Rückkehr aus Venezuela - 30 Jahre nach gescheitertem Anschlag auf Gefängnis: Zwei Männer vor Gericht

So 16.03.25 | 08:18 Uhr | Von Ulf Morling
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Archivbild: Abschiebegewahrsam Köpenick. (Quelle: dpa/Wulf)
Bild: dpa/Wulf

Vor dem Kammergericht müssen sich ab Montag zwei Männer verantworten, die einen Sprengstoffanschlag auf ein Gefängnis in Berlin geplant haben sollen. Die Angeklagten sind für den Prozess aus Venezuela nach Berlin zurückgekehrt - nach 30-jähriger Flucht. Von Ulf Morling

21 Kilogramm Sprengstoff sollen Peter K. (65) und Thomas W. (62) am 11. April 1995 auf einem Parkplatz in der Nähe der früheren Frauenhaftanstalt Berlin-Grünau umgeladen haben. Mit dabei: ein inzwischen verstorbener Komplize. Der selbst hergestellte Sprengstoff aus Natriumchlorat und Zucker sollen in vier Propangasflaschen gefüllt gewesen sein.

Die der linksradikalen Szene zuzurechnenden Angeklagten beabsichtigten laut Bundesanwaltschaft, den Sprengstoff mit selbstgebautem Zeitzünder dort zu deponieren und zur Explosion zu bringen. Die Haftanstalt wurde zu dem Zeitpunkt zu einem Abschiebegefängnis umgebaut. Den Angeklagten sei bei der Tatbegehung bekannt gewesen, dass sich in der Nacht keine Menschen auf der Baustelle aufhielten, heißt es.

Von einer zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife sollen die drei Männer laut Bundesanwaltschaft gestört worden sein, als sie rund drei Kilometer entfernt die mit Sprengstoff gefüllten Propangasflaschen in einen gestohlenen Ford Transit umluden. Die Angeklagten sollen geflüchtet sein - und lebten bis Mitte letzter Woche 30 Jahre lang in Venezuela.

Sprengstoffanschlag gegen Abschiebungen von Kurden

Die beiden Angeschuldigten sollen sich laut Bundesanwaltschaft mit dem inzwischen verstorbenen Bernhard H. spätestens im Herbst 1994 zu der terroristischen Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." zusammengeschlossen haben. Die laut Anklage "von einer linksextremistischen Ideologie" geprägte Gruppierung war am 27. Oktober 1994 erstmals in Erscheinung getreten - durch einen Brandanschlag im brandenburgischen Bad Freienwalde. Der Anschlag hatte einem Gebäude des Verteidigungskreiskommandos 852 der Bundeswehr gegolten.

In der linksradikalen Zeitschrift "radikal" war die Tat begründet worden mit Menschenrechtsverletzungen in der Türkei gegen die dort lebenden Kurden. Der Anschlag sei erfolgt, weil Deutschland der wichtigste Partner und Waffenlieferanten der Türkei sei. Die Bundesrepublik sei deshalb "unmittelbar in die Gräueltaten der türkischen Armee" in den kurdischen Gebieten verwickelt.

Mit der jetzt angeklagten Tat gegen das in Bau befindliche Abschiebegefängnis, rund sechs Monate später, hätten die Angeklagten die Abschiebung von Personen kurdischer Herkunft verhindern wollen, um dadurch den Kampf der terroristischen Vereinigung "Partiya Karkeren Kurdistan (PKK) zu unterstützen, heißt es in der Anklage. Die Tat sei laut Bundesanwaltschaft nur verhindert worden wegen der zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife beim Umladen des Sprengstoffs.

30 Jahre Flucht vor der deutschen Justiz

Noch im Jahr des geplanten Sprengstoffanschlags 1995 hatte sich "Das K.O.M.I.T.E.E." aufgelöst. Die deutschen Strafverfolger suchten die mutmaßlichen Terroristen weltweit und hatten 19 Jahre nach dem versuchten Anschlag in Berlin-Grünau erstmals Erfolg: 2014 war der inzwischen verstorbene Bernhard H. in Venezuela von Zielfahndern des Bundeskriminalamts aufgespürt und von den venezolanischen Behörden festgenommen worden. Aufgrund der Entscheidung des höchsten venezolanischen Gerichts wurde H. nach 15-monatiger Haft entlassen: Die vorgeworfenen Taten seien nach in dem Andenstaat geltendem Recht längst verjährt und er dürfe nicht nach Deutschland ausgeliefert werden.

