Senat über Böllerverbot uneinig - Berliner Landesbranddirektor zu Silvester: "Es darf kein 'Weiter so' geben"

Di 07.01.25 | 20:12 Uhr
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Symbolbild: Polizeieinsatz zu Silvester am Alexanderplatz in Berlin. (Quelle: IMAGO/Funke Foto Services)
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Video: rbb24 Abendschau | 07.01.2025 | Laurence Thio | Bild: IMAGO/Funke Foto Services

Hunderte Verletzte, Angriffe auf Rettungskräfte, gravierende Sachschäden: Nach Silvester ist in Berlin die Debatte um ein Böllerverbot neu entbrannt. Bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr zeigte sich der Senat jedoch uneins über die zukünftige Linie.

  • Innensenatorin Spranger will Öffnungsklausel für flächendeckendes Böllerverbot
  • Polizei und Feuerwehr berichten von "Kapazitätsgrenze"
  • Wegner ist gegen Böllerverbot und spricht von "Scheinlösungen"

Nach zahlreichen Unfällen und Straftaten mit illegaler und legaler Pyrotechnik zum Jahreswechsel zeigt sich der Berliner Senat weiter uneinig, welche Konsequenzen er ziehen will. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte am Dienstag einen neuen Versuch an, privates Feuerwerk in Berlin zum Jahreswechsel einzuschränken. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bekräftigte, dass er ein generelles Böllerverbot ablehnt.

Spranger teilte mit, dass sie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Innenministern der Länder geschrieben habe. Ziel sei es, eine sogenannte Länderöffnungsklausel im Sprengstoffgesetz zu ermöglichen. Damit würden Bundesländer die Möglichkeit erhalten, flächendeckende Böllerverbote auszusprechen. Kein Bundesland wäre aber dazu verpflichtet, betonte Spranger. "Jeder kann, aber keiner muss." Das Sprengstoffgesetz ist Bundessache.

"Wir müssen einen gemeinsamen Weg finden", betonte Spranger nach der Sitzung. "So wie es ist, kann es nicht bleiben." Spranger erneuerte ihren Vorschlag, in Berlin künftig Feuerwerk nur noch in bestimmten, ausgewiesenen Arealen zu zulassen.

Polizei und Feuerwehr: "Es darf kein weiter so geben"

In der Senatssitzung hatten Landesbranddirektor Karsten Homrighausen und Polizei-Vizepräsident Marco Langner den Senatsmitgliedern geschildert, dass die Lage zu Silvester hochproblematisch gewesen sei. Allein in den ersten beiden Stunden des neuen Jahres habe es mehr als über 600 Einsätze gegeben, durchschnittlich einen alle zwölf Sekunden, sagte Landesbranddirektor Homrighausen. Insgesamt habe es 825 Einsätze wegen Bränden gegeben, so viel wie sonst in einem ganzen Monat. "Wir sind an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen."

Auch die zahlreichen Notrufe in der Silvesternacht seien eine Herausforderung gewesen, Homrighausen zufolge insgesamt mehr als 3.000.

Im Hinblick auf Kugelbomben sprach Homrighausen von einer neuen Dimension. Feuerwehrkräfte seien etwa nach der Explosion einer sogenannten Kugelbombe, die von Privatpersonen nicht legal gezündet werden darf, mit traumatisierenden Bildern konfrontiert gewesen. Der Landesbranddirektor nannte den Vorfall in Tegel als Beispiel, bei dem ein siebenjähriger Junge lebensgefährlich verletzt wurde. "Es darf kein 'Weiter so' geben", forderte er.

Auch Polizei-Vizepräsident Marco Langner betonte mit Blick auf die Erfahrungen der rund 4.000 Polizeikräfte im Einsatz: "Wir haben eine neue Dimension erlebt." Positiv bewertete Langner die drei Böllerverbotszonen am Alexanderplatz, an der Sonnenallee und im Steinmetzkiez in Schöneberg. Die Zahl der Straftaten dort ist aus Sicht der Polizei überschaubar geblieben.

"Aber wie wird sich die Situation nächstes Jahr darstellen?", fragte Langner. Denn es sei nicht sicher, ob die Berliner Polizei weiterhin Unterstützung in dem bisherigen Umfang aus anderen Bundesländern bekomme, wo Einsatzkräfte an Silvester inzwischen ebenfalls oft im Dauereinsatz sind.

Kritik von den Grünen

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner lehnt allerdings ein generelles Böllerverbot ab. Senatssprecherin Christine Richter erklärte dazu, Wegner wolle keine "Scheinlösungen". Zum einen seien sogenannte Kugelbomben für die private Nutzung schon jetzt verboten. Zum anderen seien mit Blick auf die Erlaubniszonen zahlreiche Fragen offen, etwa, wer diese schützen solle und wie kontrolliert werden könne, wenn an anderen Stellen doch geböllert werde.

