Senat über Böllerverbot uneinig - Berliner Landesbranddirektor zu Silvester: "Es darf kein 'Weiter so' geben"
Hunderte Verletzte, Angriffe auf Rettungskräfte, gravierende Sachschäden: Nach Silvester ist in Berlin die Debatte um ein Böllerverbot neu entbrannt. Bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr zeigte sich der Senat jedoch uneins über die zukünftige Linie.
- Innensenatorin Spranger will Öffnungsklausel für flächendeckendes Böllerverbot
- Polizei und Feuerwehr berichten von "Kapazitätsgrenze"
- Wegner ist gegen Böllerverbot und spricht von "Scheinlösungen"
Nach zahlreichen Unfällen und Straftaten mit illegaler und legaler Pyrotechnik zum Jahreswechsel zeigt sich der Berliner Senat weiter uneinig, welche Konsequenzen er ziehen will. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte am Dienstag einen neuen Versuch an, privates Feuerwerk in Berlin zum Jahreswechsel einzuschränken. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bekräftigte, dass er ein generelles Böllerverbot ablehnt.
Spranger teilte mit, dass sie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Innenministern der Länder geschrieben habe. Ziel sei es, eine sogenannte Länderöffnungsklausel im Sprengstoffgesetz zu ermöglichen. Damit würden Bundesländer die Möglichkeit erhalten, flächendeckende Böllerverbote auszusprechen. Kein Bundesland wäre aber dazu verpflichtet, betonte Spranger. "Jeder kann, aber keiner muss." Das Sprengstoffgesetz ist Bundessache.
"Wir müssen einen gemeinsamen Weg finden", betonte Spranger nach der Sitzung. "So wie es ist, kann es nicht bleiben." Spranger erneuerte ihren Vorschlag, in Berlin künftig Feuerwerk nur noch in bestimmten, ausgewiesenen Arealen zu zulassen.
Polizei und Feuerwehr: "Es darf kein weiter so geben"
In der Senatssitzung hatten Landesbranddirektor Karsten Homrighausen und Polizei-Vizepräsident Marco Langner den Senatsmitgliedern geschildert, dass die Lage zu Silvester hochproblematisch gewesen sei. Allein in den ersten beiden Stunden des neuen Jahres habe es mehr als über 600 Einsätze gegeben, durchschnittlich einen alle zwölf Sekunden, sagte Landesbranddirektor Homrighausen. Insgesamt habe es 825 Einsätze wegen Bränden gegeben, so viel wie sonst in einem ganzen Monat. "Wir sind an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen."
Auch die zahlreichen Notrufe in der Silvesternacht seien eine Herausforderung gewesen, Homrighausen zufolge insgesamt mehr als 3.000.
Im Hinblick auf Kugelbomben sprach Homrighausen von einer neuen Dimension. Feuerwehrkräfte seien etwa nach der Explosion einer sogenannten Kugelbombe, die von Privatpersonen nicht legal gezündet werden darf, mit traumatisierenden Bildern konfrontiert gewesen. Der Landesbranddirektor nannte den Vorfall in Tegel als Beispiel, bei dem ein siebenjähriger Junge lebensgefährlich verletzt wurde. "Es darf kein 'Weiter so' geben", forderte er.
Auch Polizei-Vizepräsident Marco Langner betonte mit Blick auf die Erfahrungen der rund 4.000 Polizeikräfte im Einsatz: "Wir haben eine neue Dimension erlebt." Positiv bewertete Langner die drei Böllerverbotszonen am Alexanderplatz, an der Sonnenallee und im Steinmetzkiez in Schöneberg. Die Zahl der Straftaten dort ist aus Sicht der Polizei überschaubar geblieben.
"Aber wie wird sich die Situation nächstes Jahr darstellen?", fragte Langner. Denn es sei nicht sicher, ob die Berliner Polizei weiterhin Unterstützung in dem bisherigen Umfang aus anderen Bundesländern bekomme, wo Einsatzkräfte an Silvester inzwischen ebenfalls oft im Dauereinsatz sind.
Kritik von den Grünen
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner lehnt allerdings ein generelles Böllerverbot ab. Senatssprecherin Christine Richter erklärte dazu, Wegner wolle keine "Scheinlösungen". Zum einen seien sogenannte Kugelbomben für die private Nutzung schon jetzt verboten. Zum anderen seien mit Blick auf die Erlaubniszonen zahlreiche Fragen offen, etwa, wer diese schützen solle und wie kontrolliert werden könne, wenn an anderen Stellen doch geböllert werde.
Richter verwies darauf, dass auch der Regierende Bürgermeister der Auffassung sei, dass es so wie bisher nicht bleiben könne. Welche Konsequenzen Wegner rund eine Woche nach dem Jahreswechsel ziehen will, blieb aber offen.
Dafür kritisierte ihn der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Vasili Franco. "Wenn dem Regierenden die Sicherheit in der Stadt wirklich wichtig ist, dann steht er in der Pflicht, ein Verkaufsverbot auf die Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz zu tragen. Der Verweis auf fehlende Mehrheiten sind ein politisches Armutszeugnis. Es darf dieses Jahr nicht nur bei Beileidsbekundungen des Senats bleiben, ohne dass es etwas für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst endlich etwas ändert", sagt Franco.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Ronald Gläser, teilte hingegen mit: "Wir haben kein Böllerproblem, sondern ein Problem mit bestimmten Bevölkerungsgruppen." Ein Großteil der Silvesterstraftaten werde von Tätern mit Migrationshintergrund begangen.
Mehr als 360 Verletzte
Bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr beschäftigte sich der Senat am Dienstag mit den Vorgängen während der Silvesternacht. Zahlreiche Menschen waren durch illegale Böller zum Teil schwer verletzt worden. Bis Montag seien es nach Angaben des Senats mehr als 360 Menschen gewesen.
Unter anderem wurden mehrere sogenannte Kugelbomben gezündet, die wegen ihrer hohen Explosionskraft in Deutschland nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen sind. In Schöneberg wurden dabei Häuserfassaden und Autos stark beschädigt, mehr als 30 Wohnungen wurden zeitweise unbewohnbar. Nach jüngsten Angaben der Polizei wurden 1.453 für Silvester typische Straftaten registriert und 670 Verdächtige erfasst. Bei Angriffen wurden demnach 17 Polizisten verletzt, 8 davon durch Pyrotechnik. Insgesamt waren rund 4.000 Polizisten im Dienst.
Petition zu Böllerverbot an Bundesregierung übergeben
Die Ereignisse in der Silvesternacht haben der Diskussion um ein generelles Böllerverbot neue Nahrung gegeben. So haben die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Umwelthilfe zwei von ihnen initiierte Unterschriftensammlungen zum Verbot von privatem Feuerwerk am Montag dem Bundesinnenministerium überreicht.
Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Beitrags haben wir Karsten Homrighausen als Landesbrandmeister betitelt. Korrekt ist aber Landesbranddirektor. Wir bitten um Entschuldigung für den Fehler.
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.01.2025, 19:30 Uhr