Kommentar | Warnung vor vorzeitigem Braunkohleausstieg - Drei Ost-Ministerpräsidenten und ihre Angst

Sa 17.12.22 | 16:32 Uhr | Von Torsten Mandalka
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.), Dietmar Woidke (SPD, l), Ministerpräsident von Brandenburg, Reiner Haseloff (CDU, 2.v.r.), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, kommen am 02.09.2022 im Gründerzentrum Dock3 Lausitz zusammen. (Quelle: dpa/Robert Michael)
Bild: dpa/Robert Michael

Die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben in einem Brief an Bundeskanzler Scholz vor einem vorzeitigen Aus der Braunkohle gewarnt. Ihre Befürchtungen gehen in die falsche Richtung, kommentiert Torsten Mandalka.

In einem gibt es für Klimawissenschaftler und vom Klimawandel Betroffene keine zwei Meinungen: Jede Tonne fossiler Energiequellen, die nicht gefördert wird, ist ein Gewinn. Der Brief der Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer an Bundeskanzler Olaf Scholz ist vor diesem Hintergrund ein Schuss in den Ofen.

Er ist Ausdruck von Kurzsichtigkeit, regionalem Tunnelblick und einer Ängstlichkeit, die ihre Länder nur weiter in die Krise führen wird. Aus dem Brief wird deutlich: Die Herren ahnen sehr genau, dass die Braunkohleindustrien ihrer Länder dem Druck, den die grün geführten Berliner Klimaschutz- und Umweltministerien angeblich machen, nachgeben werden. Wahrscheinlich eher heute als morgen.

Die Industrie wird sich der Zukunft zuwenden

Die Braunkohleförderer LEAG, MIBRAG und Co werden nämlich nach streng betriebswirtschaftlichen, gewinnorientierten Kriterien entscheiden, welche Schwerpunkte sie in Zukunft setzen. Und wenn es sich für sie lohnt, schon früher als 2038 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, dann werden sie einem entsprechenden Deal mit der Bundesregierung zustimmen.

Die RWE hat das in Nordrhein-Westfalen bereits getan. Ihrem Aktienkurs hat das erkennbar nicht geschadet. Auch die LEAG orientiert sich längst auf die Zukunftstechnologien der Energieerzeugung: auf die Erneuerbaren. Man kann das Druck nennen, wie die Ministerpräsidenten, man kann es aber auch als ökonomische Vernunft und halbwegs verantwortungsvolle Klimapolitik betrachten.

Verdienste, die in die Klimakrise führten

Wenn die Ministerpräsidenten in ihrem Brief an den Bundeskanzler nun die Verdienste der Braunkohleindustrie in der Vergangenheit hervorheben, ist das eine sehr einseitige Betrachtung. Ja, sie hat den Menschen in den Braunkohleregionen ihre Jobs und damit die Lebensgrundlage gesichert.

Aber sie hat auch - wie keine andere Industrie - zur krisenhaften Entwicklung des Klimawandels beigetragen. Weswegen jetzt die Menschen - auch und gerade in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen - unter der Dürre leiden, im Sommer verzweifelt gegen Waldbrände kämpfen und vom Hitzetod bedroht sind - die aktuelle Statistik zur Übersterblichkeit in den heißen Sommermonaten des Jahres 2022 steht noch aus. Von den Folgen der Klimakrise in anderen Teilen der Welt müssten wir hier eigentlich auch noch sprechen.

Der Klimakrise sind die CO2-Ziele egal

Das zentrale Argument der Briefeschreiber ist, dass auch mit einem Braunkohleausstieg in erst 15 Jahren die vereinbarten internationalen CO2-Ziele eingehalten würden. Das mag sein. Sie verkennen jedoch, dass es dem Weltklima herzlich egal ist, was die internationale Gemeinschaft auf ihren Klimakonferenzen so verabredet.

Unabhängig davon verändert das Klima sich in einer Weise, die über die Befürchtungen der Wissenschaftler noch hinausgeht. Jedenfalls haben sich ihre bisherigen Prognosen alles andere als falsch erwiesen. Insofern ist es fast schon naiv zu sagen: Wir haben einen Ausstieg erst für 2038 verabredet, daran müssen wir uns jetzt auch halten.

Die Angst um den sozialen Frieden

Was die Ministerpräsidenten umtreibt, ist offensichtlich: die Angst vor der Angst der Wähler in den Braunkohleregionen, die sich Sorgen machen um ihre Jobs - und die nach der Wende schon einmal harte Brüche in ihren Biografien erleben mussten. Diese Angst produziert Wut, und Wut produziert Radikalisierung. Was nicht nur die Wahlerfolge der drei Herren gefährdet, sondern auch den sozialen Frieden.

Doch kurzsichtige Warnungen helfen da wenig. Verantwortungsvolle Politik würde den Menschen zeigen, dass es andere, zukunftsfähigere Perspektiven gibt als die Braunkohle - auch für sie. Sie würde eine Wirtschaftsförderung betreiben, die den Ausbau der Erneuerbaren radikal beschleunigt, die zeigt, dass Verzicht auf unbegrenzten Energiehunger gar nicht so schlimm ist, und die schlussendlich für einen möglichst schnellen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern sorgt.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.12.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Torsten Mandalka

51 Kommentare

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  1. 51.

