Konzert | "Iron & Wine" in Berlin - Verspielt im Schatten

Seit mehr als 20 Jahren ist der US-Amerikaner Sam Beam mit seinem Indie-Folk-Projekt "Iron & Wine" unterwegs. Am Montag sind er und seine Band im Berliner Huxleys aufgetreten. Jakob Bauer hat einen musikalisch und optisch überzeugenden Abend erlebt.
Ist der lässig. Sam Beam alias "Iron & Wine" schlappt an diesem Montagabend entspannt auf die Bühne des Berliner Huxleys Neue Welt, eine Hand leicht zum Gruß erhoben, als würde er nur eben einem Bekannten im Supermarkt winken und nicht gleich vor mehreren hundert Leuten eine Show voller intimer Songs spielen. Dann öffnet er seinen Mund, der von einem mächtigen, krautigen Zottelbart umrankt ist, und heraus kommt eine Stimme, so zart und feinfühlig wie der kuschligste Kaschmir-Pullover.
Mit dieser Stimme singt er von Leben und Tod, Familie und Beziehungen, von amerikanischer Kultur und Geschichte (allerdings ohne jemals am Abend eine gewisse Präsidentschaftswahl zu erwähnen). Von durchaus schweren Themen und düsteren Abgründen. Beam ist im "Bible Belt" im ländlichen South Carolina aufgewachsen, der Glaube, das Ringen mit dem Glauben und mit der amerikanischen Identität waren schon immer Themen seiner Songs, die voller religiöser Metaphern sind. Sie erzählen aber auch mit feinen genauso wie mysteriös-weitschweifenden, metaphorischen Pinselstrichen von der grundsätzlichen Atmosphäre des amerikanischen Südens, von Landschaften, Tieren, Mythologien.
Les' mir einfach irgendwas vor
Man hätte schon einen guten Abend, wenn man einfach nur dieser sanften, auch in den höchsten Falsett-Lagen unangestrengten Stimme zuhören würde. Es ist so eine klassische "Der könnte einem auch das Telefonbuch vorlesen und man würde dahinschmelzen"-Stimme. Aber Beam hat auch eine Band dabei und die hebt das Konzert nochmal auf eine andere Ebene. Denn trotz schönster Stimme kann so eine Singer/Songwriter-Show irgendwann auch ein bisschen dröge werden, wenn eine Person mit einer Gitarre oder einem Klavier ihre Geschichten erzählt. Aber dröge ist hier nichts.
Die Band ist im Halbkreis um Beam platziert, Streicher, Kontrabass, Schlagzeug und Tasten-Instrumente. Sie umspielen Beam im wahrsten Sinne des Wortes, reichern immer wieder nuanciert die leiseren Stücke an und schwellen gemeinsam mit Beam zu erhabenen Klang-Landschaften, wenn er seinen auf Platte zwar angenehm zu hörenden, aber manchmal auch ein bisschen spannungslosen Songs live ein vibrierendes, zweites Leben verpasst. Das geht so weit, dass das aufmerksam gespannt lauschende Publikum gar nicht anders kann, als tatsächlich ein bisschen zu tanzen, ein bisschen, abzugehen? Das hat man bei Singer/Songwriter-Veranstaltungen auch nicht alle Tage.
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Wozu Overhead-Projektoren heute noch gut sind
Live eine neue Erfahrung anzubieten, das funktioniert hier also durchgehend. Dazu trägt auch das Schattenspiel-Theater bei: Ja, Beam hat tatsächlich das "Manual Cinema Chicago" mit auf Tour dabei, zwei Künstler bedienen drei Overheadprojektoren - das sind die Dinger, auf die man in grauer Vorzeit mal Folien drauflegte, um damit sowas wie Diagramme oder Texte an die Wand zu werfen, auch gerne Polylux genannt.
Auch die Künstler legen Folien auf die Projektoren, aber sie kreieren damit fast fotorealistische, aber virtuos verträumte Dioramen, live zur Musik. Verspielte, fantastische Stadtansichten, kleine Wolkenfigürchen, Korn-Ähren im Sonnenuntergang. Einmal fliegt ein Junge auf einem Raben durch einen goldenen Himmel und Beam singt immer dazu immer wieder: "You never know". Man kann ja nie wissen.
Kitschgefahr umgangen
Trotz erhabener Musik, Wohlklang und mythologisch-märchenhafter Visuals wird es nie kitschig. Da hilft Beams Lässigkeit, er ertrinkt nicht wie andere Songwriter in Selbstmitleid und Trantütigkeit. Stattdessen beweist er Humor. Immer wieder witzelt er mit dem Publikum: "Na, hattet ihr ein gutes Wochenende?", fragt er in die Menge, die mit ein paar müden Montags-Jublern antwortet. "Das war aber mal erbärmlich" antwortert Beam und das ist dann nicht herablassend, sondern einfach nur witzig und alle lachen. Sam Beam verrät seine Kunst nicht, aber er stülpt die durchaus vorhandene Melancholie seiner Songs so nicht dem Konzerterlebnis über, wodurch große Luftigkeit und Lockerheit diesen Abend prägen, der mit seinen vielen Geschichten, ob in Bildern, Klängen, Texten, einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.11.2024, 6:55 Uhr
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