Syrischer Machthaber gestürzt - Debatte über syrische Flüchtlinge - Saleh nennt CDU-Vorschläge "respektlos"

Mo 09.12.24 | 20:28 Uhr
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Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung bei einer Moschee. (Foto: picture alliance/dpa/AP | Emrah Gurel)
Audio: rbb24 Abendschau | 09.12.2024 | Max Kell | Bild: picture alliance/dpa/AP | Emrah Gurel

In Syrien ist Machthaber Baschar al-Assad gestürzt worden. Wie geht es nun weiter mit den Menschen, die vor dem Konflikt in Syrien nach Deutschland geflohen sind? Während manche schnelle Ausreisen erreichen wollen, mahnen andere zum Abwarten.

Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad ist eine Diskussion um den Umgang mit den syrischen Flüchtlinge in Deutschland entbrannt. Während auf der einen Seite Überlegungen zu einer möglichen Rückkehr angestellt wurden, weisen andere auf die weiterhin unsichere Lage in Syrien hin. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stoppte am Montag wegen der unklaren Lage vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge aus dem arabischen Land.

Der Flüchtlingsrat Berlin kritisierte den Entscheidungsstopp des Bamf. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Lage in Syrien in den nächsten Monaten deutich verbessere, sagte Emily Barnickel, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Berlin, dem rbb. Die Menschen bräuchten aber Rechtssicherheit, teilte Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat Berlin am Montag mit.

Streit über Rückkehr-Unterstützung

Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh kritisierte seinerseits Aussagen von CDU-Politikern, nach denen syrischen Flüchtlingen Geld und Reisemöglichkeiten für eine Rückkehr in ihr Heimatland angeboten werden könnten. "Es sind wieder die alten, populistischen Muster: Kaum gibt es eine solche Entwicklung in Syrien, sofort kommen Empfehlungen von Unionspolitikern wie Jens Spahn, mit Rückführungsprämien zu arbeiten, damit syrische Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen", sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur. "Ich finde es angesichts der nach wie vor fragilen und politisch völlig unklaren Situation unanständig und respektlos, als Erstes zu sagen, die Leute müssen so schnell wie möglich wieder zurück", kritisierte der SPD-Politiker.

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn hatte im RTL/ntv-"Frühstart" gesagt: "Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro."

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte dem "Handelsblatt", die Lage in Syrien habe sich durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad "grundlegend geändert". Das gelte für diejenigen Flüchtlinge in Deutschland, die vor allem vor Assad geflüchtet seien. "Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt", sagte Throm. Eine freiwillige Rückkehr müsse unterstützt werden.

Kocak: Auch Islamisten unter den sogenannten Rebellen

Ferat Kocak von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus betonte mit Blick auf die Lage in Syrien, dass die Ausgangslage nicht für alle Personen und Personengruppen gleich sei. "Kurden, Alaouwiten, Jesiden, Christen und andere religiöse Gruppen in Syrien fürchten sich vor der aktuellen Lage", sagte Kocak. "Denn die sogenannten Rebellen sind keine homogene Gruppe: Unter ihnen finden sich auch IS-Terroristen und andere dschihadistische Milizen", betonte er. Es dürften keine Abschiebungen nach Syrien stattfinden, forderte Kocak im rbb.

Stäblein: Syrische Geflüchtete brauchen weiter Hilfe

Ähnlich äußerte sich auch der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein. "Angesichts der durchaus unterschiedlichen Interessen der derzeit gemeinsam agierenden Gruppen ist Syrien auch nach Ende der Assad-Diktatur kein sicheres Land", sagte Stäblein, der auch Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist.

"Es ist daher jetzt überhaupt nicht der Zeitpunkt, zu diskutieren, ob und wie Menschen in dieses Land zurückkehren sollen", betonte der Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen. Die Lage in Syrien sei unübersichtlich und es sei ungewiss, wie es weitergehe. Geflüchtete aus Syrien, die in Deutschland seien, müssten wissen, "dass sie hier weiterhin Schutz finden und nicht abgeschoben werden".

Stäblein begrüßte allerdings die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen über den Asylstatus von syrischen Geflüchteten auszusetzen, bis die weiteren Entwicklungen verlässlich absehbar seien.

Freude und Zurückhaltung in der syrischen Community

Vertreter der syrischen Community zeigten sich dem rbb gegenüber eher abwartend. Der Berliner Menschenrechtsanwalt Anwar Al-Bunni, der 2014 aus Syrien floh, sagte dem rbb, in Syrien hätten mehrere Generationen auf ein Ende des Assad-Regimes gewartet. "Der Traum ist nun in Erfüllung gegangen", so Al-Bunni. "Nach dem Umsturz warten viele Menschen darauf, dass ihre Angehörigen aus syrischen Gefängnissen freikommen."

Er sei aber auch besorgt, dass nun etwa Anrainerstaaten Einfluss auf die politische Entwicklung in Syrien nehmen oder neue, religiöse Konflikte in Syrien entstehen könnten. "Dabei haben in Syrien Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften immer miteinander gelebt," betonte Al-Bunni.