Richter verwies darauf, dass auch der Regierende Bürgermeister der Auffassung sei, dass es so wie bisher nicht bleiben könne. Welche Konsequenzen Wegner rund eine Woche nach dem Jahreswechsel ziehen will, blieb aber offen.

Dafür kritisierte ihn der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Vasili Franco. "Wenn dem Regierenden die Sicherheit in der Stadt wirklich wichtig ist, dann steht er in der Pflicht, ein Verkaufsverbot auf die Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz zu tragen. Der Verweis auf fehlende Mehrheiten sind ein politisches Armutszeugnis. Es darf dieses Jahr nicht nur bei Beileidsbekundungen des Senats bleiben, ohne dass es etwas für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst endlich etwas ändert", sagt Franco.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Ronald Gläser, teilte hingegen mit: "Wir haben kein Böllerproblem, sondern ein Problem mit bestimmten Bevölkerungsgruppen." Ein Großteil der Silvesterstraftaten werde von Tätern mit Migrationshintergrund begangen.

Mehr als 360 Verletzte

Bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr beschäftigte sich der Senat am Dienstag mit den Vorgängen während der Silvesternacht. Zahlreiche Menschen waren durch illegale Böller zum Teil schwer verletzt worden. Bis Montag seien es nach Angaben des Senats mehr als 360 Menschen gewesen.

Unter anderem wurden mehrere sogenannte Kugelbomben gezündet, die wegen ihrer hohen Explosionskraft in Deutschland nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen sind. In Schöneberg wurden dabei Häuserfassaden und Autos stark beschädigt, mehr als 30 Wohnungen wurden zeitweise unbewohnbar. Nach jüngsten Angaben der Polizei wurden 1.453 für Silvester typische Straftaten registriert und 670 Verdächtige erfasst. Bei Angriffen wurden demnach 17 Polizisten verletzt, 8 davon durch Pyrotechnik. Insgesamt waren rund 4.000 Polizisten im Dienst.

Petition zu Böllerverbot an Bundesregierung übergeben

Die Ereignisse in der Silvesternacht haben der Diskussion um ein generelles Böllerverbot neue Nahrung gegeben. So haben die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Umwelthilfe zwei von ihnen initiierte Unterschriftensammlungen zum Verbot von privatem Feuerwerk am Montag dem Bundesinnenministerium überreicht.

Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Beitrags haben wir Karsten Homrighausen als Landesbrandmeister betitelt. Korrekt ist aber Landesbranddirektor. Wir bitten um Entschuldigung für den Fehler.

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.01.2025, 19:30 Uhr

Kommentar

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228 Kommentare

  1. 228.

    Unser Bürgermeister Wegener hat kein Arsch in der Hose.Was ist so schwer daran ,seine ...unsere Polizei, Rettungskräfte, Feuerwehr und uns Normale Bürger vor diesen Bürgerkriegs ähnlichen zuständen zu schützen.Das hat mit Silvester nichts mehr zu tun.Wegener und seine Jammerpolitik für Berlin Unwürdig.

  2. 227.

    Dieser Wahsinn muss aufhören sonst wird es nächstes Jahr noch viel schlimmer. Selbst bei uns auf dem Land explodieren viel zu laute Böller.

  3. 226.

    „ Allein in den ersten beiden Stunden des neuen Jahres habe es mehr als über 600 Einsätze gegeben, durchschnittlich einen alle zwölf Sekunden, sagte Landesbranddirektor Homrighausen. Insgesamt habe es 825 Einsätze wegen Bränden gegeben, so viel wie sonst in einem ganzen Monat. "Wir sind an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen."“

    Erst wenn dann auch Sie mal betroffen sein werden kapieren Sie es.

  4. 225.

    Das, was Sie schreiben, ist liberalistisches Geschwätz. Welche Freiheit verlieren Sie, wenn Sie nur an bestimmten Plätzen Ihre vorher kontrollierten Böller abbrennen?

  5. 224.

    Der Witz….Aha. Wie der Kanzler. Die Wortwahl ist erstaunlich. Polizei, Feuerwehr usw. finden es weder witzig noch komisch, was passiert. Wollen wir es soweit kommen lassen, dass die Notrufe dann nicht mehr erreichbar sind? Darum geht es doch.

  6. 223.