Nach 30 Jahren zurück in Deutschland

Ende 2019 war dann der jetzt angeklagte Peter K. am Flughafen El Vigía in Venezuela ebenfalls festgenommen worden und kam in Auslieferungshaft. Nach gerichtlichen Klärungen in Venezuela und dem Stellen von Asylanträgen in dem südamerikanischen Land konnten die Angeklagten dann in dem Andenstaat teilweise als Bauern und Tierhalter weiterleben. So berichtete die "taz" 2017 nach einem Besuch der in Deutschland seit über zwei Jahrzehnten Gesuchten: Peter K. "steht in Venezuela auf einer Weide und hat gerade eine Kuh gemolken. In der Ferne ragen die Anden in den Himmel… ." K. berichtete in dem Artikel, er wolle juristisch reinen Tisch machen.

Nach den Informationen des rbb war seit einiger Zeit bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sondiert worden, mit welchen Strafvorstellungen bei einer Rückkehr der beiden mutmaßlichen Mitgliedern der Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." zu rechnen sei. Die Besprechungen hinter geschlossenen Türen führten offenbar zu einem annehmbaren Ergebnis: Am letzten Mittwoch, dem 12. März, landeten Peter K. und Thomas W. auf dem BER und wurden festgenommen. Einen Tag später wurde ihnen der Haftbefehl im Amtsgericht Tiergarten verkündet.

Am Montag, dem 17. März beginnt der Prozess gegen beide wegen "der Verabredung zum Verbrechen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" mit einer möglichen Höchststrafe von 15 Jahren. Erst 2035 wäre der Vorwurf absolut verjährt gewesen, die Angeklagten wären dann bei ihrer Rückkehr nach Deutschland 75 und 72 Jahre alt gewesen. Der Vorwurf der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" kann ihnen aber bereits heute - nach 20-jähriger Verjährungsfrist - nicht mehr gemacht werden.

Vier Verhandlungstage bis zum 8. April sind beim 2. Strafsenat des Kammergerichts für den Prozess vorgesehen. Zu Beginn wird mit der Unterbreitung eines Verständigungsvorschlags gerechnet, öffentlich verhandelt zwischen der Bundesanwaltschaft, den Angeklagten und dem entscheidenden Staatsschutzsenat.

Auch eine Bewährungsstrafe könnte verhängt werden für die knapp 30 Jahre zurückliegende Tat, verbunden mit einem Geständnis der Angeklagten und der Berücksichtigung einer in Venezuela eventuell verbüßten Auslieferungshaft.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.03.2025, 13:30 Uhr

Beitrag von Ulf Morling

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13 Kommentare

  1. 13.

    "Sprengstoffanschläge dagegen gefährden keine Leben? Und sind deshalb ungefährlich und legal?"

    Warum fragen Sie mich nicht irgendwelche anderen -mit Verlaub- idiotische Fragen?

    Im vorliegenden Sachverhalt sind weder Leben gefährdet worden, noch sollten sie gefährdet werden. Nehmen Sie doch einfach Tatsachen zu Kenntnis. Statt Ihren Phantasien freien Lauf zu lassen.

    Ansonsten möchte ich von Ihnen nun eine qualifizierte Rede darüber, wer Ihrer Meinung für Handelsregeln, Märkte, Einflusszonen, Geografien, Rohstoffe und Rendite töten darf. Da sie ja auch über töten sprechen, wenn gar niemand getötet hat, oder töten wollte - wie die nun aus dem Exil Zurückgekehrten.
    Sie aber darüber sprechen, als hätten sie.
    Was tun Sie denn mit denen die wirklich -gerade aktuell an zahlreichen Orten- massenhaft töten? Mit denen die Bundesregierung sogar verbündet ist. Ganz legal.
    Los, breiten Sie Ihre überlegene Moral aus. Ich bin gespannt.

  2. 12.

    Was für eine seltsame Sichtweise.
    Man mag sich ja über die moralische Rechtfertigung von Abschiebegefängnisden durchaus streiten können.
    Aber diese wurden auf Grundlage von Gesetzen gebaut und betrieben. Dies soll illegal sein, von Banden errichtet?

    Sprengstoffanschläge dagegen gefährden keine Leben? Und sind deshalb ungefährlich und legal?
    Wir leben doch nicht in einer ansrchistischen, sondern rechtsstaatlichen Gesellschaft.
    Wenn einem etwas nicht passt, muss man sich politisch engagieren.
    Das ist heute so und war es auch vor 30 Jahren.


  3. 11.

    "Hier geht es um Aufklärung eines versuchten Sprengstoffanschlag durch eine linksradikale Bande, die sich, zu feige, sich der Verantwortung zu stellen, nach Venezuela abgesetzt haben."

    Das ist Ihre Sicht der Dinge.
    Ich halte es für schlimmer ein Abschiebegefängnis zu bauen - inklusive allem was mit dieser Vorstellung, Politik, Praxis, Lebensweise verbunden ist -
    als den Versuch ein Abschiebegefängnis im Bau zu zerstören.

    Klären Sie mich über die "Banden" in Deutschland auf, die Abschiebegfängnisse bauen. "Abschiebeoffensiven" organisieren. In irgendwas mit Ausländer das Unglück sehen.