    "Ihre Antwort bestätigt die Aussage von *7 Lorenzo doch sehr eindrucksvoll. Wer nicht dem Mainstream folgt oder dem sogar ideologisch verfallen ist, und eine andere Meinung vertritt, muss aus seiner Verehrung für die Rechtsextremisten der AfD auch keinen Hehl mehr machen."

    Na klar, das Suhlen in der Opferrolle. Welche Meinung? "Lorenzo" vertritt keine Meinung, sondern das rechtsextreme Narrativ "Verehrung der Grünen unter zahlreichen Journalisten", genau wie sie vom "Mainstream" faseln, beides rechtsextreme Narrative.

  2. 50.

    Dieser Fokus auf noch nicht existierende passende Energiespeicher zeugt von eher kurzsichtiger Denke.
    Ein Speicher lohnt sich erst dann, wenn man ihn auch ordentlich und in dem Fall mit sauberer Energie füllen und wieder leeren kann. Bislang werden ca. 6 TWh EE pro Jahr "weggeworfen" also nicht genutzt, vorrangig wegen Netzüberlastung. Alles andere wird verbraucht bzw. über Kurzzeitspeicher integriert.
    Für effektive Großspeicher reicht das noch nicht, zumal der Netzentwicklungsplan der ÜNBs einige Chancen schon in nächster Zeit eröffnet weniger EE-Strom wegzuwerfen.
    Die Lösungen der Speicherproblematik sind natürlich in Arbeit. Sind ja keine Dummköpfe die in der Energiewirtschaft arbeiten. Sonst hätten wir den jetzigen Stand nicht erreichen können.

  3. 49.

    Hat ja auch niemand vor.
    Wie kommen die Zweifler immer darauf, dass die Stromnetze zukünftig 100% direkt mit Wind und PV gespeist werden sollen. Das steht in keinem einzigen Szenario.
    Auch beim Einspeichern und Ausspeichern wird man auf verschiedene Technologien setzen.
    Könnte man jetzt alles aufzählen aber bei Ihnen habe ich da wenig Hoffnung auf Verständnis, da Sie sich schwer tun mit der Komprimierbarkeit von Gasen und seinen Folgen für den Energiegehalt derselben.
    Bissel "linksgrüne" Erklärerei gefällig?
    https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf

  4. 48.

    Überzeugendes Gegenargument!
    Chapeau!!
    Beim Lesen von Kommentaren dieser Art wird einem angst und bange.
    Zum Thema: Braunkohle ist energetisch nicht der Weisheit letzter Schluss, sich aber wahrscheinlich mit einem Chai Latte in einem Großstadt- Co-Working-Space zu solch einem Kommentar aufzuraffen, ist auch eine Leistung! Wieso werden von rbb 24 eigentlich nicht regelmäßig Pro- und Contra - Kommentare parallel veröffentlicht. Hilft der Meinungsbildung ungemein!

  5. 47.

    Ich wollte in meinem ". Vwwrsuch auch Sie estätigen. Reporter Mandelka hat es gut ausgelotet und so kam es auch bei Ihnen an! Super! So lange wir an der Kohle hängen wollen, geht die Kraft, nach vorn zu gucken verloren. Aber gut, dass man mit so einer Meinung nicht allein steht. Denn die Folgen des Koohleabbaus muss man ja auch sehen (wollen) ! Und das sieht alles nicht gut aus!

  6. 46.

    Praktisch ohne Speicher kann man ziemlich bequem zwei Drittel des Bedarfs aus Wind und Solar decken. Da sind wir noch meilenweit entfernt. Darüber hinaus braucht man in der Tat Speicher, zum Beispiel in Form von Wasserstoff. Das ist aber kein Hexenwerk, sondern erprobte Technik. Lohnt sich halt gerade wirtschaftlich noch nicht, weil wir noch nicht genug CO2-freien Strom im Angebot haben um Speicher profitbringend zu betreiben.

  7. 45.

    "Dass Leute, die Angst vor der Zukunft haben leichte Beute sind, sieht man am besten bei denen, die sich auf die Straße kleben."

    Eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Angst vor der Zukunft haben eher die die ihre Augen vor Tatsachen verschließen. Vogel Strauß Politik und ein Weiter so und nach mir die Sintflut.

  8. 44.

    3 Ministerpräsidenten, "die Angst vor der Angst der Wähler in den Braunkohleregionen" haben? - zur Zeit sind in D. ca. 20.000 Menschen in der Kohleindustrie beschäftigt und der Bund stellt nach Kohleverstromungsbeendigungsgesetz 40.000.000.000 €uro zur Verfügung, also 2 Millionen € je Beschäftigten - da hab ich doch ganz andere Sorgen, ich hoffe die Landesrechnunghöfe haben schon begonnen die Quittungen zu sammeln. gruß

  9. 43.

