Barometer für Hygiene - Berliner Gastronomen und Bezirke kritisieren "Saubere-Küchen-Gesetz"
Schluss mit Ekel-Küchen, her mit Transparenz bei Restaurant-Besuchen: Das verspricht das sogenannte Lebensmittel-Überwachungs-Transparenzgesetz. Eine Rot-Gelb-Grün-Skala am Einlass soll für Klarheit sorgen. Nicht umsetzbar, klagen die Bezirke. Von Anja Herr
Die Blechbilder-Bar in Friedrichshain. Inhaberin Leyla Köprüglügil spült Gläser und schüttelt den Kopf. "Nein", sagt sie, "das glaube ich nicht, dass die "Transparenz-Barometer" eine gute Sache sind", sagt sie. Die Idee dahinter sei vielleicht gut, aber nicht realisierbar. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bezirk dafür Personal hat. Die kommen doch ihren Aufgaben jetzt schon nicht nach. Wie sollen sie jetzt noch mehr Aufgaben schaffen?", fragt sie in den leeren Raum. Geöffnet wird erst in einer Stunde.
Nicht, dass sie es den Gästen nicht gönnen würde. Aber bis alle Läden im Bezirk – Cafés, Imbissbuden, Supermärkte, Restaurants, Bäckereien – kontrolliert seien und mit dem Farbbalken im Eingangsbereich ausgestattet, "das dauert ewig", ist sie sicher. Berlinweit seien es 50.000 Betriebe. Ungerecht sei es auch: Weil einige dann schon kontrolliert würden und mit Barometern ausgestattet, andere aber noch nicht. "Das führt zu Wettbewerbsverzerrung", stellt sie fest.
Es geht um das "Saubere-Küchen-Gesetz", das der Senat vor 1,5 Jahren für Restaurants und Co. beschlossen hatte. Ein "Transparenz-Barometer" in den Farben von Grün über Gelb bis Rot soll anzeigen, wie die Hygiene-Kontrolle des Gesundheitsamtes in einem Betrieb ausgegangen ist. Die Betreiber müssen dieses Ergebnis in Zukunft gut sichtbar für die Kunden aushängen, es wird auch im Internet veröffentlicht.
Stadträtin Schrod-Thiel: "Wir können nicht loslegen"
Was Kneipenbesitzerin Leyla Köprüglügil mutmaßt, bestätigen die Bezirke. Aus Friedrichshain-Kreuzberg heißt es, das Gesetz könne aus personellen Gründen nicht umgesetzt werden. Man warte auf Nachbesserungen seitens der Senatsverwaltung, um tätig werden zu können. Es existiere noch immer keine gültige Verordnung zur Durchführung des Gesetzes.
Auch die Bezirke Pankow, Treptow-Köpenick und Charlottenburg-Wilmersdorf kritisieren die Senatsverwaltung dafür, nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen zu haben. "Wir können nicht loslegen", beklagt auch Julia Schrod-Thiel, die zuständige Stadträtin in Reinickendorf. Zugesagte Gelder für Personal und Sachleistungen seien nicht im Bezirk angekommen. Notwendige Schulungen für Mitarbeiter habe es auch noch nicht gegeben.
Senatsverwaltung sieht keine Probleme - erste Barometer sollen noch im Januar hängen
Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz widerspricht. Man habe seit 2017 den Bereich der Lebensmittel- und Veterinärämter in den Bezirken um 37 Prozent aufgestockt - das seien ungefähr 75 Stellen, sagt Verbraucherschutz-Staatsekretär Markus Kamrad der rbb24 Abendschau. Richtig sei, dass das Gesetz bereits im Juni 2021, noch unter der vorherigen Regierung und dem damaligen Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne), beschlossen wurde.
Kamrad könne die Aufregung jetzt nicht nachvollziehen. So habe aus rechtlichen Gründen das Gesetz erst inkrafttreten müssen, bevor die dazu passende Durchführungs-Verordnung an den Start gehen könne. Andersherum wäre sie ungültig gewesen, betont der Staatssekretär.
Zum 15. Januar soll sie nun kommen. Kamrad betont, dass die Verordnung mit den Bezirken besprochen, das Personal bereits in der vergangenen Legislaturperiode zur Verfügung gestellt und die Gastronomen informiert worden seien, so der Staatssekretär weiter. Seiner Ansicht nach ist die Verordnung auch nicht kompliziert. Lebensmittelkontrollen fänden ohnehin statt - nur mache man die jetzt transparent. Und wenn es eine Gesundheitsgefährdung gebe, werde der Betrieb ohnehin geschlossen. Die ersten Barometer sollen nach Kamrads Dafürhalten "im Laufe des Januars ausgehängt werden".
Hotel- und Gaststättenverband: "Gesetz ist nicht zu Ende gedacht"
Thomas Lengfelder, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands, überzeugt dies aber nicht. Schon bei Gesetzbeschluss habe es damals viele Gespräche gegeben. Lengfelder verbirgt nicht, dass er sauer ist. Denn der Verband hatte damals darauf gedrängt, dass Unternehmen das Recht auf eine Nachkontrolle haben, bevor ein Negativ-Ergebnis veröffentlicht wird. Das Gesetz sieht zwar vor, dass gegen Bezahlung eine Nachkontrolle beantragt werden kann, die innerhalb von zwei Monaten erfolgen soll. Zunächst einmal hängt aber das schlechte Ergebnis im Eingang. Schwarzer Pfeil auf Rot.
"Für einen Unternehmer und für Arbeitsplätze ist das schädlich", sagt Lengfelder. Eine Kontrolle sei ja nur eine Momentaufnahme. "Eine Kennzeichnung bringt dem Verbraucher meines Erachtens nicht viel. Man kann daraus nicht schließen, wie in dem Unternehmen langfristig gearbeitet wird."
Zu wenige Kontrollen
Viel wichtiger als die Einführung eines Barometers sei es, dass flächendeckend Kontrollen stattfinden. Das sei aber nicht gegeben. "Wir wissen, dass wegen Personalmangel in vielen Bezirken über längere Zeiträume gar keine Kontrollen stattfinden", sagt Lengfelder.
So sieht es auch Gastronomin Leyla Köprüglügil. "Bei manchen Läden frage ich mich schon, warum da nicht mal kontrolliert wird", sagt sie. Wichtig fände sie, dass Restaurantbetreiber regelmäßig zu Hygiene-Schulungen verpflichtet würden. "Das würde Sinn ergeben", sagt sie. Aber Transparenz-Barometer? Grün, Gelb, Rot. Sie habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Es ist gleich 15 Uhr, dann macht sie das Lokal auf. Dann kommen die ersten Gäste.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.01.2023, 19:30 Uhr