Urteil in Restitutionsfall - Familie muss Grundstück in Wandlitz an jüdische Organisation zurückgeben

Mi 11.12.24 | 11:07 Uhr
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Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt über Restitution von Haus der Familie Lieske in Wandlitz nach Enteignung von Juden (Quelle: rbb)
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Audio: rbb Antenne Brandenburg | 11.12.2024 | Georg-Stefan Russew | Bild: rbb

In Wandlitz lebt seit Jahrzehnten eine Familie in einem Haus, das einst zwei Jüdinnen gehörte. Der NS-Staat hatte sie zwangsenteignet. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in dem Fall entschieden.

Eine Familie in Wandlitz (Barnim) muss ihr Grundstück wegen Rückübertragungsansprüchen zurückgeben. Eine Revision in dem Fall ist am Mittwoch vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen worden. Die Rückübertragung an den Rechtsnachfolger der ursprünglichen Besitzer sei rechtens, hieß es in der Begründung.

Der NS-Staat hatte das Areal, das zwei Jüdinnen gehörte, zwangsenteignet. Die jüdischen Eigentümer hatten das Grundstück 1932 erworben und ein Feriendomizil für jüdische Kinder betrieben. Von den Nazis wurden sie schließlich zum Verkauf gezwungen. Der Großvater der heutigen Besitzerin hatte es 1939 von einem Makler gekauft.

Nun muss das Grundstück an die Jewish Claims Conference, einem Zusammenschluss von 23 jüdischen Organisationen, als Rechtsnachfolgerin der zwei in Auschwitz ermordeten Jüdinnen gehen.

"Wir wissen nicht, wohin"

Die Familie Lieske lebt seit mehreren Generationen in dem Haus in Wandlitz. 2015 erhielt die Familie einen Brief des Bundesamtes für Offene Vermögensfragen. Weil es keine lebenden Nachfahren der im Konzentrationslager ermordeten jüdischen Frauen - Alice Donat und Helene Lindenbaum - mehr gebe, sollten Haus und Grundstück an die Jewish Claims Conference zurückgegeben werden. Dagegen klagte die Familie - und hat nun vor dem Bundesverwaltungsgericht verloren.

Für sie breche eine Welt zusammen, sagte die 85-jährige Klägerin nach der Entscheidung. "Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht und meine Eltern gepflegt." Die Familie stehe vor dem Nichts, ergänzte ihr 61 Jahre alter Sohn. "Wir wissen nicht, wohin".

Die Jewish Claims Conferende hatte nach eigenen Angaben der Klägerin ein lebenslanges Wohnrecht in dem Haus angeboten. "Dieses Angebot wurde von der Familie Liske abgelehnt", hatte die Organisation dem rbb Mitte des Jahres schriftlich mitgeteilt. Ob dieses Angebot aktuell noch besteht, ist bisher unklar.

Einer der letzten Restitutionsfälle

Während in der Bundesrepublik bereits in den 1950er Jahren gesetzliche Regelungen für Rückerstattungen und Wiedergutmachungen beschlossen wurden, wurden die Besitzverhältnisse in der DDR zunächst kaum in Frage gestellt. Mehr als 34 Jahre nach der Wiedervereinigung sind fast alle Fälle von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen in Brandenburg abgearbeitet, die im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung von verfolgungsbedingten Vermögensverlusten zur NS-Zeit stehen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.12.2024, 11:00 Uhr

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53 Kommentare

  1. 53.

    Im Osten gab es übrigens die russischen Speziallager, in denen Nazis nach dem Krieg, zwischen 1945 und 1950 inhaftiert waren und gestorben sind. Es waren insgesamt wohl 12.000. Das da eine gewaltige Entnazifizierung stattfand, ist bekannt.
    Nachlesen kann man das unter Gedenkstätte Buchenwald. Das Thema wurde lange tabuisiert.
    Das im Westen Ähnliches passiert ist, müssten Sie mir dann erklären, denn Nazis im Westen kamen in kein Lager, so viel ich weiß. Oder doch?

  2. 52.

    Natürlich wusste die Familie beim Kauf um die vorherige Geschichte. Viele Familien konnten sich nur die "günstigen" zwangsenteigneten Häuser leisten. Spezielle "Makler" hatten damit alle Hände voll zu tun. Das die Gerechtigkeit erst so spät hergestellt wurde, sollte für viele eine Mahnung sein. bereichere dichnicht an dem Leid anderer.