    Dass Leute, die Angst vor der Zukunft haben leichte Beute sind, sieht man am besten bei denen, die sich auf die Straße kleben.

  10. 42.

    Sorry, aber glauben Sie selbst was Sie schreiben? Die MP sind schuld an der Energiekrise. Blödsinn, mal reflektieren.
    So lange keine zukunftsfähigen Speicher existieren, sind wir in Bezug auf gesicherte Grundlast, auf Kohle und Gas angewiesen.

  11. 41.

    Statt mit Angst und Schrecken um sich zu werfen, sollten sich die 3 MP dringend endlich damit befassen, ihre Bürgen mit positiven Zukunftschancen auszustatten. Das es mit dem Braunkohleabbau endet, ist doch schon seit Jahrzehnten klar. Das haben die drei Bundesländer einfach mal verdrängt und auf "wir kümmern uns später" geschoben. Dass die vorwiegend ältere Bevölkerung nicht so flexibel in ihrer Lebensplanung ist ist doch bekannt.

  12. 40.

    Egal wann … Hauptsache KEIN ABRISS, sondern in die Reserve … Für noch 100 Jahre … DAS sollten wir bitte gelernt haben … Ich meine es bitter ernst.

  13. 39.

    "Der Flatterstom muss dann verbraucht werden, wenn er gerade flattert. "

    Das Märchen ist so alt wie es falsch ist. Genau so falsch wie das Märchen von der sauberen Atomkraft.

  14. 38.

    Oder es ist viel profaner: Herr Woidke will den Kohleausstieg noch länger verzögern und die Strukturmilliarden vom Bund schon jetzt erfolglos zweckentfremdet gönnerhaft zuteilen: z.B. für Infrastruktur, wo das Land selber zuständig ist (Hafenausbau in KW) u.a.

  15. 37.

    Ich sag ja, man muss das mit der Grundlast verstehen. Dieser Kommentar beweist das Gegenteil....

  16. 36.

    Genauso ist es, guter Kommentar. Für unsere Zukunft muß logisch und nicht ideologisch gehandelt werden, sprich neue EE aufbauen und dann Alte abschalten.
    Fehler wurden in der Vergangenheit genug gemacht und dies dem Anderen vorhalten bringt jetzt gar nix mehr.
    Das Problem das uns jetzt zusätzlich auf die Füße fällt ist der Fachkräftemangel, das sieht man ja in allen Bereichen quer durch die Republik. Und das wird sich leider auch nicht so schnell ändern lassen, das ist eine verzwickte Situation!
    Schönen 4. Advent!

  17. 35.

    Es geht doch weder im Statement der MPs noch im Kommentar oder in meiner Meinungsäußerung darum, ob es den Klimawandel gibt, ob der Kohleausstieg sinnvoll ist, ob EEG-Anlagen gebaut werden sollten. Das ist doch alles klar und schon lange ausdiskutiert. Warum wollen Sie dann mit mir darüber diskutieren? Es geht darum, dass erst über das genaue Abschalten der Kraftwerke diskutiert werden kann, wenn eine technische Lösung für das dauerhafte, wirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Bereitstellen von Elektroenergie in Sichtweite ist. Und den MPs vorzuwerfen, sie verschliefen die Zukunft ist m.E. einfach unwahr.

  18. 34.

    Das Problem mit Wind- und Sonnenenergie ist die unzuverlässige Verfügbarkeit.

  19. 33.

    Etwas Objektivität und Sachverstand sollte man schon aufbringen, vor allem sollte man versuchen die Argumente der 3 MP inhaltlich zu verstehen. Ein Strukturwandel ist nicht mit „Maschinenstürmerei“ zu vergleichen, sondern verlangt klare, sozialverträgliche, wirtschaftliche Entscheidungen. Das ist ein komplexer Prozeß und für jeden nicht gleich voll erschließbar. Die Sorge um die Bürger (auch Ihres Landes) zählt wohl nicht? Ein Kohleausstieg ist dann möglich, wenn Alternativen vorliegen und dann sofort. Ob das der Umstieg auf das LNG-Gas sein soll, ist mehr als fraglich. Allein der Beschaffungsweg und Aufbau der Infrastruktur produziert so viel CO² auf Jahre hinaus und täglich werden lt. Mitteilung der Firma Uniper, künftig jeden Tag 480.000 Kubikmeter chlorhaltigen Abwassers in die Nordsee abgeleitet. Das ist nur ein Flüssiggas-Terminal (LNG). Wohin führt dieses? – gewählt ist gewählt -

  20. 32.

    Statt einer Ist Beschreibung wäre ein Hinweis auf die Ursachen angebracht. Für die hohen Preise sind nicht die EE verantwortlich, kein Habeck und auch kein Scholz. Dieses Narativ zu verbreiten fällt den Alternativlosen natürlich leicht.
    Leute die Angst vor der Zukunft haben sind bis zu dem Punkt wo sie erkennen was die rechtsextreme Truppe wirklich will leichte Beute. Das wirklich gute an der AfD ist das die mit Hochdruck daran arbeitet verboten zu werden.

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