Silvester-Exzesse - Warum ein Böllerverbot so schwierig ist
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei fordert für das ganze Jahr ein Böllerverbot im privaten Bereich – unterstützt von fast zwei Millionen Menschen. Doch trotz breiter Zustimmung und Sicherheitsbedenken gibt es einige Hürden.
Auch Tage nach der Silvesternacht halten die Diskussionen um ein Böllerverbot an. Besonderen Nachdruck verleiht dem Thema die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP): Sie hat eine Online-Petition initiiert - mit bemerkenswertem Erfolg. Die Aktion wird mittlerweile von knapp zwei Millionen Menschen unterstützt.
Und die GdP steht mit ihrem Anliegen nicht allein da: Die Petition wird von rund 35 Initiativen und Organisationen unterstützt, darunter Umwelt- und Tierschutzverbände.
Sie fordern, dass das Böllerverbot ganzjährlich gelten soll, also das Anzünden von Böllern, Raketen und Batterien vor der Haustür oder an anderen Plätzen zum Schutz von Menschen und Tieren verboten wird. Feuerwerk soll es weiterhin geben, aber eben nur an zentralen Orten und durchgeführt von Profis. Wer es knallen lassen und ein Spektakel am Himmel sehen will, soll dies als Beobachter tun.
In Berlin könnten die Bezirke die Feuerwerke ausrichten, durch Profis organisiert und ausgeführt, "so wie in Sydney oder Paris", so GdP-Landeschef Stephan Weh am Montag im Gespräch mit rbb24 Inforadio. Raketen werden auf Einsatzkräfte abgefeuert, in Wohnungen geschossen, wo sie Brände auslösen und Menschen verletzen, das sei nicht mehr hinnehmbar oder wie er es formuliert: "Das ist keine deutsche Tradition" [inforadio.de].
Wunderkerzen immer erlaubt, Raketen nicht, Kugelbomben nie
Die offizielle Statistik der Berliner Polizei ist zwar noch nicht veröffentlicht, bereits jetzt deutet sich aber eine erschreckende Bilanz an. Menschen wurden blind, taub oder verbrannten sich das Gesicht: Alleine in Berlin wurden laut Senat mehr als 360 Menschen rund um Silvester verletzt, nicht alle von ihnen jedoch so schwer.
Tatsächlich spielt der von dem GdP-Chef angesprochene Begriff "Tradition" mit Blick auf die Forderung nach einem Böllerverbot eine gewisse Rolle. Denn zum einen wird Feuerwerk zu Silvester schon seit Jahrzehnten (und noch länger) gezündet. Zum anderen ist der Einsatz von privater Pyrotechnik in Deutschland bereits stark reguliert.
Geht es sich nicht um "Feuerwerksspielzeug", wie etwa Wunderkerzen, darf Silvesterfeuerwerk nur ab dem 28. Dezember an Personen ab 18 Jahren verkauft - und nur zu Silvester und Neujahr abgebrannt werden. An allen anderen Tagen ist weder der Verkauf noch das Abbrennen von Pyrotechnik für den privaten Gebrauch erlaubt. Für Ausnahmen ist eine behördliche Genehmigung nötig. Diese Regelung ist ausschließlich auf das in Deutschland zugelassene Feuwerk anwendbar; illegale Knallkörper wie Kugelbomben sind also ohnehin nicht erlaubt. Verstöße können dem Bundesinnenministerium zufolge mit Geldbußen von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.
Diese Regelungen, die lange Tradition an Silvester und Neujahr Raketen und Böller zu zünden, die Tatsache, dass die meisten Menschen in Berlin und anderen Städten keine Chaoten sind, sondern verantwortungsvoll mit Feuerwerk umgehen, könnte ein Gericht berücksichtigen [tagesschau.de], wenn jemand gegen das Böllerverbot klagen würde, sollte es je dazu kommen.
Innenministerin gegen generelles Böllerverbot
Ein Böllerverbot ist bei der geltenden Gesetzeslage nicht absehbar. Denn wer welche Art von Feuerwerk wann zünden darf, regeln das Sprengstoffgesetz und die Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz. Das Land Brandenburg und Berlin sind selbst dafür verantwortlich, dass dieses Sprengstoffgesetz korrekt durchgesetzt wird [bmi.bund.de] - ändern können sie es aber nicht.
Auf die Schnelle kann das nämlich nur das Bundesinnenministerium, derzeit geführt von SPD-Politikerin Nancy Faeser. "Ein generelles Böllerverbot lehne ich ab", stellte die Ministerin am Montag auf Nachfrage des ZDF aber klar.
Faeser macht es nicht "wegen wenigen Chaoten"
Ein Stück weit kam Innenministerin Faeser den Böller-Kritikern allerdings entgegen und schlug vor, den Kommunen mehr Handlungsspielräume zu geben. Was sie sich vorstellen könne, sei eine Öffnungsklausel. "Damit in den Kommunen, in den Ländern mehr Verbote ausgesprochen werden können."
Der Haken: "Das hat leider bisher im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Ich unterstütze das aber, weil man vor Ort unterschiedliche Gegebenheiten hat." Ein generelles Verbot lehne sie ab, weil es nicht sein könne, dass "wenige Chaoten dazu führen, dass ein Böllerverbot deutschlandweit ausgesprochen werden muss". Zumindest in Berlin gibt es bereits lokale Verbotszonen, etwa am Alexanderplatz, im Steinmetzkiez und an der Sonnenallee [berlin.de]. Fraglich ist aber, ob je eine Mehrheit unter den Ländern im Bundesrat zustande kommen kann, um so eine Öffnungsklausel durchzudrücken.
Scholz findet Verbot "irgendwie komisch"
Deshalb könnte passieren, was schon in der Vergangenheit passierte: In den kommenden Wochen könnte das Interesse in der Politik abebben - zumindest verstummten ähnliche Diskussionen in den vergangenen Jahren nach Silvester schnell.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), tendiert dazu, statt eines Böllerverbots lieber die Grenzkontrollen verschärfen zu wollen. Die Einfuhr illegaler und nicht genormter Böller etwa aus Polen solle so verhindert werden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich zur laufenden Debatte zurückhaltend: "Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch", sagte er dem "Stern" [stern.de].
Andererseits hat es wohl noch nie eine so erfolgreiche Petition in so kurzer Zeit für ein Böllerverbot gegeben. Die Berliner Gewerkschaft der Polizei sowie die Initiativen und Organisationen, die sich angeschlossen haben, werden sich dieses Mal wohl deshalb auch nicht so schnell geschlagen geben. Am Montag wurde eine Unterschriftensammlung dem Bundesinnenministerium überreicht. Insgesamt unterstützen mittlerweile rund zwei Millionen Menschen zwei Petitionen zum Böllerverbot.
Sendung: rbb24 Abendschau, 06.01.2025, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 06.01.2025 um 20:04 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.