Ibrahim Alsayed, der Vorsitzenden des Salam Kultur- und Sportclubs in Berlin, äußerte sich gegenüber dem rbb ebenfalls skeptisch, dass sich die Lage bald klärt. "Wir müssen jetzt erstmal abwarten, wie es in Syrien weitergeht", sagte Alsayed, der 2005 aus Syrien floh und 2013 in Wedding den Kulturverein Salam gründete. Die Lage habe sich zuletzt "dramatisch geändert". Er betonte aber auch: "Die Revolution in Syrien hat von 2011 bis vor ein paar Tagen gedauert."

Sendung: Brandenburg aktuell, 09.12.2024, 19:30 Uhr

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84 Kommentare

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  1. 84.

    82.Justuna.
    "Sie sind mit Plattformen vertraut, die für mich NoGo-Area sind."
    Das glaube ich Ihnen nicht! Sie wollen sich doch nur rausreden!
    Wenn Sie hinterher schreiben:
    "Freie Presse, das ist der ganze "Gulasch", auch der unliebsame, übrigens dort geht es mehr um Meinungsmache und nicht um einen ehrlichen Informationswillen, da zu zählt leider teilweise auch der zwangsgebührenfinanzierte.. "
    Bei diesem Geschwurbel ist mir, und auch den anderen hier im Chat, durchaus bewußt, wo Sie zu verorten sind...
    Lassen Sie es einfach sein...

  2. 83.

    79.Verwnderter.
    "Der Islamistenchef und mögliche neue Führer von Syrien wird wegen seiner Taten in den USA mit Millionensummen steckbrieflich gesucht. " So what?
    Der Israelische Regierungschef und Teile der Minister werden vom IStGH werden vom Internationalem Strafgerichtshof
    steckbrieflich wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht. Warum sagen Sie dazu nix. Sie biegen sich die Realität zurecht, wie Sie es gerne hätten. Bitte nicht nur eine Seite der Angelegenheit sehen.

  3. 82.

    Nun ja, die Empörung, mit Unterstellungen ist auch bei Ihrem Kommentar im vollem Gange , obwohl mein Kommentar #3 auf das Bamf abzielte
    Sie sind mit Plattformen vertraut, die für mich NoGo-Area sind.
    Das freiheitliche Denken lässt in Deutschland immer mehr zu wünschen übrig, das war vor der Wiedervereinigung ganz anders, da war es ein gesellschaftlicher Konsens.
    Freie Presse, das ist der ganze "Gulasch", auch der unliebsame, übrigens dort geht es mehr um Meinungsmache und nicht um einen ehrlichen Informationswillen, da zu zählt leider teilweise auch der zwangsgebührenfinanzierte..
    Der allgemeine Freiheitswille und ein unabhängiger Informationwille der Medien, der schwindet hierzulande zusehends,
    Aber in der EU gibt es noch Länder, die darauf achten, und den Extremisten aller Art nur eine unbedeutende Rolle zuweisen, und das macht sich in Wahlen bezahlt.

  4. 81.

    "Es ist "ein Buhlen um die AfD-Wählerschaft". Das stimmt. Die wollen, dass der Grossteil der Syrer nach Wegfall des Asylgrundes in die Heimat zurückkehrt und dort mithilft, das zerstörte Land wieder aufzubauen."

    .....wer kennt sie nicht, die "barmherzigen Samariter" der AfD und deren Wählerschaft, deren vordergründiges Interesse immer dem der Flüchtlinge dient und dem Land, aus dem die Flüchtlinge kommen.

  5. 80.

    Es ist "ein Buhlen um die AfD-Wählerschaft". Das stimmt. Die wollen, dass der Grossteil der Syrer nach Wegfall des Asylgrundes in die Heimat zurückkehrt und dort mithilft, das zerstörte Land wieder aufzubauen.

  6. 79.

    Es ist schon merkwürdig, wie unkritisch die Vorgänge in Syrien bewertet werde, Die USA und Israel bomben militärischen Nachlass des Assad-Regimes, damit nicht so viele Waffen in die Hände der Islamisten fallen. Der Islamistenchef und mögliche neue Führer von Syrien wird wegen seiner Taten in den USA mit Millionensumme steckbrieflich gesucht.

  7. 78.

    ..wenn nicht mal die neuen Machthaber in Syrien eine Nummer schärfer als der IS ist, somit noch eine größere Flüchtswelle auslöst als die bisherige, - das Friede Freude Eierkuchen Denken des Westens ging ja schon ein paar mal mächtig daneben....es wird so kommen....

  8. 77.

    Wer weiß denn wirklich ob die Befreiten wirklich so befreit sind,oder ob nur Assad nicht mehr da ist und nun die Taliban und Türken kommen.Israel führt ja bereits Krieg im "befreiten" Syrien und Afghanisten als einer der letzten befreiten Staaten,sogar vom Westen, erscheint mir nach Abzug der Nato auch nicht gänzlich gerade befreit.

  9. 76.

    Wenn jemand vor Assad geflohen ist heißt das nicht das er in ein islamistisches Syrien zurück will .