    Ein Pyro-Verbot f. Private wird nicht sofort zur Verbesserung d. Situation führen. Aber,Pyro-Täter können bei generellem Pyro-Verbot (auch Verkauf u. Kauf v. Pyro) für Private, einfacher/schneller festgestellt werden. Angemessene Strafen bei Zuwiderhandlung u. harte Strafen bei extremer Zuwiderhandlung müssen folgen. Dann wird es nach 2-3 Jahren besser. Die Umwelt profitiert schneller...
    Was ist für Sie LEID (kein böllern = Leid )? Wahrscheinlich wurden Sie bisher von wirklichem Leid verschont.

  7. 222.

    Diese Dinge müssen nicht verboten werden, sie sind es schon! Verbote müssen eben nur umgesetzt werden.

  8. 221.

    Stimmt. Aber dann könnten wir ja umgekehrt mal fragen, weshalb wir nur an Silvester böllern dürfen, wenn denn Verbote komisch sind.

  9. 220.

    Das ganze Jahr über verursachen Sie mit Konsum Müll, der mehr als nachhaltig die Umwelt schädigt und Menschen die Lebensgrundlage nimmt. Und? Wann interessiert Sie das Schicksal von Mensch, Umwelt und Tieren? An Silvester. Lächerlich.

  10. 219.

    Was treibt da unseren Regierenden Bürgermeister? Ich empfinde seine Haltung als verantwortungslos!

  11. 217.

    Es ist einfach. Polizei und Feuerwehr zeigen auf, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. Es muss also etwas getan werden. Angesichts der Entwicklung sehe ich nur das Verbot des privaten Feuerwerks als wirksame Lösung. Alles andere verlagert Probleme nur. Aber es ist Sache der Regierenden, sich nun klar zu positionieren. Insbesondere im Wahlkampf erwarte ich Aussagen.

  12. 216.

    Wie geschrieben. Auf übersteigerte Neurosen, nehme ich keine Rücksicht. Und vielleicht, sollten Sie wirklich nichts dergleichen haben dürfen.

  13. 215.

    Der Witz ist, dass die Idioten trotz des Böllerverbot genauso weitermachen werden, während die, die ordnungsgemäß geböllert haben, unter einem weiteren Verbot leiden. Das ist linksgrüne Logik in Reinkultur - genau, wie beim Messerverbot.

  14. 214.

    "Der Staat würde damit Polizisten, die Feuerwehr, Rettungskräfte ... ins offene Messer laufen lassen."

    Würden die Verantwortlichen 1x Silvester auf einem Einsatzfahrzeug ohne Presse und Personenschutz in den Problemzonen/Bezirken verbringen dann wären wir einem Verbot wahrscheinlich schon sehr nahe!

  15. 213.

    Sie bringen es auf den Punkt.

    Sie sind nicht direkt v. Silvester-Pyro-Übergriffen betroffen.
    Silvester-Tote,Verletzte...haben Sie nicht verursacht. Ängste v. Menschen u. Tieren bezeichnen Sie als Neurosen. Umwelt spielt für Sie beim Einsatz v. Pyro keine Rolle.
    Sie wollen keine Rücksicht nehmen.
    Damit reihen Sie sich ein in Verharmlosung d. "Silvester - Übergriffe", in "Andere sind mir egal" , in "Weiter so".
    Ihre Einstellung ist in D weit verbreitet. Auch unter Politikern.
    Armes DL.


  16. 212.

    Warum sind Schusswaffen nochmal verboten? Ich würde ganz vernünftig damit umgehen. Und warum sind Messer verboten? Ich würde ganz vernünftig damit umgehen. Nur weil einige Idioten solche Waffen missbrauchen muss man doch die Freiheit der Mehrheit nicht einschränken. Ironie off.

  17. 211.

    Wenn es kein Böllerverbot gibt, möchte ich nicht wissen, was nächstes Jahr zu Silvester alles in Berlin passieren wird. Der Staat würde damit Polizisten, die Feuerwehr, Rettungskräfte ... ins offene Messer laufen lassen.

  18. 210.

    Garnüscht muss Jemand. Wir haben ganz normal unser Feuerwerk abgebrannt und den Müll danach weggeräumt. Nichts kaputt gegangen und niemand verletzt. Für Idioten kann niemand was und auf übersteigerte Neurosen, nehme ich keine Rücksicht. Ich muss nicht mit Feuerwerk feiern, aber für dir meisten ist es, bei normalem Ablauf, eine schöne Sache.

  19. 209.

    Der Vorschlag von Frau Senatorin Spranger scheint mir vernünftig und durchführbar. Bundesinnenministerin Faeser sollte zeitnah in Abstimmung mit ihrer Berliner Kollegin eine entsprechende Änderung an § 23 Abs. 2 S. 2 1. SprengV vornehmen. Notwendig wäre natürlich zudem eine strenge Kontrolle um sicher zu stellen, dass nur Feuerwerkskörper der Klassen F1 und F2 mitgeführt und gezündet werden.

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