Geothermie - Neuruppin heizt künftig mit Thermalwasser
Tief unter Neuruppin schlummern enorme Wärmevorkommen, die zum Heizen genutzt werden sollen. Um das Thermalwasser an die Oberfläche zu befördern sind zwei tiefe Bohrungen nötig. Das ist nicht billig. Von Philipp Rother
Erdwärme wird vor allem in Vulkanregionen für die Energiegewinnung genutzt - zum Beispiel in Island. Dort ist über 200 Grad heißes Wasser in nur 1.000 bis 2.000 Metern Tiefe zu finden.
Der Norden Brandenburgs ist nicht als Vulkanregion bekannt. Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) setzt trotzdem auf Erdwärme, auch Geothermie genannt. Denn unter der Stadt ist heißes Thermalwasser. Die ortsansässige Therme nutzt das bereits seit Jahrzehnten. Künftig soll es auch für die Wärmegewinnung genutzt werden. Auch in Berlin, Potsdam und Prenzlau (Uckermark) laufen ähnliche Projekte.
"Wir sitzen hier auf einer riesigen Blase aus heißem Wasser", sagt der Geschäftsführer der Neuruppiner Stadtwerke Thoralf Uebach. Die Wärme entstehe durch natürliche geothermische Prozesse in der Erdkruste.
Erdwärme bietet großes Potenzial
Bereits 1987/88 hatte Neuruppin erste Erkundungsbohrungen vorgenommen, wenige Jahre später wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, dann aber doch auf billiges Erdgas gesetzt. Seitdem hat sich viel verändert. Daher suchten die Stadtwerke nach Alternativen und griffen auf die Erkenntnisse der früheren Bohrungen zurück.
Kurz vor Weihnachten wurden die Bohrungen auf dem Gelände der Neuruppiner Stadtwerke in der Heinrich-Rau-Straße abgeschlossen. "Die Löcher sind versiegelt und einsatzbereit", sagte Uebach.
Auf dem Weg Richtung Klimaneutralität bietet die Nutzung von Erdwärme nach Ansicht des Bundesverbandes Geothermie großes Potenzial. 40 Prozent der Wärmeversorgung Deutschlands könnten demnach aus Geothermie sichergestellt werden. Auch die Internationale Energie-Agentur (IEA) hatte zuletzt dazu aufgerufen, das Potenzial von Erdwärme stärker zu nutzen. Bislang sei die Nischentechnologie, hieß es.
Das Geothermieprojekt in Neuruppin funktioniert mit zwei Bohrungen: Durch das eine Rohr wird rund 65 Grad heißes Thermalwasser aus 1.700 bis 1.900 Metern Tiefe an die Oberfläche gepumpt. Dort wird dem Wasser die Wärme entzogen. Durch das zweite Rohr wird es dann zurückgeleitet. "Wir entnehmen nur die Wärme und injizieren das Wasser danach wieder in die Erde", erklärte Uebach. Für die sechsmonatigen Bohrungen wurden in Neuruppin zwölf Meter hohe Schallschutzwände und ein 27 Meter hoher Bohrturm aufgestellt.
Bohrturm wurde schon wieder abgebaut
Der Turm ist mittlerweile schon wieder flachgelegt worden. Jetzt muss die sogenannte Obertagetechnik gebaut werden. "Wir mussten vorher genau wissen, was die Bohrungen wirklich leisten können", sagte der Stadtwerkechef im Gespräch mit dem rbb: "Wir wissen jetzt, welche Wärmepumpen wir benötigen - die werden jetzt ausgeschrieben." Es ist also noch Geduld gefragt. Es sollen Anlagen mit sechs Wärmepumpen errichtet werden. Darin soll das Wasser dann um weitere 20 Grad erhitzt werden, um daraus Energie zu gewinnen. Diese wird dann in das Fernwärmenetz Neuruppin eingespeist.
Die Stadt im Norden Brandenburgs verfügt über ein dicht ausgebautes Fernwärmenetz, das nicht nur die Neubaugebiete, sondern auch die Altstadt versorgt. Bisher wird die Wärme mit Erdgas erzeugt.
Ab Ende 2026 sollen 70 Prozent des Bedarfs durch die Tiefen-Geothermie abgedeckt werden. Rund 20.000 Menschen sollen dann dank Erdwärme heizen und profitieren. "Wir können damit für die Kunden die Preise langfristig stabil halten und koppeln uns weiter von fossilen Brennstoffen ab und werden unabhängiger von Eskapaden, die in der Welt passieren und die Energieversorgung unsicher machen", sagte Stadtwerkechef Uebach.
Zusätzlich soll das bestehende Holzhackschnitzel-Kraftwerk für die Wärmeerzeugung genutzt werden. Insgesamt könnten rund 30.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Nur zu Spitzenzeiten sei die Nutzung der bisherigen Gasheizanlagen notwendig.
Bund stellt Fördermittel in Höhe von 10,2 Millionen Euro bereit
Die Gesamtinvestitionen für das Geothermieprojekt liegen nach Angaben der Stadtwerke bei rund 30 Millionen Euro. Der Bund stellt Fördermittel in Höhe von 10,2 Millionen Euro bereit. "Geothermie ist in Neuruppin eine Erfolgsgeschichte - wir haben mehr Leistung als geplant", sagt Uebach. Und es gibt auch schon weitere Gedankenspiele: Es gebe die Möglichkeit, die Bohrungen nahe der Therme zu erweitern, sagt Uebach. Darüber hinaus sei eine zweite Bohrung im nördlichen Teil der Stadt denkbar. So könnte künftig das ganze Fernwärmenetz Neuruppins durch die Wärme des Thermalwassers gespeist werden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 07.01.2025, 17 Uhr