Konzert | Gisbert zu Knyphausen - Die Melancholie ist tot, es lebe die Melancholie!
Gisbert zu Knyphausen hat nicht nur einen auffälligen Namen, er ist auch seit Jahren einer der auffälligsten Künstler der deutschen Singer-Songwriter-Szene. Nun hat er im ausverkauften Babylon-Kino in Berlin ein leises, aber nachhallendes Konzert gespielt. Von Jakob Bauer
Ganz sanft, ganz unauffällig, mit angedeutetem Lächeln, aber schüchtern, wie ein Reh im Scheinwerferlicht kommt Gisbert zu Knyphausen auf die Bühne des Berliner Babylon-Kinos. Die Bescheidenheit in Person. Und man nimmt es ihm ab, wenn er sagt, er sei noch ein bisschen nervös, er habe schon lange keine Konzerte mehr ohne Band gespielt, denn dieser Abend ist eine reine Solo-Nummer. Aufs Wesentliche konzentriert. Keine Show, keine Lichteffekte. Der Mann, seine Gitarre, seine Texte.
Im Kampf mit sich selbst
Nun erfindet Gisbert zu Knyphausen das Liedermacher-Rad wahrlich nicht neu. Seine Songs sind Alltagsbeobachtungen und Gesellschaftsbeschreibungen, die er in durchaus ansprechende, poetische Sprache gießt. Runter wie Öl gehen Verse wie: "Also schwebst du benebelt vom Whiskey/Wie ein eiernder Frisbee über den Strand/Ein elegant wankender, am Wohlstand erkrankender Mann."
Und er singt von sehr persönlichen Momenten der Liebe, des Rausches, der Suche, aber auch, und das zieht sich als roter Faden durch sein Werk: vom immerwährenden Kampf, einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit dem Düsteren in der Welt. Mit der Melancholie. Der Sehnsucht danach und der Angst davor.
Er hat ihr sogar ein Lied gewidmet: "Ich mein' du weißt ja, eigentlich mag ich dich sehr gerne/Wenn du nur ab und zu mal deine Fresse halten würdest/Aber du zerredest mich solang', bis ich nicht mehr weiß/Wo ich bin und was ich will/Komm sei endlich still, Melancholie, sei endlich still."
Bla, bla, bla …
Über düstere, blöde Sachen singen viele, aber das Faszinierende an Gisbert Zu Knyphausens Musik, und das arbeitet gerade dieser reduzierte Auftritt so gut heraus, ist, wie er das macht. Nur selten gibt er sich diesem Weltschmerz hin, sondern er konterkariert das durchaus Bürgerlich-Gediegene in seiner Musik. Er scheltet sich, scheltet uns als Zuhörende, lassen wir uns doch bitte nicht so hängen. Ich, der Musik machen darf, ihr, die da im Publikum sitzt und euch einen schönen Abend macht.
Das sagt er nicht in den Ansagen, überhaupt wird er erst am Ende des Abends etwas gesprächiger. Aber in seinem Song "Spieglein, Spieglein", den zu Knyphausen als "Selbstgespräch in zwei Akten" ankündigt, bringt er es wunderbar auf den Punkt. "Denkst du wirklich, du wärst so interessant/Wenn du dich suhlst in deinem Schmerz?/Bla, bla, bla..."
Auch musikalisch sind da widerstreitende Pole. Ganz sanft streichelt zu Knyphausen Akkorde und eingängige Melodien aus seiner Gitarre heraus, mit seiner angerauten Erzähler-Stimme flüstert er, singt, geräuschhaft und warm und kommt dann doch immer wieder in lauten, schrammeligen Momenten mit sich überschlagender Stimme voll aus sich raus. Das Publikum, das sonst gebannt und still an seinen Lippen hängt, umarmt diese Momente.
Er gibt Ermutigung
Und Gisbert zu Knyphausen hat auch einfach viel zu geben. Ermutigung, wie in einem seiner vielleicht bekanntesten und schönsten Lieder "Das Licht dieser Welt". Das beginnt mit dem ersten Licht, das jeder Mensch zur Geburt sieht, das schon mit Anstrengung verbunden ist, aber auch mit Liebe, wie das ganze Leben voller Licht und Anstrengungen und Liebe ist.
Das klingt jetzt nach viel Pathos, aber zu Knyphausen setzt an diesem Abend die richtige Stimmung und findet die richtigen Worte, die durch den Zynismus und die Abgebrühtheit des Hirns hindurchdringen und eben – um pathetisch zu bleiben – da landen, wo sie ihre Wirkung entfalten sollen: im Herzen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.2024, 06:55 Uhr