  3. 51.

    Ich finde auch, dass hier der Fokus auf der noch lange nicht angeschlossenen Aufarbeitung der Gräueltaten des 3. Reich zu liegen hat.

    Die Familie, welches das Haus bewohnt, hat dieses nur aufgrund der Zwangsversteigerung erstehen können und das mitten drin im Nazi-Wahnsinn, der hierzulande Normalität war.

    Ein lebenslanges Wohnrecht, welches den Bewohnern von der Klägerin und nun rechtmäßigen Besitzerin des Hauses und Grundstücks großzügiger Weise angeboten wurde, wurde von jenen ausgeschlafen, stattdessen legte man es auf einen Rechtsstreit an, den man verlor und ging sogar in revision, wieder erfolglos. An diesem Urteil ist ergo rein rechtlich sicher nichts auszusetzen, aber wie so oft bei Themen, die jüdisches Leben betreffen, geht es jenen, die sie diskutieren, nicht um Recht und Gerechtigkeit, wie in den Kommentaren unschwer zu erkennen ist.

  4. 50.

    Bei Bahlsen, Flick und Co. gibt es mehr zu holen.

  5. 49.

    Das ist das Schicksal von altem Unrecht - es zerstört. Und nicht nur in der Zeit, in der es begangen wurde. Es ist doch völlig rechtens, dass das Grundstück an die jüdischen Eigentümer oder ihre Erbfolger zurück gegeben werden muss, aber die jetzt darin lebenden Menschen werden für ein Unrecht bestraft, dass sie nicht selbst begingen. Hart. Aber ich versteh ehrlich gesagt nicht, warum sie klagen, dass sie nicht wüssten wohin, wenn doch ein lebenslanges Wohnrecht angeboten wurde? Das ist doch widersinnig.

  6. 47.

    Egal ob man das nun richtig oder falsch findet: Wer oder was legitimiert die Jewish Claims Conference als Rechtsnachfolger (das ist normalerweise klar geregelt und einen natürlichen Erb- / Rechtsnachfolger gibt es hier eben nicht) der beiden ermordeten Jüdinnen? Kann jemand diese Frage ernsthaft und belastbar beantworten ?

  7. 46.

    Dieses Urteil kommt Jahrzehnte zu spät und wiegt mitnichten das Unrecht auf. Unrecht bleibt Unrecht. Aber ich empfinde etwas wie späte Gerechtigkeit den beiden Frauen gegenüber und den vielen Kindern, die dort im Haus lebten, denn jeder Stein in diesem Haus erzählt eine Geschichte. Wie ging es den Kindern, jene, die diese Frauen in ihrem Haus betreuten, wurden auch sie getötet? Wie fühlten sich die beiden Frauen, als ihnen das Haus genommen wurde? Wie ging es ihnen, als sie wussten, dass sie sterben sollen? Was wird das für ein Gefühl gewesen sein? Es war grauenvoll und grauenhaft und allein der Gedanke daran lässt mich verzweifeln. Das alles taten unsere Vorfahren? Welche Schuld wir doch auf unseren Schultern tragen.

  8. 45.

    "Die Familie oben hat ja nur dort ein Leben lang gewohnt, weil das Grundstück mit Unrecht erworben wurde"

    Wenn man ein Grundstück über einen Makler erwirbt ist es also Unrecht?
    Unklar ist doch, ob man die Vorgeschichte des Hauses kannte und das Grundstück unter Wert verkauft wurde.
    Rechtsprechung sagt halt: Enteignete Grundstücke vom Staat gekauft müssen zurückgegeben werden. Da ist es egal ob aus Nazi- oder DDR-Zeit. Kurz gesagt Recht und Gerechtigkeit sind zwei Paar Schuhe.

  9. 44.

    Das gesamte Deutschland beherbergte nach dem Krieg Millionen von NAZIS, die allersamt die Rassenideologie des Regims mitgetragen haben, nur hatten nur wenige das Zeug und Gelegenheit eine Karriere zu "machen", und so mussten sie sich mit der Rolle des Mitläufers begnügen. Ihre Einstellung hat sich ganz und gar nicht vom einen Tag auf den Anderen in Luft aufgelöst, die Folgen merkt man noch heute, insbesondere im Osten, der sich gegen eine Aufarbeitung ganz verwahrte.

  10. 43.

