Rückkehr aus Venezuela - 30 Jahre nach gescheitertem Anschlag auf Gefängnis: Zwei Männer vor Gericht

Vor dem Kammergericht müssen sich ab Montag zwei Männer verantworten, die einen Sprengstoffanschlag auf ein Gefängnis in Berlin geplant haben sollen. Die Angeklagten sind für den Prozess aus Venezuela nach Berlin zurückgekehrt - nach 30-jähriger Flucht. Von Ulf Morling
21 Kilogramm Sprengstoff sollen Peter K. (65) und Thomas W. (62) am 11. April 1995 auf einem Parkplatz in der Nähe der früheren Frauenhaftanstalt Berlin-Grünau umgeladen haben. Mit dabei: ein inzwischen verstorbener Komplize. Der selbst hergestellte Sprengstoff aus Natriumchlorat und Zucker sollen in vier Propangasflaschen gefüllt gewesen sein.
Die der linksradikalen Szene zuzurechnenden Angeklagten beabsichtigten laut Bundesanwaltschaft, den Sprengstoff mit selbstgebautem Zeitzünder dort zu deponieren und zur Explosion zu bringen. Die Haftanstalt wurde zu dem Zeitpunkt zu einem Abschiebegefängnis umgebaut. Den Angeklagten sei bei der Tatbegehung bekannt gewesen, dass sich in der Nacht keine Menschen auf der Baustelle aufhielten, heißt es.
Von einer zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife sollen die drei Männer laut Bundesanwaltschaft gestört worden sein, als sie rund drei Kilometer entfernt die mit Sprengstoff gefüllten Propangasflaschen in einen gestohlenen Ford Transit umluden. Die Angeklagten sollen geflüchtet sein - und lebten bis Mitte letzter Woche 30 Jahre lang in Venezuela.
Sprengstoffanschlag gegen Abschiebungen von Kurden
Die beiden Angeschuldigten sollen sich laut Bundesanwaltschaft mit dem inzwischen verstorbenen Bernhard H. spätestens im Herbst 1994 zu der terroristischen Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." zusammengeschlossen haben. Die laut Anklage "von einer linksextremistischen Ideologie" geprägte Gruppierung war am 27. Oktober 1994 erstmals in Erscheinung getreten - durch einen Brandanschlag im brandenburgischen Bad Freienwalde. Der Anschlag hatte einem Gebäude des Verteidigungskreiskommandos 852 der Bundeswehr gegolten.
In der linksradikalen Zeitschrift "radikal" war die Tat begründet worden mit Menschenrechtsverletzungen in der Türkei gegen die dort lebenden Kurden. Der Anschlag sei erfolgt, weil Deutschland der wichtigste Partner und Waffenlieferanten der Türkei sei. Die Bundesrepublik sei deshalb "unmittelbar in die Gräueltaten der türkischen Armee" in den kurdischen Gebieten verwickelt.
Mit der jetzt angeklagten Tat gegen das in Bau befindliche Abschiebegefängnis, rund sechs Monate später, hätten die Angeklagten die Abschiebung von Personen kurdischer Herkunft verhindern wollen, um dadurch den Kampf der terroristischen Vereinigung "Partiya Karkeren Kurdistan (PKK) zu unterstützen, heißt es in der Anklage. Die Tat sei laut Bundesanwaltschaft nur verhindert worden wegen der zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife beim Umladen des Sprengstoffs.
30 Jahre Flucht vor der deutschen Justiz
Noch im Jahr des geplanten Sprengstoffanschlags 1995 hatte sich "Das K.O.M.I.T.E.E." aufgelöst. Die deutschen Strafverfolger suchten die mutmaßlichen Terroristen weltweit und hatten 19 Jahre nach dem versuchten Anschlag in Berlin-Grünau erstmals Erfolg: 2014 war der inzwischen verstorbene Bernhard H. in Venezuela von Zielfahndern des Bundeskriminalamts aufgespürt und von den venezolanischen Behörden festgenommen worden. Aufgrund der Entscheidung des höchsten venezolanischen Gerichts wurde H. nach 15-monatiger Haft entlassen: Die vorgeworfenen Taten seien nach in dem Andenstaat geltendem Recht längst verjährt und er dürfe nicht nach Deutschland ausgeliefert werden.
Nach 30 Jahren zurück in Deutschland
Ende 2019 war dann der jetzt angeklagte Peter K. am Flughafen El Vigía in Venezuela ebenfalls festgenommen worden und kam in Auslieferungshaft. Nach gerichtlichen Klärungen in Venezuela und dem Stellen von Asylanträgen in dem südamerikanischen Land konnten die Angeklagten dann in dem Andenstaat teilweise als Bauern und Tierhalter weiterleben. So berichtete die "taz" 2017 nach einem Besuch der in Deutschland seit über zwei Jahrzehnten Gesuchten: Peter K. "steht in Venezuela auf einer Weide und hat gerade eine Kuh gemolken. In der Ferne ragen die Anden in den Himmel… ." K. berichtete in dem Artikel, er wolle juristisch reinen Tisch machen.
Nach den Informationen des rbb war seit einiger Zeit bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sondiert worden, mit welchen Strafvorstellungen bei einer Rückkehr der beiden mutmaßlichen Mitgliedern der Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." zu rechnen sei. Die Besprechungen hinter geschlossenen Türen führten offenbar zu einem annehmbaren Ergebnis: Am letzten Mittwoch, dem 12. März, landeten Peter K. und Thomas W. auf dem BER und wurden festgenommen. Einen Tag später wurde ihnen der Haftbefehl im Amtsgericht Tiergarten verkündet.
Am Montag, dem 17. März beginnt der Prozess gegen beide wegen "der Verabredung zum Verbrechen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" mit einer möglichen Höchststrafe von 15 Jahren. Erst 2035 wäre der Vorwurf absolut verjährt gewesen, die Angeklagten wären dann bei ihrer Rückkehr nach Deutschland 75 und 72 Jahre alt gewesen. Der Vorwurf der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" kann ihnen aber bereits heute - nach 20-jähriger Verjährungsfrist - nicht mehr gemacht werden.
Vier Verhandlungstage bis zum 8. April sind beim 2. Strafsenat des Kammergerichts für den Prozess vorgesehen. Zu Beginn wird mit der Unterbreitung eines Verständigungsvorschlags gerechnet, öffentlich verhandelt zwischen der Bundesanwaltschaft, den Angeklagten und dem entscheidenden Staatsschutzsenat.
Auch eine Bewährungsstrafe könnte verhängt werden für die knapp 30 Jahre zurückliegende Tat, verbunden mit einem Geständnis der Angeklagten und der Berücksichtigung einer in Venezuela eventuell verbüßten Auslieferungshaft.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.03.2025, 13:30 Uhr