mittlerweile rund zwei Millionen Menschen zwei Petitionen zum Böllerverbot.

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.01.2025, 19:30 Uhr

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57 Kommentare

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  1. 57.

    Oder man hat nicht überall gleich Hundertschaften in Kampfuniform und Rudel von "Journalisten" dahingeschickt, deren Berichte klingen, wie vorm Skiurlaub schon mal Vorgeschrieben. In der Hermannstr. mußte man das Schauspiel schon in den 80ern wirklich lieben, um daß noch für "normal" zu halten.

  2. 56.

    So eindeutig ist die Aussage mit 82% nicht, da man ja in den Antwortmöglichkeiten eingeschränkt war, bzw. nicht alle Möglichkeiten zur Auswahl mit angeboten wurden. Denn es gibt noch viele andere Gründe Nein oder Ja zu sagen

  3. 55.

    "Ein einzigartiges Fest, was eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Funktion (z.B. Vater Sohn Beziehung, Nachbarschaftszusammenhalt) hat würde total entwertet. Ist es das Wert?"

    Ehrlich gesagt weiß ich gerade nicht, ob ich über diesen Satz von Ihnen lachen oder weinen soll. Wer die restlichen 364 Tage des Jahres nicht genug dafür nutzt, wird es wohl durch einen Tag nicht herumreißen können. Gleiches gilt letztemdlich für Weihmachten auch. An diese Feste wird eine viel zu hohe Erwahrtungshaltung gestellt. Außerdem wird es nicht total entwertet, das ist nur Ihre Interpretation bzw. Ihr Gefühl. Vielleicht stehen sogar wieder mehr Nachbarn zusammen, wenn man sich weniger vorsehen muss.

  4. 54.

    Wo doch sonst jede noch so kleine Minderheit so hochgejubelt wird. Ob es den Betroffenen passt oder nicht oder gar hilft.

  5. 53.

    "Ein einzigartiges Fest, was eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Funktion (z.B. Vater Sohn Beziehung, Nachbarschaftszusammenhalt) hat würde total entwertet. Ist es das Wert?"

    Ehrlich gesagt weiß ich gerade nicht, ob ich über diesen Satz von Ihnen lachen oder weinen soll. Wer die restlichen 364 Tage des Jahres nicht genug dafür nutzt, wird es wohl durch einen Tag nicht herumreißen können. Außerdem wird es nicht total entwertet, das ist nur Ihre Interpretation bzw. Ihr Gefühl. Vielleicht stehen sogar wieder mehr Nachbarn zusammen, wenn man sich weniger vorsehen muss.

  6. 52.

    Sie können bei innn.it/boellerverbot sehen das zum gewärtigen Zeitpunkt über 1,6 Millionen Menschen der Petition zugestimmt haben.
    Schönen Abend

  7. 51.

    Typisch deutsch. Statt Lösungen bieten diskutiert man Probleme. Machen, schaffen, lösen und auf die Mehrheit des Volkes, fragt man vorsichtshalber nicht, Rücksicht nehmen.
    Wenn die etablierten Parteien keine Lösungen bieten, braucht es nicht verwundern wenn man andere Parzeien, leider dann AfD wählt.
    Bin für komplettes Verbot und ausgewählte Böllerzonen definieren.

  8. 50.

    Auch die Umfrage bei rbb zeigt ein deutliches Ergebnis bisherr.
    Derzeit 82 Prozent für ein Verbot, mich inbegriffen.
    Es wird höchste Eisenbahn, Privatfeuerwerk zu verbieten.
    Um die Herrsteller von Feuerwerkskörper braucht man sich keine Gedanken zu machen. Die verdienen genug an Proffesionelles Feuerwerk.

  9. 49.

    Wo bitte kommt eine Unterschriftensammlung bei einer Online-Petition her?
    Und wo und wie wurden da welche (!) Stimmen gezählt?

  10. 48.