    Nur weil Sie sich nicht vorstellen können, dass Menschen Dinge tun ohne dafür von anderen finanziert und gekauft worden zu sein, heisst das nicht, das es diese anständigen, nicht käuflichen Menschen nicht gibt.

  4. 10.

    Hier geht es um Aufklärung eines versuchten Sprengstoffanschlag durch eine linksradikale Bande, die sich, zu feige, sich der Verantwortung zu stellen, nach Venezuela abgesetzt haben. Da ist doch die Frage erlaubt, wie das geschah, wer das finanzierte. Dass das nur über ein eingespieltes Netzwerk geschieht, ist doch offensichtlich. Vielleicht kommt man dadurch auch anderen kriminell-linksradikalen Tätern auf die Spur.
    Also, versuchen Sie nicht daraus ein weltpolitischen, oder gar ein innenpolitischen Problem daraus zu machen.
    Hier geht es um die Aufdeckung eines linksradikales Netzwerk, was gerne einmal unter den Teppich gekehrt wird.
    Ihr Beitrag bestätigt das.

  5. 8.

    Natriumchlorat und Zucker? Wem gilt hier die Anleitungsanalyse zum selber bauen? Wäre bald wieder 1. Mai in Berlin und wahrscheinlich ist diese Kurzdarlegung eines Rezeptes nicht ganz so hilfreich in Sicherheitsfragen, würde ich meinen. Die Zutaten sind frei käuflich verfügbar, und das Mischungsverhältnis scheinbar ersteinmal egal, solange das Zeug nicht brennt. Macht mich stutzig für Anfängertrigger.

  6. 7.

    Wow, die "Verabredung zum Verbrechen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" kann mit einer Höchststrafe von bis zu 15 Jahren geahndet werden. DAS wünschte ich mir für die Rechtsradikalen, die sich zu Sprengstoffanschlägen auf BEWOHNTE Flüchtlingsunterkünfte verabreden.

  7. 6.

    Stimmt, wahrscheinlich hatten die Angst, dass das Umladenvon Propangas illegal ist und haben sich deshalb für 30 Jahre so weit weg abgesetzt....leuchtet völlig ein!

  8. 5.

    Ja das wäre natürlich ganz arg wichtig "Das Netzwerk" zu ergründen, das seit fast einem halben Jahrhundert linksradikal-extremistisch nicht einsieht, sämtliche innen- und aussenpolitische Probleme mit dem Bau von Abschiebegefängnissen, der Organisation von "Abschiebeoffensiven" und "Einreisesperren" lösen zu wollen. Mit der Behauptung der Ausländer sei das grösste Unglück Deutschlands, der Welt. Und auf der Rampe des internationalen Menschenmarktes nur mit einer für Deutschland 1:1 adäquaten Fachausbildung positiv zu selektieren.
    "Ausländer raus" sei im "Juden raus"-Land nur eine Meinung. Denn schliesslich verantworte der alles Schlechte. Schliesslich sass der Ausländer, Illegale in den Vorständen der Auto- und Energie- Wohnungskonzerne. Stellte der die Regierung. Liess der die öffentlichen Infrastrukturen verrotten. Erliess der Haushaltssperren, Steuergesetze und -verteilung für Kommunen, die fortan nicht mal mehr ihre Schulen anständig ausstatten konnten.

  9. 4.

    „ Woher will die Polizei gewusst haben, dass in den Propangasflaschen Sprengstoff war, wenn da doch in der Regel Propangas drin ist?“

    Hallo, das wurde doch ausgiebig berichtet im Zusammenhang mit der Festnahme.
    Die 3 Täter wurden überrascht und sind geflüchtet, die Gasflaschen mussten sie zurücklassen.
    Ich hatte was von 200kg Sprengstoff gelesen

  10. 3.

    Gestohlener Ford Transit, nächtliches Umladen? Meinen Sie nicht die KTU hätte den Inhalt der Flaschen untersucht? Was den Vorsatz angeht, mal die Aussage aus Südamerika nehmen und was wollten die Zwei: juristisch reinen Tisch machen um dann die soziale Hängematte zu genießen!

  11. 2.

    Wichtig wäre auch zu ergründen, wie das linksradikalen Netzwerk funktioniert, dass es möglich war, dass sich Linkskriminellen Bombenleger nach Venezuela absetzen konnte und wie und wer die dort, auf finanziell, unterstützten.

  12. 1.

    Das mit dem beabsichtigten Sprengstoffanachlag erscheint mir alles ziemlich vage. Wie will man nach 30 Jahren den Vorsatz einer beabsichtigten Tat nachweisen, wenn gar kein Anschlag stattgefunden hat? Woher will die Polizei gewusst haben, dass in den Propangasflaschen Sprengstoff war, wenn da doch in der Regel Propangas drin ist?