    Säkulare Syrer werden sicherlich nicht gern Zuhause zurück gesehen.

  10. 75.

    Es ist schön und gut, wenn die Befreiten fröhlich in ihrer Heimat wieder tanzen können.

    U. a. in Berlin konnten wir sie gestern befreit tanzen sehen.
    Mit den hier gesammelten demokratischen Erfahrungen, sind sie für einen fortschrittlichen und demokratischen Aufbau der gesellschaftlichen Verhältnisse in Syrien unentbehrlich.

  11. 74.

    *3.Justuna.
    "nur hierzulande läuft sofort die vorlaute Empörungsmaschinerie mit "Beiwerk" an."
    Ja! und zu Recht!
    Wenn Sie für die Rechtsextremen-popolistischen Europäischen Regierungen sprechen, die die Menschenrechte der geflüchteten mit Füssen treten, dann läuft die Empörung der Freiheitsliebenden Menschen schon mal über. Es gibt auch in den von Ihnen beschriebenen Ländern eine "vorlaute Empörung". Haben Sie die Berichte darüber nicht gelesen? Ich glaube nicht, auf TikTok wird darüber wenig berichtet und "compact" schreibt auch nicht darüber. Versuchen Sie es mal mit der FREIEN PRESSE. (Ach ja, die gibt's Ihrer Meinung nach ja nicht)

  12. 73.

    Warten wir doch einmal ab, ob es nicht auch so wie in Afghanistan endet und was aus dem Sieg der „Rebellen“, also die Machtübernahme von Islamisten, wird. Ich möchte darauf verweisen, dass damals auch die Menschen die "Machtübername der Islamisten" gefeierten.

  13. 72.

    Herr Saleh, hat doch vor nichts Respekt und schadet der SPD und vielen Mitgliedern!

  14. 71.

    *31.Nachrichten aus....
    "Tausende Migranten aus Syrien feierten den Putsch gegen das Assad-Regime, den Sieg der „Rebellen“, also die Machtübernahme von Islamisten."

    Zu Ihrer Information: Um einen Massenmörder und Despoten zu verjagen braucht es IMMER Rebellen, die gegen eben Diesen rebellieren.
    Wie Sie darauf kommen, dass diese Menschen die "Machtübername der Islamisten" feiern, bleibt Ihr Geheimnis.
    Das Syrien ein moslemisches Land ist, haben Sie sicher schon bemerkt. Wenn Sie aber alle Moslems als radikale Islamisten identifizieren, sollten Sie sich mal mit der Realität VORURTEILSFREI beschäftigen, auch wenn Ihnen das sicher Probleme bereitet.

  15. 70.

    Was heißt Wahlkampf? Jede Partei muss sich mit der veränderten Lage beschäftigen. Obwohl ich kein FDP- Fan bin, hat meiner Meinung nach Ch. Dürr das Richtige gesagt: " Syrer, die in Deutschland arbeiten und unsere Werte teilen, sollten hier eine Perspektive bekommen. Wer nicht arbeitet oder gar straffällig geworden ist, muss Deutschland verlassen ".

  16. 69.

    "Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt", sagte Throm. (Zitat aus dem obigen Artikel)
    Spätestens hier sollte klar werden, dass es nicht nur um FREIWILLIGE Ausreisen geht.

    Und um den Schutzstatus zu prüfen, ist es doch noch viel zu früh, da die ganze Situation völlig unklar ist.
    Im Übrigen ist heute Internationaler Tag der Menschenrechte! Direkt auf der Startseite des BAMF zu lesen.
    Vielleicht noch ein Grund mehr, sich in Abwarten zu üben und zu schauen, wie sich die politische Lage in Syrien entwickelt.

  17. 68.

    Hier ist allerdings die Frage, welche dieser Parteien es besonders eilig haben, die Flüchtlinge zurückzuführen, und dies dann auch noch für ihren Wahlkampf nutzen.

  18. 67.

    Das sehe ich genauso. Aber einige hier haben anscheinend nur die Überschrift des Artikels gelesen.
    Es geht um FREIWILLIGE Rückkehrer, die man unterstützen will. Nicht jeder möchte hier bleiben. Es gibt dazu auch viele Interviews und Berichte.
    Wir entscheiden doch nicht, was diese Menschen möchten. Das entscheiden sie selbst. Wir können sie doch nicht zwingen, hier zu bleiben.
    Aber Hauptsache mal wieder gegen eine Partei oder einen Politiker hetzen, den man nicht mag.

  19. 66.

    Ich nenne die Reaktion Israels überzogen.
    Ich darf gar nicht daran denken wie viele Zivilisten wieder getötet wurden.
    Mit welchen Recht bitte .Das Kriegsverbrechertribunal sollte auch hier ermitteln.

  20. 65.

    Nun, eine Gegenfrage, welche Partei hat es in wichtigen Fragen eilig?
    Doch wohl keine, von denen, die auf Bundesebene und Landesebenen in letzten 15 Jahren regiert haben, siehe der allgemeine Nachholbedarf.

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