    Dieses Urteil ist unglaublich, zumal die damaligen Besitzer gar nicht mehr leben und auch keine Nachkommen haben. was ist das für eine Rechtssprechung. Mein Mitgefühl für die Familie-

  11. 42.

    Was ist denn mit dem Buchersitzungsparagrafen? Der besagt das Grundbucheinträge ,auch wenn sie unrechtmäßig erfolgten, nach 30 Jahren nicht geändert werden. ??

  12. 41.

    Die Entscheidung des BVerWG ist juristisch völlig korrekt. Wenn zwischen 1949 bis 1989 kein redlicher Erwerb in der DDR stattgefunden hat, gibt es keinen Ausschlussgrund der Restitution, die zu einer geringwertigen Entschädigungsberechtigung geführt hätte.
    Der Verkauf 1939 war ein Zwangsverkauf, da durch die sog. Arisierungsgesetze unterhalb des Verkehrswertes günstig eingekauft wurde auf Kosten (85 J. lang übrigens!) der beiden jüd. Frauen. Die JCC ist Berechtigte aufgrund ihrer Globalanmeldung, die für alle jüd. Antragsteller gilt, weil die Erbfolge vieler jüd. Antragsteller aufgrund der relativ kurzen Ausschlussfrist des § 30 a VermG (31.12.1992 für Grundstücke)oft nur schwierig mittels Erbscheine nachweisbar war.
    Man kann zur JCC stehen wie man will, und ob im Innenverhältnis mit tats. jüd. Erben fair umgegangen wird und wurde ist eine andere Frage, aber dass die JCC den Erben des Ariseurs ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt hat, ist ein durchaus sehr faires Angebot.

  13. 40.

    "...und die 2 alten Menschen dort wohnen lassen bis zum Tode"
    Sie scheinen den Artikel nicht bis zum Ende gelesen zu haben? Es steht drin, dass den Bewohnern ein lebenslanges Wohnrecht im Haus angeboten wurde, welches von den Bewohnern abgelehnt wurde.

  14. 39.

    Es gibt keine Entschädigung. In der BRD wurden die Juden bzw. die zuständigen Organisationen entschädigt. In der DDR passierte da nichts. Nach der Wende wurde daran auch nichts geändert und die Leute waren ihre Grundstücke los bzw. mussten diese nochmals kaufen/nachzahlen. Das die Grundstücke zurück gehen ist gerecht. Die Familie oben hat ja nur dort ein Leben lang gewohnt, weil das Grundstück mit Unrecht erworben wurde. Es gibt aber ein gravierendes Unrecht zwischen Ost- und Westdeutschland.

  15. 38.

    Mein Jahrgang wurde in der Schule in Sozialkunde und Geschichte dazu bestens gebildet - tja - ging wohl daneben, versuchen Sie mal nicht abzulenken.
    Stichwort - "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren" - sagt Ihnen dies etwas? Den gab´s übrigens auch in der DDR. Man muss nur etwas tiefer recherchieren - wem dies nicht unbekannt ist.

  16. 37.

    Viele Menschen haben sich bereichert, als Hab und Gut der Juden verkauft wurde, es gab riesige Märkte, auf denen der gesamte Besitz der getöteten Juden veräußert wurde. Diese Märkte waren gut besucht.

    Gewissen? Hatten wenige. Sie kauften alle gern dort ein.

  17. 36.

    Warum ist die Familie nicht dankbar, dass sie 85 Jahre in dem Haus leben durfte, das sie damals wahrscheinlich sehr günstig erwerben konnte? An Diebesgut lässt sich nun mal kein Eigentum erwerben. Egal ob wissentlich oder unwissentlich. Das Angebot auf lebenslangen Nießbrauch auszuschlagen, deutet in meinen Augen auf einen gewissen Hochmut hin.

    Als Rechtsnachfolger des Nazi-Regimes könnte die Bundesrepublik Deutschland allerdings der Familie einen Schadenersatz zahlen, sollte der Käufer damals gutgläubig gewesen sein.

  18. 35.

    Warum benutzen eigentlich Rechte immer Frauennamen, um antisemitische Kommentare zu formulieren? Ich frage für einen Freund.

  19. 34.

    Warum löscht der rbb nicht diesen Kommentar? Das ist keine Meinung, es ist eine Verhöhnung der tatsächlichen Opfer und das geschieht hier bewusst. Wehret den Anfängen.

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