    Böllerverbot Sofort !
    Es wird Zeit !
    Verbietet endlich den Krieg jedes Jahr zu Silvester.
    Wenn die Idioten es nicht kapieren sind sie es schuld.

  11. 47.

    Systematische Angriffe mit Böllern und Raketen auf Wohnungen bzw. Wohngebäude sowie auf Menschen - darunter Kinder, Einsatz- und Rettungskräfte - ist für Sie also nur eine nicht weiter erwähnenswerte Bagatelle?

  12. 46.

    Bitte richtig lesen. Ich habe nicht geschrieben, das früher kein Blödsinn gemacht wurde. Sondern das es früher, keine oder weniger Idioten gab.

    Übrigens vor 30 Jahren haben die Menschen nicht hinter den Mond gelebt. Man hat es auch ohne die Plattformen mitgekriegt. Heute wird daraus allerdings mehr Kohle gescheffelt.

  13. 45.

    Es gibt sicherlich viele, die Böller und Raketen nicht auf andere Menschen/Tiere werfen und vermutlich Ahnung haben von dem, was sie tun.
    Aber, was kümmert es mich, ob diese bei einem Verbot nicht mehr böllern dürfen ? Ich kenne keinen von einzigen, die mal gefragt haben, ob mich böllern stören würde oder andere Menschen oder gar die Tiere. Und das diese immer alle Regeln einhalten oder eingehalten haben sagen vermutlich auch nur diese selber.

  14. 44.

    Wir sollten uns alle ein Stück weit zurück nehmen und uns besinnen.
    Ist es nicht an der Zeit, diesen Konsum einzustellen? Mehr Ruhe für alle. Mehr Umarmungen... Mehr saubere Luft und saubere Straßen = weniger Kosten für Stadt und Anwohner.
    Andere Länder sind da weiter als Deutschland. Böller Verbot, ja! Schrittweise. Damit hersteller planen können.
    Und, ganz wichtig, wenn schon ein Europa, dann bitte auch Polen in die Verantwortung bringen, und den Verkauf stark einschränken und dann anpassen.

  15. 43.

    Diese Vollidioten die sich selbst durch ihr Feuerwerk schädigen sollten auch die evtl. Behandlungskosten aus eigener Tasche zahlen. Ich habe einige dieserVollhirnis versorgen müssen ( müssen , eigentlich wollte ich das nicht ) schade um die Arbeitszeit für Hand und Fingerprothesen.

  16. 42.

    Sie müssen sehr jung sein, wenn sie denken das es vor dreißig Jahren keine gefährlichen Feuerwerkskörper gab. Die gab es schon damals und hat so mancher mit basteln noch “verbessert“. Bloß das man damals mit mehr Hirn geballert hat.

  17. 41.

    "Übrigens, wie haben es denn die Menschen vor 20 oder 30 Jahren noch gemacht"
    Da haben die genauso viel Blödsinn gemacht, nur gab es keine solchen Plattformen, in denen jeder Pups zum Vulkan gemacht wird.

  18. 40.

    Das ganze Jahr. Na gut, Geldstrafe die der dann im Knast abarbeiten kann.

  19. 39.

    Vor dreizig Jahren war an Kugelbomben und andere gefährliche Feuerwerkskörper noch nicht zu denken.
    Es sind die Hi s gewesen die das Fass zum Überlaufen gebracht haben die es immer lauter , heftiger und gefährlicher machen mussten.

  20. 38.

    Ja die vielen Gesetze würden und werden laufend kritisiert. Wir Deutschen sind der Weltmeister in Regulierung, so einfach geht's. Allerdings wäre ein Gesetz dann wiederum besser als 16 verschiedene... Nun ja, wir werden sehen wohin uns das alles führen wird. Grundsätzlich glaube ich aber nicht daran, dass das Land Berlin irgendwelche Verbote wegen der Böllerei erlässt. Ggf vielleicht eine Verbtszone mehr, aber das wars dann auch.

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